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Wenn Schlösser reden könnten

Jens Thurau9. Juli 2004

Wenn Berlin mal wieder allzu unfreundlich wird, zieht sich SPD auch mal auf ein ur-preußisches Schloss zurück. Doch welch ein Kontrast zu letztem Jahr…

Dass Symbole und Bilder in der Politik wichtig sind, davon versteht Gerhard Schröder etwas. Im letzten Jahr ging die Regierung erstmals im Schloss Neuhardenberg in Klausur. Das Wetter war Spitze, die Stimmung erstklassig, der Kanzler ließ im Freien tagen. Es gab prächtige Aufnahmen von konzentriert arbeitenden Ministern ohne Jacketts und Ministerinnen in luftigen, optimistischen, fröhlichen Sommerkleidern. Schröder verkündete das Vorziehen der Steuerreform um ein Jahr mit Entlastungen für Millionen von Bürgern. Prächtig die Kulisse damals, prächtig die Aussichten.

Rettung nicht in Sicht

Ein Jahr danach begab sich die Regierung erneut in das klassizistische Palais 60 Kilometer östlich der hektischen, unfreundlichen Hauptstadt. Das Jahr zwischen den Klausuren war weniger schön vor allem für die SPD, es hagelte derbe Wahlniederlagen. Die Mühen der Reformen sind heftig, die Opposition stört, wo sie kann, Rettung ist nicht in Sicht.

Reformen, Störungen, Rettung – das Schloss Neuhardenberg könnte viel zu diesen Themen sagen, wenn Schlösser denn reden könnten. 1759, am Ende des Siebenjährigen Krieges, rettet Rittmeister Joachim Bernhard von Prittwitz Friedrich den Großen aus der Bedrängnis der Schlacht von Kunersdorf – dafür wird er mit dem Herrensitz in Neuhardenberg belohnt, das damals noch Quillitz hieß. Andere Quellen sagen, der Rittmeister habe den König überreden können, aus der aller- ersten Kampflinie zurückzutreten. Letzteres Stichwort hört Gerhard Schröder sicher weniger gern.

Einst belohnte der König für Reformen...

Das Schloss gelangte später wieder in Königsbesitz. 1814 verschenkte König Friedrich Wilhelm III es erneut – an seinen Kanzler Hardenberg, für dessen Reformbemühungen. Es ist nicht überliefert, ob Schröder erwartet, dass der heutige Besitzer, der Sparkassen - und Giro - Verband, diese Tradition fortsetzt.

Und schließlich zur Störung: Nach 1945 stiegen von dem kleinen Flugplatz, der ganz in der Nähe der Schlossanlangen liegt, DDR-Kampfflugzeuge auf – immer dann, wenn im nahen Westteil Berlins symbolisch Bundestagssitzungen abgehalten wurden, um die Verbundenheit der Stadt mit dem Westen zu demonstrieren. Der Flugzeuglärm sollte die Sitzungen stören - was zumeist gelang.

Ob der Kanzler all das gewusst hat, als er den Ort für die Klausur wählte? Wie auch immer: Eines wird es nicht gewesen sein, was Neuhardenberg in die engere Wahl brachte: Die Machtfülle der Orts-SPD. Rund 3000 Einwohner hat Neuhardenberg - und vier von ihnen sind eingetragene Sozialdemokraten.