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Politik

Wer klärt den Mord an Marinowa auf?

Boris Mitov Sofia
9. Oktober 2018

Drei Tage nach der Ermordung der bulgarischen Journalistin Viktoria Marinowa sind noch viele Fragen offen. Wurde sie Opfer des organisierten Verbrechens? Dem Staat jedenfalls trauen viele Bürger die Aufklärung nicht zu.

Sofia, Bulgarien, Mahnwachen nach dem Mord an der 30-jährigen Journalistin aus Russe Viktoria Marinova
Mahnwache in Sofia nach dem Mord an der 30-jährigen JournalistinBild: BGNES

"Ich bin hier, um meine Empörung mit all diesen Menschen zu teilen," sagt Kaloyan Donski. "Empörung darüber, was sich in Bulgarien abspielt!" Donski ist einer der Teilnehmer an der Mahnwache für die ermordete Journalistin Viktoria Marinowa in Sofia. Er könne nicht einschätzen, ob ihre Ermordung im Zusammenhang mit ihrer journalistischen Arbeit stehe oder nicht, sagt Donski. Eines aber sei für ihn sicher: "Was Medienfreiheit und Rechtsstaatlichkeit anbetrifft, sind wir auf einem Niveau mit Russland."

Tausende sind in der Hauptstadt Sofia auf die Straße gegangen, um der ermordeten Journalistin zu gedenken. Mahnwachen gab es auch in mehreren anderen bulgarischen Städten. Die Menschen, die Kerzen anzünden und Blumen neben den Porträts von Marinowa niederlegen, sind ratlos und wütend auf ihre Regierung zugleich.

In Sofia entwickelte sich die Mahnwache für Marinowa zu einem Protest gegen die RegierungBild: BGNES

"Ich beschuldige die Behörden, weil sie verantwortungslos handeln und nichts gegen die ausufernde Gewalt unternehmen", sagt Iwan Petkow, ein anderer Teilnehmer der Mahnwache. Das größte Problem sei die weit verbreitete Gewalt gegen Frauen, meint Petkow und erinnert daran, dass sich die Regierung aus der Istanbul-Konvention gegen die häusliche Gewalt zurückgezogen habe, um die Nationalisten in Bulgarien zu beruhigen.

Proteste gegen die Regierung

Während in Marinowas Heimatstadt Russe die Mahnwache vor allem von Trauer um Viktorija und von der Hoffnung auf schnelle Aufklärung gekennzeichnet war, entwickelte sich die Veranstaltung vor dem Justizpalast in Sofia zu einem regelrechten Protest gegen die Regierung.

"Viktorija wurde von System ermordet!", heißt es in einem Appell des Bürgervereins "Bulgarien vereint mit einem Ziel" (BOEZ), der zu dem Protest aufgerufen hat. Die Aktivisten beschuldigen die Regierung der fortwährenden Untätigkeit - egal, ob bei Verkehrsunfällen, Naturkatastrophen oder bei Anschlägen gegen Journalisten. Es sei eben das korrupte System in Bulgarien, das für so viele Menschenleben verantwortlich sei, so die Mitglieder von BOEZ während des Protests in Sofia. Das Vertrauen in die bulgarischen Behörden sei komplett zerstört.

Daher verlangen die Demonstranten auf der Kundgebung vor dem Justizpalast eine unabhängige internationale Ermittlung zum Mord an Viktoria Marinowa. Gleichzeitig fordern sie unter großem Applaus den Rücktritt sowohl des Ministerpräsidenten Bojko Borisow als auch des Generalstaatsanwalts Sotir Zazarow. 

Veruntreute EU-Gelder

Zazarow und Innenminister Mladen Marinow versuchten am Montag, die Bürger davon zu überzeugen, dass man um schnelle und lückenlose Aufklärung bemüht sei. Im Rahmen einer Pressekonferenz sagte der Staatsanwalt, dass der Bezug zur journalistischen Arbeit von Frau Marinowa "nicht die Hauptspur in der Ermittlung ist". Innenminister Marinow fügte hinzu, der Täter sei "wahrscheinlich eine Person mit psychischen Störungen", ohne für diese Behauptung irgendwelche Beweise zu liefern. Außerdem bestätigte er, dass am Tatort jede Menge DNA-Spuren gefunden worden seien. Bislang aber habe man keine Übereinstimmung mit den Daten in der polizeilichen Datenbank feststellen können.

Trauer und Ratlosigkeit herrschten auch in Marinowas Heimatstadt RusseBild: Reuters/S. Nenov

Auch wenn vieles noch nicht bekannt ist, sind viele der Demonstranten in Bulgarien davon überzeugt, dass der brutale und grausame Mord in Zusammenhang mit einer Recherche der Investigativjournalistin in Sofia steht. Bei dieser Recherche ging es um mögliche Korruption und Veruntreuung von EU-Geldern. Nun bestätigte der Generalstaatsanwalt, dass mittlerweile Ermittlungen wegen Geldwäsche aufgenommen worden seien, und dass die Behörden insgesamt Konten mit Geldern in Höhe von 14 Millionen Euro eingefroren hätten. Konkrete Namen nannte er dabei jedoch nicht.

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