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Politik

Wer kämpft gegen wen im Jemen?

29. August 2019

Die jemenitische Regierung wirft den Vereinigten Arabischen Emiraten vor, die Rebellen aus dem Süden militärisch unterstützt zu haben. Der Krieg könne eine entscheidende Wendung nehmen. Ein Überblick über die Akteure.

Jemen Aden - Anschlag Polizeistation
Bild: Imago Images/Xinhua/M. Abdo

Die jemenitische Regierung wirft den Vereinigten Arabischen Emiraten über Twitter vor, die Miliz des "Südlichen Übergangsrates", die gegen Präsident Mansur Hadi kämpft, mit Luftangriffen auf Aden unterstützt zu haben. Bestätigt sich diese Nachricht, würde dies den praktischen Bruch der von Saudi-Arabien geführten Internationalen Militärkoalition im Jemen bedeuten. Diese führt seit über vier Jahren Krieg gegen die aufständischen Huthis. Wer sind die Akteure in diesem Konflikt?

Die Huthis

Die Huthis stammen aus dem bergigen Grenzgebiet des nördlichen Jemens zu Saudi-Arabien. Ihre Ansprüche leiten die schiitischen Huthis aus dem Umstand ab, dass die Imame während vieler Jahrhunderte das Land regierten. Ihre Herrschaft endete erst im Revolutionsjahr 1962, als der Jemen in zwei Landesteile auseinanderbrach.

Seit der Wiedervereinigung klagen die Huthis über den wachsenden Einfluss sunnitischer Fundamentalisten, von denen sie sich an den Rand gedrängt fühlten. Um ihnen eine eigene Miliz entgegenzusetzen, verbündeten sich die Stämme der Region zur Ansaruallah-Miliz, die "Anhänger Gottes".

Vertraute: Ein Huthi-Führer im Gespräch mit Ayatollah Ali Khamenei, dem politischen und religiösen Oberhaupt des IranBild: twitter/khamenei_ir

Spätestens seit 2004 befindet sich diese Miliz in einem bewaffneten Konflikt mit der jemenitischen Armee. Der damalige Präsident Ali Abdallah Saleh bezeichnete die Huthis als "Terroristen" und bezichtigte sie der Zusammenarbeit mit dem Iran. Seitdem haben die Huthis ihre militärische Kraft enorm ausgebaut - nicht zuletzt dank des Iran, der sie mit Know-how und Waffen inklusive leistungsfähiger Raketen unterstützt. Die richten sie inzwischen zunehmend gegen Saudi-Arabien.

Der Präsident und die internationale Koalition

Abed Rabbo Mansur Hadi ging aus den Präsidentschaftswahlen des Jahres 2012 - wenn auch als einziger Kandidat - als Sieger hervor. Im Jahr 2015 floh er aus der Hauptstadt Sanaa nach Aden, kurz bevor die Huthis den Präsidentenpalast besetzten. Im März des Jahres setzte er sich vor den nun auch nach Aden vorrückenden Huthis nach Saudi-Arabien ab. Einen Tag nach seiner Ankunft startete die saudische Regierung ihre Bombenangriffe auf die Huthis. In Riad sieht man die Huthis vor allem als verlängerten Arm des Iran. Dieser führt mit Saudi-Arabien bereits in Syrien einen Stellvertreterkrieg um Macht und Einfluss in der Region.

Durch den Konflikt im Jemen findet der Krieg nun in unmittelbarer Nachbarschaft Saudi-Arabiens statt. In Reaktion auf diese Bedrohung gründete Saudi-Arabien im Frühjahr 2015 eine internationale Koalition überwiegend arabischer Staaten. Entsandten die Mitgliedstaaten der Koalition zunächst noch selbst Truppen in den Jemen, so entschieden sie sich nach den ersten Todesfällen, dort Söldner kämpfen zu lassen. 

Präsident Abed Rabbo Mansur Hadi bei der ersten Parlamentssitzung im Jemen seit vier Jahren (13. April 2019)Bild: picture-alliance/dpa

Die Koalition führt ihren Kampf vor allem aus der Luft. Nennenswerte Erfolge konnte sie bislang nicht verzeichnen. Aus diesem Grund planen die USA einem Bericht der "Washington Post" von Ende August zufolge direkte Gespräche mit den Huthis. Derweil zeigt die internationale Koalition deutliche Verschleißerscheinungen: Die VAE haben ihre Truppen zum größten Teil aus dem Jemen zurückgezogen.

Der südliche Übergangsrat

Er umfasst die Gouverneure von fünf Süd-Provinzen und zwei Regierungsminister. Hervorgegangen ist er aus der "Südlichen Bewegung" ("Al hirak al-janoubi"), die sich für die Unabhängigkeit des Südens einsetzt - und damit  für einen Status, wie er bis zum Jahr 1990 bestand. Damals war der Jemen geteilt in die sozialistisch ausgerichtete "Demokratische Volksrepublik Süd-Jemen" mit Bindungen zu Moskau und Peking sowie der republikanischen, allerdings über Jahre von einem internen Bürgerkrieg zerrissenen "Jemenitischen Arabischen Republik".

Der südliche Übergangsrat selbst entstand 2017 in Folge von Rivalitäten innerhalb der Reihen von Präsident Mansur Hadi. In den daraufhin ausbrechenden Kämpfen eroberten Milizen des Übergangsrates die Stadt Aden. Seitdem tritt der Übergangsrat für eine Volksabstimmung zur Abspaltung des Südens ein. Damit wurden sie zu einer ernsthaften Herausforderung für Präsident Mansur Hadi, der die Einheit des Landes zu wahren versucht. Inzwischen ist der Präsident politisch so geschwächt, dass er auf Unterstützung durch den Übergangsrat angewiesen ist. 

Selbstbewusst: dem "Südlichen Übergangsrat" verbundene Kämpfer in Aden, August 2019Bild: Getty Images/AFP/N. Hasan

Die Rolle der Stämme

Jemen ist traditionell ein Land der Stämme. Über Jahrhunderte gelang es den Großverbänden, mehr oder minder einvernehmlich miteinander zu leben. Zwar können sich die Stämme noch heute der Loyalität ihrer Mitglieder sicher sein - allerdings längst nicht mehr so sehr wie noch vor einigen Jahrzehnten. Nach Darstellung der Jemen-Expertin Helen Lackner wollte Ali Abdullah Salih, der das Land von 1990 bis 2012 regierte, von dieser traditionellen Ordnung nicht viel wissen. "Stattdessen schuf das Regime ein klientelistisches System, das den Aufstieg von Individuen und Familien durch diesen Nexus ermöglichte, unabhängig von ihrer Position in der vorrevolutionären Sozialstruktur."

Damit habe das frühere soziale Gleichgewicht auch innerhalb der einzelnen Stämme sein wichtigstes Fundament verloren. So hätten die Stämme nicht nur gegenüber der Zentralregierung weniger Gewicht als zuvor, sie hätten auch einen Teil ihrer früheren Berechenbarkeit aufgegeben. Bündnisse folgten keinen grundsätzlichen, sondern kurzfristigen opportunistischen Erwägungen. Dies gelte auch für den derzeitigen Konflikt, der dadurch umso schwieriger zu lösen sei.

Die humanitären Folgen des Krieges

Für die Zivilbevölkerung hat der Krieg verheerende Folgen. Im Frühjahr dieses Jahres veröffentlichten mehreren internationale Hilfsorganisationen einen dramatischen Appell. Der Krieg im Jemen habe die "schlimmste humanitäre Krise unserer Zeit" ausgelöst. Rund 24 Millionen Menschen seien im Jemen auf Hilfe angewiesen, so die Organisationen, etwa 80 Prozent der Bevölkerung. Trotz internationaler Hilfsmaßnahmen weite sich die Lebensmittelknappheit aus. 14 Millionen Menschen hätten keinen Zugang zu medizinischer Grundversorgung, so die Welthungerhilfe.

Im Februar wurden im Rahmen einer UN-Geberkonferenz insgesamt 2,6 Milliarden Dollar an Hilfen für den Jemen versprochen. Von dieser Summe sei weniger als die Hälfte eingegangen. "Wir brauchen das zugesagte Geld dringend. Wenn es nicht kommt, sterben Menschen", sagt Lise Grande, die UN-Hilfskoordinatorin für den Jemen. Wenn die Hilfsprogramme eingestellt werden müssten, wären mindestens 2,5 Millionen unterernährte Kinder davon betroffen.

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika
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