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Politik

Wer ist US-Botschafterin Amy Gutmann?

Robert Mudge
3. Juli 2021

Joe Biden schickt Amy Gutmann als Botschafterin nach Berlin. Auf sie wartet viel Arbeit - und die Hoffnung auf einen Wiederaufbau der transatlantischen Beziehungen.

USA Philadelphia | Diplomatie | Amy Gutmann soll neue US-Botschafterin in Berlin werden
Amy Gutmann 2016 mit dem damaligen Vizepräsidenten Joe BidenBild: ZUMA Wire/Imago Images

Sie könnte den frischen Wind mit sich bringen, den die transatlantischen Beziehungen zwischen den USA und Deutschland so dringend benötigen: Inzwischen hat US-Präsident Joe Biden auch offiziell bekanntgegeben, dass Amy Gutmann die nächste US-Botschafterin in Berlin werden soll. Der Senat müsste die Personalie noch bestätigen, bevor die 71-Jährige die erste Frau auf diesem Posten wäre.

Sie steht für einen ganz anderen Stil als der vorherige Botschafter: Der Trump-treue Richard Grenell galt als aggressiv und impulsiv.Im Juni 2020 warf er hin und wechselte als neuer Geheimdienstdirektor nach Washington, seit gut einem Jahr residiert kein US-Botschafter mehr in Berlin. Seitdem leitet die Diplomatin Robin Quinville kommissarisch die Vertretung.

Demokratische Werte

Amy Gutmann hat Zeit ihrer akademischen Karriere versucht, Theorie und politische Praxis miteinander in Einklang zu bringen, um die Werte und Moral einer demokratischen Zivilgesellschaft zu unterstreichen. Dabei wurde sie so einflussreich, dass das Fortune-Magazin Gutmann 2018 auf seine Liste der "World's 50 Greatest Leaders" aufnahm.

Aus Gutmanns Vita lassen sich ihre Ideale und ihr Schwerpunkt herauslesen. Als Politik-Professorin an der Princeton University gründete sie ein auf Moral spezialisiertes Institut, das University Center for Human Values. Unter dem damaligen Präsidenten Barack Obama leitete sie die Kommission zur Erforschung bioethischer Fragestellungen. Seit 2004 leitet Gutmann die University of Pennsylvania. Sie hat viel über den Wert von Bildung und Reflexion für die Demokratie geschrieben, auch über das Für und Wider von Identitätspolitik und die Rolle von Moral in öffentlichen und politischen Angelegenheiten.

Nahbare Universitätspräsidentin: Hier umarmt Gutmann ein Mitglied ihres siegreichen Basketball-Teams (2018)Bild: Chris Szagola/AP Images/picture alliance

Vor diesem Hintergrund passt Bidens Personalentscheidung gut zu seiner Maxime, Demokratien rund um die Welt zu stärken. Auch aus Sicht von Julian Müller-Kaler von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik passt die Wahl ins Bild: "Die Ausrichtung ihrer akademischen Arbeit auf Demokratie zeigt, dass Biden Ernst macht mit seinem Bestreben, Demokratien insbesondere in Europa zu einer antagonistischeren China-Politik zu versammeln", schreibt Müller-Kaler auf DW-Anfrage.

Gutmann pflegt gute Beziehungen mit Biden. 2017 eröffnete sie das Penn-Biden-Zentrum für Diplomatie und globales Engagement in Washington, D.C., das sich mit Diplomatie, Außenpolitik und dem Dialog zur nationalen Sicherheit befasst.

Persönliche Verbindungen nach Deutschland

Ihre diplomatischen und außenpolitischen Fähigkeiten wird sie als Botschafterin erst unter Beweis stellen müssen. Einen biografischen Bezug zu Deutschland bringt sie bereits mit: Ihr Vater Kurt stammt aus einer orthodoxen jüdischen Familie aus Nürnberg. Zur Zeit der Machtübernahme Adolf Hitlers 1933 war er Student. Ein Jahr später floh er mit seiner Familie über Indien nach New York, wo Gutmann zur Welt kam.

2013 sagte sie der Universitätszeitung "The Daily Pennsylvanian", die Erfahrungen ihres Vaters im nationalsozialistischen Deutschland hätten einen "tiefgreifenden Einfluss" auf sie gehabt. "Seine ganze Familie wäre von der Erdoberfläche getilgt worden, wenn er nicht geflohen wäre."

Ein neuer Aufbruch für die transatlantischen Beziehungen?

Seit seinem Amtsantritt im Januar versucht Biden, die transatlantischen Beziehungen zu erneuern und die Schäden, die sie in vier Jahren unter Donald Trump genommen haben, zu reparieren. Die Frage ist, welche Rolle Amy Gutmann dabei spielen kann.

"Gutmann vertritt die Biden-Regierung und steht ihm nahe", sagte Sudha David-Wilp, Vizedirektorin des Berliner Büros des German Marshall Fund, der DW. Aber das Vertrauen wiederherzustellen, werde nicht leicht: "Das Problem liegt in der öffentlichen Meinung der Deutschen und ob sie den USA vertrauen. An diesem Punkt muss die nächste Botschafterin die Ärmel hochkrempeln und den Deutschen zeigen, dass die USA Deutschland als wichtigen Partner betrachten. Manches wird nie wieder wie vorher, aber die transatlantischen Beziehungen sind sowohl für die Stabilität Europas als auch der USA wichtig."

Arbeiten in bester Lage: Die US-Botschaft liegt direkt neben dem Brandenburger TorBild: Imago

Es gebe auch Streitpunkte, die Gutmann frühzeitig ansprechen müsste - allen voran die schon fast fertig gebaute Gas-Pipeline Nord Stream 2, durch die russisches Gas auf direktem Weg nach Deutschland geliefert werden soll. Und auch andere Konfliktthemen warten auf Gutmann: "Zuerst ist da das immer noch nicht ausgeräumte Thema der Zölle zwischen Europa und den USA. Und dann natürlich das China-Thema, das uns alle vereinen kann, aber auch auseinandertreiben", sagte David-Wilp. Gutmann habe zwar wenig diplomatische Erfahrung - David-Wilp spricht ihr jedoch die "intellektuelle Kapazität" zu, eine gute Botschafterin zu sein.

Aus Sicht von Julian Müller-Kaler wird der richtige Umgang mit China als wichtiges Thema der transatlantischen Beziehungen bestehen bleiben. "Trotz der jüngsten Spannungen bevorzugt Berlin weiter einen weniger ideologischen und pragmatischeren Blick auf China, der das Konzept von 'Demokratie gegen Autoritarismus' ablehnt." Auf Gutmann warte eine "Gratwanderung zwischen Beziehungen zu reparieren, bestehende Konflikte anzusprechen und die deutsche Unterstützung für Bidens Politik zu sichern", sagte Müller-Kaler.

Adaptiert aus dem Englischen von David Ehl.