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Wer ist Tim Walz, der "Running Mate" von Kamala Harris?

1. November 2024

Der Wahlausgang ist noch völlig offen - und damit auch, wer der 50. Vizepräsident der USA wird. Tim Walz ist im Sommer als Nachzügler in den Wahlkampf gestartet. Wir stellen den Demokraten vor.

Tim Walz mit aufgerissenen Augen bei einer Rede
Tim Walz, der "Running Mate" der demokratischen Präsidentschaftskandidatin Kamala HarrisBild: CHIP SOMODEVILLA /AFP/Getty Images

Die TV-Debatte zwischen den beiden Vizepräsidentschaftskandidaten Tim Walz und JD Vance dürfte wohl kaum einen größeren Einfluss auf den Ausgang der bevorstehenden Wahlen in den USA haben. Doch es gab kurz vor Ende einen Moment, der im Anschluss vielfach in sozialen Medien geteilt wurde: Walz erklärt darin zunächst, warum der Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 aus seiner Sicht eine Bedrohung der Demokratie darstellte - und fragt seinen republikanischen Kontrahenten Vance dann: "Hat Donald Trump die Wahl 2020 verloren?" Vance versucht das Thema zu wechseln, worauf Walz ihn unterbricht: "Das ist eine Nicht-Antwort, die alles sagt."

In dieser Szene steckt viel von dem, was Walz in diesen Wahlkampf eingebracht hat: seine Grundüberzeugungen - und eine gewisse Hartnäckigkeit, sie zu vertreten. Im Nachhinein räumte Walz ein, dass sein Team ihm bei der Vorbereitung eingebläut hatte, solche Situationen zu vermeiden: "Sie sagten, frage keine direkten Fragen, weil du die Antwort nicht vorhersehen kann. Das kann dich in der Debatte in eine schwierige Position bringen", sagte Walz in einem Podcast. "Natürlich habe ich diesen Ratschlag ignoriert."

"Das ist eine Nicht-Antwort, die alles sagt" - Tim Walz (rechts) bei der TV-Debatte mit JD VanceBild: Matt Rourke/AP/picture alliance

Nachzügler ins Rampenlicht

Ob Walz oder Vance der nächste Vizepräsident wird - und bedeutsamer: ob Kamala Harris oder Donald Trump ins Weiße Haus einzieht - wird mit Spannung erwartet. Walz war von den vieren der letzte, für den sich eine Tür für diesen Wahlkampf öffnete: Eigentlich wollten die Demokraten mit ihren Wahlsiegern von 2020 antreten, also Joe Biden zu einer zweiten Amtszeit als Präsident verhelfen und Harris als Vizepräsidentin. Doch als der Druck auf Biden wegen seines fortgeschrittenen Alters im Sommer zu groß wurde, übergab er an Harris. Die hauchte der demokratischen Kampagne frischen Wind ein - und holte Walz als ihren Vizekandidaten ins Rampenlicht.

Tim Walz und Kamala Harris haben ihren gemeinsamen Wahlkampf später gestartet als das republikanische Duo Trump/VanceBild: Kamil Krzacynski/AFP

Bis dahin war der 60-Jährige nur mäßig bekannt - obwohl Walz von 2007 bis 2019 seinen Wahlbezirk in Minnesota im Washingtoner Repräsentantenhaus vertrat. Und so nutzte Harris die Erklärung, dass Walz ihr Running Mate werden sollte, um ihn der Nation vorzustellen: "Als Gouverneur, Trainer, Lehrer und Veteran hat er viel für Arbeiterfamilien wie die eigene getan. Es ist großartig, Walz im Team zu haben", schrieb sie Anfang August auf X. Später sagte Harris in einem Interview, sie habe sich aufgrund ihres Bauchgefühls für den als bodenständig, geradlinig und nahbar geltenden Walz entschieden.

Als Gouverneur von Trump gelobt

Walz tritt für reproduktive Rechte ein, die in den USA zunehmend zum Kulturkampf-Thema werden. Gegen den Widerstand religiös-konservativer Gruppierungen unterschrieb er 2023 als Gouverneur des Bundesstaats Minnesota ein Landesgesetz, das lokale Einschränkungen für Abtreibungen unmöglich macht. In dem Amt hat Walz auch die klimafreundliche Transformation in Minnesota vorangetrieben: Ein von ihm unterzeichnetes Landesgesetz sieht unter anderem vor, dass spätestens ab 2040 der gesamte Strom aus emissionsfreien Quellen stammen soll.

Nationalgarde im Einsatz: Walz gab als Gouverneur den Marschbefehl, um die zerstörerischen Proteste nach dem gewaltsamen Tod von George Floyd bei einer Polizeikontrolle 2020 einzudämmen. Walz war selbst Nationalgardist, musste jedoch während des Wahlkampfs einräumen, dass er in dieser Zeit niemals "Kriegswaffen" getragen hatte, wie zuvor angegeben.Bild: Kerem Yucel/AFP/Getty Images

Als Gouverneur stand er im Mai 2020 schon einmal kurz im weltweiten Rampenlicht: Er mobilisierte die Nationalgarde, um die gewaltsamen Proteste nach der Tötung des Afroamerikaners George Floyd bei einer Polizeikontrolle einzudämmen. Walz verurteilte damals den "Mangel an Menschlichkeit", der in dem von einer Augenzeugin aufgenommenen Video zu sehen war. Der damalige Präsident Trump lobte Walz als "exzellenten Kerl" und versuchte, sich als Ideengeber für den Einsatz der Nationalgarde zu inszenieren.

Ein bodenständiger Mitt-Westler neben der kalifornischen Juristin

Manchmal ist auch der Heimat-Bundesstaat ein Kriterium für einen geeigneten Running Mate, wenn er dabei helfen soll, Stimmen in einem Swing State zu sichern. Bei Walz war das offensichtlich nicht der Fall: In Minnesota haben die Demokraten die letzten 12 Präsidentschaftswahlen gewonnen, außerdem entsendet der eher spärlich bevölkerte Staat an der Grenze zu Kanada gerade einmal zehn Wahlmänner. Als Landei aus dem Mittleren Westen war der 60-Jährige trotzdem anschlussfähig für Bevölkerungsgruppen, die die kalifornische Topjuristin Harris weniger leicht für sich gewinnen hätte können.

Ein weiterer Pluspunkt für manche Wählergruppen: Harris ist kinderlos, Walz ein Familienmensch. Seit 1994 ist er mit der Lehrerin Gwen Walz verheiratet. Die beiden haben zwei erwachsene Kinder, Hope und Gus. Während des Wahlkampfs sprach Tim Walz offen über die siebenjährige Kinderwunschbehandlung, die Hopes Geburt im Jahr 2001 vorausging.

Familie Walz auf dem Parteitag: Hope, Gus, Tim und Gwen (v.l.n.r.)Bild: Chip Somodevilla/Getty Images

Walz ging nach seinem 17. Geburtstag zur Nationalgarde, wo er 24 Jahre diente. Interessant an seiner nachfolgenden Karriere als Lehrer ist, dass er nicht nur in Nebraska und Minnesota, sondern im Rahmen eines Austauschprogramms auch ein Jahr lang in China unterrichtete. Denn der Umgang mit China dürfte eines der zentralen Themen der US-Politik in den kommenden Jahren werden.

Gelingt es Tim Walz, die Politik der USA zu prägen?

Dass es Walz gelingen kann, in lange bestehenden politischen Auseinandersetzungen einen neuen Ton zu setzen, hat er schon im Wahlkampf bewiesen: Die Demokraten, insbesondere der scheidende Präsident Joe Biden, hatten lange nicht mit ihrer Botschaft verfangen, Donald Trump sei eine Gefahr für die amerikanische Demokratie. Anstatt in diesen alarmierten und mitunter verzweifelten Tonfall einzustimmen, prägte Walz ein neues Wort: Trump und Vance seien "weird" - schräge Gestalten, mit denen man sich nicht unbedingt abgeben will.

Doch das sehen viele Amerikaner offenbar anders, sodass der Ausgang der Wahl am 5. November noch völlig offen ist. "Diese Wahl ist die ultimative Gruppenarbeit", sagte Walz' Ehefrau Gwen im Wahlkampf. "Und wisst ihr was? Es geht ums Bestehen oder Durchfallen."

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