"Viel vom traditionellen System verloren"
17. September 2019Bhushan Tuladhar ist Umweltingenieur und Geschäftsführer von Sajha Yatayat, einer Kooperative für den öffentlichen Verkehr, die in und um Kathmandu Buslinien betreibt. Er ist auch Vorsitzender der NGO Environment & Public Health Organization und Clean Energy Nepal sowie Berater des Human Settlements Programme (UN Habitat) der Vereinten Nationen.
DW: Nepal wurde als das Land mit der weltweit schlechtesten Luftqualität eingestuft. Was halten Sie von dem Luftqualitäts-Bericht der Universität Yale?
Bhushan Tuladhar: Die Luftqualität in Nepal, insbesondere in Kathmandu, ist schlecht. Aber ich würde nicht sagen, dass sie die schlechteste der Welt ist. Wir sind aber schon unter den Top 10 der schlimmsten Städte der Welt. Die Studie der Universität Yale befasst sich sowohl mit der Luft im Freien wie mit der Luft in geschlossenen Räumen. In den Innenräumen haben wir mehr Probleme, denn etwa 70 Prozent der Häuser in Nepal verwenden traditionelle Öfen mit fester Biomasse, also Brennholz, landwirtschaftliche Reststoffe oder Dung. Diese Brennstoffe führen zu Verschmutzungen und die Öfen sind ohnehin nicht sehr effizient. Küchen sind die am stärksten verunreinigten Lebensräume in Nepal.
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Was sind die Hauptursachen für die Luftverschmutzung im Freien?
Hauptverursacher der Verschmutzung ist der Verkehr. Das Transportsystem als Ganzes ist schlecht organisiert, da viele alte, umweltschädliche Fahrzeuge auf staubigen Straßen fahren. Das öffentliche Verkehrssystem ist wirklich ineffizient. Als Folge davon steigt die Anzahl der Privatfahrzeuge stark an. Immer mehr Fahrten werden mit Privatfahrzeugen gemacht, insbesondere mit Motorrädern. So nimmt die traditionelle Art der Mobilität - Gehen, Radfahren - stetig ab. Derzeit werden nur 27 Prozent der Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln durchgeführt und das ist nicht genug.
Der Staub auf den Straßen ist eher ein optisches Problem, schädlich für die Gesundheit sind die Abgase. Denn der Smog besteht aus viel feineren und auch giftigeren Partikeln, wie z.B. Dieselrauch. Der dringt tiefer in die Lunge ein und verursacht Herzprobleme, Krebs und andere Krankheiten.
Das zweite Problem sind bestimmte Branchen wie Ziegelbrennereien, die in der Regel im Winter arbeiten, wenn die Verschmutzung am größten ist. Davon gibt es etwa 100 im Kathmandutal. Und das dritte Problem ist wohl die Verbrennung von Müll und landwirtschaftlichen Rückständen.
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Inwiefern hat die schnelle Urbanisierung Kathmandus Probleme verursacht?
Die erste Autobahn, die Kathmandu mit dem Terai (Tiefebene im Süden Nepals) verband, wurde vor über 60 Jahren gebaut. Waren und Dienstleistungen kamen herein, die Stadt wurde ausgebaut und zog Touristen an, Industriezweige wurden angesiedelt. Die Pläne der Regierung waren auf Kathmandu fokussiert, auf die ganze Industrie, Büros, Krankenhäuser und Schulen. Alles war hier. Menschen, die Arbeit suchten und nach Dienstleistungen suchten, mussten nach Kathmandu kommen.
Und dabei erkannten die Politiker nicht, dass das, was Kathmandu so großartig gemacht hatte, die Art war, wie man früher städtebaulich plante. Systeme, die es seit Jahrtausenden gab, um unsere natürlichen Ressourcen zu verwalten und um unsere Kultur lebendig zu halten - vieles davon wurde zerstört.
Wie sah die Stadt vor dieser Urbanisierung aus?
Die Stadtplaner von damals gehörten wirklich zu den weltweit besten Köpfen. Als man hier im Tal Städte plante, war man sich der Grenzen der natürlichen Ressourcen bewusst. Die Städte wurden als sehr kompakte Siedlungen mit einfachen, energieeffizienten Gebäuden gebaut. Es handelte sich um dicht gedrängte Siedlungen, aber mit sehr großen Freiflächen um die Innenhöfe herum. Die Innenhöfe trugen auch dazu bei, dass die Menschen zusammen kamen. Sie förderten den Fußverkehr und das Radfahren. Und die offenen Flächen um die Siedlungen herum wurden für landwirtschaftliche Zwecke genutzt.
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Die Planer von früher wussten, dass auch Wasser ein begrenztes Gut ist. Also bauten sie Teiche, die das Regenwasser sammelten und Aquädukte für den Transport des Wassers. Das System war aus technischer, ökologischer und sozialer Sicht brillant.
Wir haben viel von diesem traditionellen System der Wasser- und Bodenbewirtschaftung verloren. Wir nehmen zu schnell die moderne westliche Kultur an und überlegen gar nicht, ob das für uns passt. In Hollywoodfilmen sehen wir die Autobahnen von Los Angeles und sagen: "So etwas wollen wie hier in Kathmandu auch." Dabei merken wir nicht, dass Kathmandu und Los Angeles städtebaulich ganz verschieden sind. Aber jetzt greifen Städte wie Los Angeles oder New York wieder auf traditionelle Transportarten wie Radfahren zurück.
Was kann man tun, um den öffentlichen Verkehr umweltfreundlicher zu machen?
In vielen Ländern verwaltet die Regierung die öffentlichen Verkehrsmittel und subventioniert sie. Dadurch sind sie bezahlbar und effizient. Hier aber bleibt der öffentliche Nahverkehr der Privatwirtschaft überlassen, die ihre Busse einsetzt, wo und wie sie will.
Zweitens fördert die Regierung eine Entwicklung, die das Auto ins Zentrum stellt. Ein gutes Beispiel dafür ist die Ringstraße, die gerade gebaut wird. Früher war das eine zweispurige Straße mit Grünstreifen auf beiden Seiten. Jetzt wird sie auf acht Spuren erweitert, ohne Bäume, mit sehr schmalen Gehwegen und sonst nichts. Kein Radweg, keine Busspur. Wir haben versucht, die Regierung davon zu überzeugen, dass man so keine Stadt entwickeln sollte.
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Eine Straße ist ein öffentlicher Raum, durch den man eine Stadt erst richtig erlebt. Man trifft einen Freund auf der Straße, Leute machen dort ihre Geschäfte, Festivals finden hauptsächlich auf der Straße statt. So sollten deshalb Straßen gestaltet werden: für Menschen und das, was sie tun. Wenn man Straßen für Autos entwirft, bleiben die Menschen außen vor.
Dieses Interview wurde aus Gründen der Verständlichkeit bearbeitet und gekürzt.