Wenn von der Leyen flirtet
10. September 2012Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sorgt mit ihrem Angebot für einen parteiübergreifenden Rentenkonsens für erheblichen Unmut bei den Liberalen. FDP-Präsidiumsmitglied und Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel warnte vor einem Bruch der Koalition. "Wechselnde Mehrheiten sind das Ende einer Koalition", sagte er der "Bild"-Zeitung. Von der Leyen bereite sich offenbar auf Höheres in einer großen Koalition vor. "Das kann Bundeskanzlerin Merkel nicht kalt lassen", mahnte der FDP-Politiker.
"In Rentenpolitik breite Mehrheiten schaffen"
FDP-Generalsekretär Patrick Döring warf von der Leyen "taktische Spielchen" vor. In der Koalition gelte jedoch der Grundsatz, sich zunächst untereinander zu einigen und dann erst auf die Oppositionsparteien zuzugehen. Er gehe davon aus, dass Schwarz-Gelb das auch bei der Rente so halten werde.
Regierungssprecher Steffen Seibert beeilte sich dann auch zu versichern, dass zunächst innerhalb der Bundesregierung nach einer Einigung gesucht werden solle. Unionsfraktionschef Volker Kauder plädierte ebenfalls für eine vorrangige Abstimmung mit dem Koalitionspartner. Es sei aber grundsätzlich richtig, "in der Rentenpolitik breite Mehrheiten zu schaffen".
Von der Leyen hatte am Wochenende einen Rentenkonsens mit der SPD angeregt. Zuvor war bekannt geworden, dass die SPD-Spitze im Kampf gegen drohende Altersarmut eine Solidarrente von 850 Euro für Vollzeitbeschäftigte vorschlägt, die 30 Jahre Beiträge gezahlt haben. Von der Leyen wirbt - ungeachtet der reservierten Haltung von Bundeskanzlerin Angela Merkel und vieler anderer Unionspolitiker - seit Wochen für eine Zuschussrente: Nach ihrem Konzept soll es eine Rente von 850 Euro für diejenigen geben, die mindestens 40 Versicherungsjahre und 30 Beitragsjahre vorweisen können.
"Wie Masterplan in große Koalition"
Der Sprecher des Arbeitsministeriums nannte es "hilfreich und auch bemerkenswert, dass das Konzept, das seit dem Wochenende in der größten Oppositionspartei diskutiert wird, auch viele übereinstimmende Vorschläge der Bundessozialministerin aufweist". SPD-Chef Sigmar Gabriel verwies allerdings darauf, dass seine Partei anders als von der Leyen zugleich die Einführung eines Mindestlohns fordere. Auch solle die private Altersvorsorge nicht zur Bedingung für die Solidarrente gemacht werden. Dennoch zeigte sich der SPD-Chef offen für einen parteiübergreifenden Konsens: "Rentenpolitik kann man nicht in Legislaturperioden machen", sagte er nach Beratungen des SPD-Vorstands in Berlin. Er schränkte jedoch ein, dass er mit der derzeitigen Bundesregierung keine Anknüpfungspunkte für eine solche Einigung sehe. Bedingung sei, dass die Regierung ihre Kritik an von der Leyen zurücknehme sowie ihre Positionen nicht nur beim Mindestlohn, sondern auch hinsichtlich der Bekämpfung von Leih- und Zeitarbeit ändere.
Allerdings: Auch die Sozialdemokraten selbst sind beim Thema Rente noch uneins. Die Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA) in der SPD dringt auf Änderungen an den von Gabriel vorgestellten Plänen. "In jetziger Form ist die Vorlage für die AfA nicht zustimmungsfähig, sagte deren Chef Klaus Barthel der "Passauer Neuen Presse". Auch der Berliner SPD-Landeschef Jan Stöß kritisierte das Rentenkonzept: "Bei der Absenkung des Rentenniveaus auf 43 Prozent bis 2030 kann es nicht bleiben. Das ist unsozial und ungerecht."
Die Linke warf der SPD vor, sich mit ihrem Rentenkonzept bei der Union anzubiedern. Die Pläne läsen sich "wie ein Masterplan in die große Koalition", sagte die Parteivorsitzende Katja Kipping. Grünen-Chefin Claudia Roth machte einen parteiübergreifenden Rentenkonsens dagegen von der Einführung eines Mindestlohns abhängig.
sti/SC (afp, dapd, dpa)