Blockade unlösbar?
2. Oktober 2013 Medien weltweit haben Panik ausgerufen: Zum ersten Mal seit 17 Jahren konnte sich der zerstrittene US-Kongress trotz zäher Verhandlungen nicht auf einen Haushalt einigen - mit der Folge, dass die gesamte Verwaltung nun vorläufig zum Stillstand kommt ("government shutdown"). Der "Spiegel" schreibt, die US Regierung habe sich "lahmgelegt," während der britische "Guardian" die letzten Stunden des gescheiterten Verhandlungsmarathons als "bizarr und unvorhersehbar" beschrieb.
Offensichtlich davon überzeugt, dass die Republikaner nur bluffen, hatte die Regierung in Washington es bis 48 Stunden vor der Deadline versäumt, Vorbereitungen für eben jenen Shutdown zu treffen. Doch es mag auf beiden Seiten auch ein Maß an Gleichgültigkeit gegeben haben, das die die Situation noch weiter verschärft hat - immerhin waren die Streitigkeiten über den Haushalt im Laufe der letzten Jahre ja fast zu einer Art Herbstritual im Kongress geworden.
Unausweichliche Blockade
Während das Weiße Haus noch bis zum Schluss an einen Last-Minute Deal geglaubt haben mag, haben viele Beobachter das Ende so erwartet, wie es schließlich auch gekommen ist. "Es war in gewisser Weise unausweichlich, dass es dazu kommen würde. Keine der beiden Parteien hat ein Interesse daran, eine Lösung zu finden," erklärt Vincent Michelot, Politikprofesssor an der Universität in Lyon. "Die Republikaner mussten deutlich machen, dass sie ihren Prinzipien treu bleiben. Sie wollten wirklich klarmachen, dass die Verwaltung Verschwendung ist und dass ein Shutdown gar nicht unbedingt so schlimm ist."
Die Demokraten ihrerseits hatten jedoch auch keinen Grund nachzugeben. "Auf der anderen Seite war es die Strategie von Präsident Obama, die Republikaner dafür verantwortlich zu machen, dass es der Wirtschaft schlechter geht und dass die Verwaltung von einer relativ kleinen Gruppe einfach als Geisel genommen werden kann," so Michelot. In diesem Sinne war der Shutdown ein notwendiger Prolog zu den echten Verhandlungen. "Die beiden Parteien sind sehr sehr weit voneinander entfernt und keiner weiß, was sie jetzt auf einmal zusammenbringen könnten," befürchtet Michelot.
Neue Verhandlungen
Ein Kompromiss erscheint in den Augen Michelots schwierig - eine Möglichkeit jedoch wäre eine Initiative eines hohen prominenten Politikers. Dies könnte beispielsweise mit einer Person wie Mitt Romney jemand sein, der selbst keine allzu großen politischen Ambitionen mehr hat. Andererseits könnte der Kompromiss auch von einem Politiker erarbeitet werden, der für die Zukunft vielleicht das Präsidentenamt im Auge hat und hier eine Gelegenheit hätte, sich als Brückenbauer in Szene zu setzen.
"Es birgt ein Risiko, aber möglicherweise lohnt es sich auch," erklärt Michelot. "Das Risiko ist, dass man als jemand erscheint, der einen Kompromiss mit dem politischen Gegner eingeht. Der Lohn wäre, dass man zeigt, dass man beide Parteien zusammenbringen kann. Im Moment haben 90 Prozent der Amerikaner ein schlechtes Bild vom Kongress. Jeder, der den Kongress zumindest ein bisschen wieder funktionstüchtig machen kann, wird in den Augen seiner Partei und auch der meisten Amerikaner geradezu als Held erscheinen." Mit anderen Worten wäre dies ein idealer Moment für einen zukünftigen Präsidentschaftskandidaten, in der politischen Debatte einen Paradigmenwechsel einzuläuten. "Es ist eine Situation, die so komplex ist, dass sie nur durch persönlichen Einsatz eines Einzelnen oder einer Gruppe gelöst werden kann."
Weltweite Folgen?
Je länger der Shutdown andauert, umso mehr wird er der Wirtschaft zur Last werden. Vorhersagen der Beratungsfirma "IHS Global Insight" schätzen, dass der gegenwärtige Stillstand die US-Wirtschaft jeden Tag bis zu 300 Millionen Dollar (rund 220 Millionen Euro) kosten könnte. Dies, so befürchten viele Medien in Europa, könnte Folgen für den Rest der Weltwirtschaft haben.
Nils Jannsen, Fachmann am Institut für Weltwirtschaft in Kiel, glaubt jedoch nicht, dass die Dinge derart drastisch werden. "Es ist ein bisschen übertrieben zu sagen, dass es die gesamte Weltwirtschaft beeinflussen würde, aber es hängt davon ab, wie lange diese Situation nun andauert," so Jannsen im Gespräch mit DW. "Wenn es Wochen dauert, dann könnten die Folgen natürlich schon bedrohlicher werden." Jannsen glaubt, dass mit jedem Tag ohne Lösung der Druck auf beide Parteien zunehmen wird und dass alleine schon deshalb der Shutdown nicht allzu lange andauern wird.
USA vor Zahlungsunfähigkeit
Doch es gibt noch eine weitaus bedrohlichere Frist: Am 17. Oktober werden die USA ihre Schuldengrenze erreichen. Wenn bis dahin nicht ein provisorisches Gesetz zustande kommt, kann die US-Regierung kein Geld mehr leihen. Dies bedeutet, dass das Finanzministerium keine neuen Schulden aufnehmen kann, um die Lücke zwischen Steuereinnahmen und Ausgaben schließen zu können.
Anders als mit dem Shutdown wäre eine derartige Situation ein tatsächliches Novum und die Konsequenzen nicht vorhersehbar. "Die Nervosität der Finanzmärkte wird wohl zunehmen, je näher diese Deadline rückt", so Jannsen. "Und das Vertrauen von Investoren in US-Unternehmen wird entsprechend abnehmen. Dies könnte sich sicherlich auf die Weltwirtschaft auswirken."