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Politik

Wer finanziert den Corona-Wiederaufbau?

19. Mai 2020

Die EU-Finanzminister haben den deutsch-französischen Plan für einen Wiederaufbaufonds noch nicht gebilligt. Zu viele Fragen sind offen. Zuschuss oder Kredit? Wer zahlt die Schulden zurück? Bernd Riegert aus Brüssel.

EU-Finanzministertreffen per Videoschalte
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (vorne) wirbt bei EU-Kollegen um Zustimmung (Archiv)Bild: Imago Images/photothek/T. Imo

Der überraschende Vorschlag hat in Brüssel und vielen europäischen Hauptstädten eine lebhafte Diskussion ausgelöst: Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron wollen den Wiederaufbau der Wirtschaft in der EU nach der Corona-Krise mit gemeinsamen Schulden der EU finanzieren und das Geld als Zuschuss an bedürftige Regionen und Sektoren auszahlen. Das hatten sie Montagabend verkündet. Und die sich nun anschließende Debatte sei auch gut so, meinte der EU-Kommissar für Wirtschaft, Valdis Dombrovskis, nach einer Videodiskussion mit den 27 Finanzministern der EU: "Die gemeinsame deutsch-französische Initiative ist ein positives Signal, das uns helfen wird, einen Konsens zu finden."

EU-Kommission will mehr Geld für Wiederaufbau

Kommende Woche will die EU-Kommission ihren Haushaltsentwurf für die nächsten sieben Jahren vorlegen, der dann auch den Wiederaufbaufonds enthalten wird, den Deutschland und Frankreich skizziert haben. Allerdings, so EU-Kommissar Dombrovskis, seien die von Berlin und Paris angedachten 500 Milliarden Euro zu wenig. "Wir wollen eine Billion (1000 Milliarden) vorschlagen", kündigte Dombrovskis an. Diese Summe solle dann sowohl Zuschüsse als auch rückzahlbare Kredite an die Mitgliedsstaaten enthalten, sagte der EU-Kommissar. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Olaf Scholz hatten sich ursprünglich gegen Zuschüsse gewehrt, dann ihren Widerstand aufgegeben und folgen nun früheren französischen Vorschlägen.

EU-Kommissar Valdis Dombrovskis: Guter Ansatz für einen Kompromiss (Archiv)Bild: Reuters/E. Vidal

Zustimmung aus dem Süden, Kritik im Norden

Die nach ersten Schätzungen am meisten von der Corona-Krise gebeutelten Staaten wie Frankreich, Italien und Spanien hatten sich vehement für Zuschüsse ausgesprochen, die durch gemeinsame Anleihen der EU finanziert werden sollten. Das Schlagwort lautet hier Eurobonds oder Coronabonds. Diese Anleihen sollen nun offenbar über den Umweg des gemeinsamen europäischen Haushalts aufgenommen, unter Auflagen verteilt und in den nächsten 20 Jahren auch wieder zurückgezahlt werden.

Genauso vehement lehnen Österreich, die Niederlande, Dänemark und Schweden Zuschüsse aus dem Wiederaufbaufonds an die südlichen Staaten ab. Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz sagte unmittelbar nach Bekanntwerden des deutsch-französischen Vorstoßes: "Unsere Position hat sich nicht geändert."

Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses des Europäischen Parlaments, der belgische Abgeordnete Johan Van Overtveldt, sagte in Brüssel, man müsse die Position dieser "frugalen" (etwa: bescheidenen, sparsamen) vier Staaten sehr ernst nehmen, auch wenn Deutschland seine Position jetzt offenbar geändert habe. "Am Ende muss es einen Kompromiss geben. Lassen sie uns jetzt keine Zeit verlieren", sagte Van Overtveldt in einer Veranstaltung des Europäischen Parlaments.

Viele Schritte bis zum Fonds

Alle 27 Staaten der EU müssen einen Haushalt und auch den Wiederaufbaufonds einstimmig verabschieden. Das Europäische Parlament muss den Haushalt und den Fonds ebenso billigen. Die Abgeordneten hatten in der vergangenen Woche in einer Resolution bereits ein Volumen von 2000 Milliarden (zwei Billionen) Euro für den Aufbau verlangt, also viermal so viel wie Deutschland und Frankreich vorgeschlagen haben.

Die Finanzminister der EU haben den Vorschlag am Dienstag diskutiert. Über das Ergebnis der sicherlich kontroversen Beratungen wollte sich der Vorsitzende der Finanzministerrunde, der kroatische Ratspräsident Zdravko Maric, nicht näher auslassen. "Wir warten jetzt den Haushaltsentwurf der EU-Kommission kommende Woche ab und dann werden wir das öffentlich kommentieren", sagte Maric. Bundesfinanzminister Scholz und der französische Finanzminister Bruno Le Maire warben in der Videokonferenz der EU-Minister für ihren Vorschlag. Le Maire nannte es einen "historischen" Schritt für die EU, falls nun zum ersten Mal in größerem Umfang EU-Aufgaben mit gemeinsamen Schulden finanziert werden sollten.

"Unseriöse Finanzierung"

Die Verträge der EU enthalten eigentlich ein Verschuldungsverbot, dass durch eine filigrane Konstruktion im nächsten EU-Haushalt nun offenbar umgangen werden soll. Die EU-Staaten geben gemeinsame Anleihen nicht direkt, sondern statten die EU-Kommission mit Garantien oder Bürgschaften aus, die diese an den privaten Finanzmärkten nutzen soll, um Kredite aufzunehmen. Diese Kredite sollen dann über 20 Jahre, also weit über die Laufzeit des sieben Jahren währenden Finanzrahmens der EU hinaus, zurückgezahlt werden.

Der finanzpolitische Sprecher der deutschen Christdemokraten im Europäischen Parlament, Markus Ferber, beurteilt diese Konstruktion skeptisch. "Es ist vernünftig, dass der Wiederaufbauplan zielgerichtet und zeitlich befristet ist, die Finanzierung ist aber schlichtweg nicht seriös", sagte Ferber in Brüssel. Wenn die Kredite über einen langen Zeitraum abgestottert werden sollten, müssten die Mitgliedsstaaten klarmachen, dass sie dafür ihre jährlichen Beiträge zum EU-Haushalt ebenfalls erhöhen wollten. "Es muss auch klar sein, dass es sich bei der Aufnahme der neuen Schulden über den EU-Haushalt um eine einmalige Angelegenheit handelt. Der Wiederaufbaufonds darf nicht der Startschuss für einen permanenten schuldenfinanzierten Transfermechanismus werden."

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Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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