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Politik

Internet in Afrikas entlegenen Regionen

Clarissa Herrmann
29. Mai 2019

Amerikanische Tech-Konzerne und China liefern sich derzeit ein Wettrennen beim Ausbau der digitalen Infrastruktur in Afrika. Für den Kontinent ist das Chance und Risiko zugleich.

Symbolbild: Computertechnologie und digitales Afrika
Bild: Getty Images/AFP/Y. Folly

Es dürfte sich inzwischen herumgesprochen haben: Afrikanische Länder sind weltweit Spitze, wenn es um die Nutzung mobiler Dienste wie E-Government oder Mobile Money geht. Dabei könnte die digitale Revolution in Afrika schon viel weiter sein, wäre da nicht der immer noch eklatante Mangel an verlässlicher Infrastruktur auf dem Kontinent. Doch das ändert sich gerade. 

Vor allem die US-amerikanischen Tech-Giganten Facebook, Amazon und Google drängen auf den Markt: Sie investieren in Satelliten, Heliumballons oder Drohnen, mit denen auch die entlegensten Winkel des Kontinents an das Internet angeschlossen werden sollen. Ebenso viel mediale Aufmerksamkeit bekommt auch das chinesische Projekt der "Digitalen Seidenstraße". Dahinter steckt ein Investitionsprogramm zum Ausbau von digitaler Infrastruktur in Entwicklungsländern, mit dem China vor allem Technik des Huawei-Konzerns nach Afrika bringen will.

"Internet-Wüsten" in Teilen Afrikas

Die Vorhaben aus den USA und China fallen derzeit auf fruchtbaren Boden. Denn trotz der digitalen Errungenschaften in Afrika ist der Investitionsbedarf hoch, der Markt noch längst nicht erschlossen. Laut einer aktuellen Studie der Weltbank, die auf einer Reihe von Umfragen aus den vergangenen Jahren basiert, nutzt gerade mal einer von fünf Menschen in Sub-Sahara Afrika das Internet. Der Kontinent liegt damit immer noch weit unter dem globalen Durchschnitt, der derzeit bei knapp über 50 Prozent liegt.

Trotz großer Fortschritte hinken viele afrikanische Länder beim Internetzugang hinterherBild: Getty Images/AFP/S. Heunis

Allerdings: diese Zahlen verschleiern die großen regionalen Unterschiede innerhalb Afrikas. "Manche Länder wie Liberia, Kenia oder die Maghreb-Staaten erreichen 80 Prozent der Menschen. Andere Länder hingegen sind regelrechte Internet-Wüsten", sagt Félix Blanc von der Organisation "Internet sans frontières" ("Internet ohne Grenzen"). Die Zentralafrikanische Republik beispielsweise sei weit entfernt von allen Küsten und habe somit keinen Anschluss an die leistungsstarken Unterseekabel, die den Zugang zu internationalen Knotenpunkten ermöglichen.

Anteil der staatlichen Telekommunikationsunternehmen geht zurück

Die wichtigsten Akteure in der afrikanischen Internet-Infrastruktur sind die klassischen, multinationalen Telekom-Giganten wie MTN mit Sitz in Südafrika, die französische Orange S.A. und Bharti Airtel aus Indien. Staatliche Unternehmen spielen inzwischen nur noch eine untergeordnete Rolle. Waren im Jahr 2000 noch fast die Hälfte aller afrikanischen Service-Provider in staatlicher Hand, sind es aktuell nur noch rund ein Fünftel. Das liege vor allem an den gestiegenen Kosten, sagt Tina Freyburg: "Viele Staaten können sich das alleine nicht leisten und sind deswegen auf die Investitionen von ausländischen Unternehmen angewiesen", erklärt die Politologin. Und dann sei eben interessant: "Wer kommt in den Markt? Wer setzt sich da durch?"

Für die jeweiligen Regierungen ist das ein Dilemma. Denn gerade für autoritäre Regime ist dieKontrolle über die digitale Infrastrukturein zentraler Machtfaktor. Vor allem im Umfeld von Wahlen und Demonstrationen haben afrikanische Regierungen in der Vergangenheit den Zugang zu einzelnen Apps wie Twitter und Facebook erschwert oder das Internet gleich ganz abgeschaltet.

Dieses Machtinstrument wollen sich die Regime nicht nehmen lassen und üben entsprechend Druck auf die Service-Provider aus. Und die sind in der Regel bereit, zu kooperieren. Félix Blanc von "Internet sans frontières" berichtet, dass selbst europäische Firmen wie Orange Zensur akzeptieren würden, um sich neue Märkte zu erschließen. Die wirtschaftlichen Akteure würden dann zu Komplizen, wenn Regierungen drohen, ihnen die Lizenzen zu entziehen.

Mit einer Falcon 9-Rakete brachte SpaceX letzte Woche die ersten 60 Starlink-Satelliten in die UmlaufbahnBild: picture-alliance/AP Photo/J. Raoux

Die ersten 60 Satelliten sind im All

Doch es regt sich Widerstand - und das von überraschender Seite. Denn von Zensur und Shutdowns sind nicht nur die Nutzer betroffen. Auch Anbieter beliebter Internetdienste und Apps wie Facebook, Google und Amazon sind bisher von der bestehenden Infrastruktur abhängig. "Und wenn jetzt, wie zum Beispiel in Uganda geschehen, eine Unternehmen wie MTN bei einem Shutdown mitmacht, dann ist Facebook natürlich abgeschaltet", erklärt Tina Freyburg. Unabhängigkeit von den Telekom-Firmen, und damit auch von der Zensur autoritärer Regime, sei einer der Gründe, weshalb die Tech-Giganten auf den Infrastruktur-Markt streben.

Der Berater und Internetaktivist Steve Song ist überzeugt, dass Afrika dank der Investitionen aus den USA an die Spitze der technologischen Entwicklung katapultiert wird. Er muss es wissen: Seit 2014 verfasst Song jährlich einen Bericht über die aktuelle Lage der Internet-Infrastruktur auf dem Kontinent. Hoffnung bereiten ihm Projekte wie Starlink, das von Elon Musks Raumfahrtunternehmen SpaceX vorangetrieben wird. Mithilfe einer neuen Generation von Satelliten, die den Erdball in einer sehr niedrigen Umlaufbahn umkreisen und von dort Internetzugang bereitstellen, sollen auch entlegene Gebiete versorgt werden können. Die ersten 60 von geplanten 12.000 Satelliten sind am 24. Mai ins All geschossen worden - auf eine Höhe von nur 450 Kilometern.

Ein neues, gerechteres Internet-Modell

Ähnliche Vorhaben verfolgen auch Amazon, Facebook und Google. Doch nicht alle Projekte, die in den letzten Jahren Schlagzeilen machten, haben den gewünschten Erfolg gebracht. So seien etwa Facebook und Google von ihren Investitionen in Internet-Drohnen derzeit wieder abgekommen, berichtet Song. Wie sich das Loon-Projekt, das der Google-Mutterkonzern Alphabet in Partnerschaft mit Telkom Kenya lanciert hat, entwickelt, sei auch noch nicht absehbar. Hier wird mit solarbetriebenen Heliumballons experimentiert. Trotzdem ist sich Song sicher: Wenn nur eines dieser Vorhaben erfolgreich sei, wäre das ein Quantensprung für den Internetzugang in ländlichen Gebieten.

Internetzugang über Heliumballons - in Puerto Rico funktioniert das "Project Loon" bereitsBild: picture-alliance/AP Photo/Project Loon

Doch seien die Investitionen aus dem Silicon Valley in afrikanische Digital-Infrastruktur auch nicht ganz unproblematisch, meint Tina Freytag. Wenn Unternehmen, die ihr eigentliches Geschäft mit Werbung und Inhalten machen, künftig auf ihre eigene Infrastruktur zurückgreifen könnten, führe das zu einer Verschiebung. "Die Architektur vermischt sich. Das kann Konsequenzen haben, deren langfristige Wirkung wir noch nicht unbedingt abschätzen können", so Freytag.

Diese Einschätzung teilt auch Félix Blanc und verweist in diesem Zusammenhang auf das chinesische Engagement auf dem Kontinent: "Diese Fragmentierung und dieser Krieg, der auf globaler Ebene zwischen den beiden Riesen China und den Vereinigten Staaten zu beobachten ist, wird direkte Auswirkungen auf die Afrikaner haben." Dennoch glaubt er, dass der Rückstand Afrikas in punkto Infrastruktur eine große Chance sein kann. Afrika habe nun die einmalige Möglichkeit, ein anderes, ein dezentrales Internetmodell zu entwickeln - eines, das nicht von einigen wenigen Wirtschaftsakteuren monopolisiert sei.

 

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