Ab April wird eine rund 4000 Jahre alte Siedlung ausgegraben, die Einblicke in das frühbronzezeitliche Leben am deutschen Stonehenge geben soll. Mehr zu den Ausgrabungen erklärt Archäologin Franziska Knoll.
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Endlich können die Ausgrabungen beginnen: In unmittelbarer Nähe zum Ringheiligtum Pömmelte, südlich von Magdeburg, hatten Archäologen des Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie gemeinsam mit der Uni Halle bereits bei den letzten beiden Grabungskampagnen zahlreiche Überreste einer Jahrtausende alten Siedlung gefunden.
Ab April soll diese Siedlung möglichst komplett freigelegt werden. Auf rund 29.000 Quadratmetern werde gegraben, erläutert Franziska Knoll, Archäologin am Institut für Kunstgeschichte und Archäologien Europas der Universität Halle, gegenüber der Deutschen Welle. Auf dem Gebiet wurden bereits 37 Langhäuser gefunden und anhand der Grabungen "werden wir im Pfosten-Wirrwarr wahrscheinlich noch weitere Langhäuser identifizieren können", ist sich Franziska Knoll sicher.
Von den Grabungen erhoffen sich die Forscher detaillierte Einblicke in das soziale und religiöse Umfeld der frühbronzezeitlichen Aunjetitzer-Kultur (ca. 2300 - 1600 v.Chr.). Auch die weltberühmte Himmelsscheibe von Nebra rechnen Archäologen der Aunjetitzer-Kultur zu. Insgesamt ist dies eines der größten Siedlungsareale aus dieser Epoche in ganz Mitteleuropa.
Außerdem sollen weitere Gebäudegrundrisse an der knapp einen Kilometer vom Ringheiligtum entfernten Kreisgrabenanlage bei Schönebeck untersucht werden. Luftbildaufnahmen zeigten zudem eine 6000 Jahre alte Grabanlage aus der sogenannten Baalberger-Kultur südlich des Ringheiligtums.
Wer lebte in der Siedlung am Ringheiligtum?
Zahlreiche Funde belegen, dass die Anlage bei Pömmelte über 300 Jahre lang von verschiedenen Kulturen genutzt wurde. Errichtet wurde sie am Ende der Jungsteinzeit und bis in die Frühbronzezeit. Mit Sicherheit gab es mehrere Siedlungsphasen, denn die ältesten Hausgrundrisse sind der Glockenbecher-Kultur (ca. 2500-2050 v.Chr.) am Ende der Jungsteinzeit zuzuschreiben. "Wir haben tatsächlich Siedlungsnachweise von beiden Kulturen", so Knoll. Die Langhäuser und keramischen Funde zeigen sehr gut, wie sich die Aunjetitzer Kultur aus der Glockenbecher Kultur entwickelt hat.
Wie viele Menschen aber einst in der Siedlung lebten und was die Bewohner dort tatsächlich machten, ist noch nicht geklärt. Möglicherweise kümmerten sie sich um das Heiligtum oder versorgten Besucher des Ringheiligtums bei Ritualen. Archäologische Funde aus dem englischen Durrington Walls im Stonehenge-Areal sprächen dafür, dass sich an solchen Anlagen kurzfristig Menschen aus einem überregionalen Einzugsgebiet trafen, so die Archäologin Franziska Knoll.
Naheliegender Vergleich mit Stonehenge
Der Blick zum weltberühmten Monument in Südengland ist durchaus nachvollziehbar, denn beide Ringheiligtümer - Stonehenge wie Pömmelte - wurden von Vertretern der Glockenbecher-Kultur vor über 4300 Jahren erbaut, also am Ende der Jungsteinzeit.
Beide Anlagen haben einen sehr ähnlichen Grundriss, in beiden wurden astronomische Bezüge entdeckt, in Stonehenge zur Winter- und Sommersonnenwende, in Pömmelte zu den Mittviertelfesten Mitte Februar und Ende Oktober/Anfang November, wenn die Sonne in den zentralen Einlässen auf- bzw. unterging. Zwar fehlen in Pömmelte die tonnenschweren Steine, aber kulturhistorisch ist das Ringheiligtum Pömmelte südlich von Magdeburg durchaus mit Stonehenge vergleichbar.
Erst 2005/2006 war die ringförmige Anlage Pömmelte bei Luftaufnahmen entdeckt worden. Die komplexe Anlage besteht aus sieben Ringen aus Palisaden, Gräben und Wällen und hat einen äußeren Durchmesser von 115 Metern.
Eindrucksvolles Heiligtum
Um die Anlage erlebbar zu machen, wurde der ursprüngliche hölzerne Aufbau 2016 rekonstruiert. So lässt sich zumindest erahnen, welche imposante Wirkung dieses zentrale Heiligtum einst auf die Menschen gehabt haben mag.
"Das Heiligtum ist im Inneren nicht bebaut, da ist sehr viel Platz. Der eignet sich vorzüglich, um größere Menschenmengen zu versammeln. Auch die Akustik ist dort hervorragend, das macht natürlich auch was her", sagt Knoll.
Die dort im Boden hervorragend erhaltenen Funde geben ungewöhnlich detaillierte Einblicke in die komplexen Rituale und Opferhandlungen der Jungsteinzeit und der frühen Bronzezeit. Im Kreisgraben wurden Opfergruben gefunden, in denen ebenfalls in drei zeitlich unterschiedlichen Phasen Scherben von Keramikgefäßen, Tierknochen, Steinbeile und Mahlsteine, aber auch menschliche Skelette deponiert wurden.
Vergleichbare Anlagen?
Beide Anlagen - Stonehenge wie Pömmelte - wurden in der Nähe von Flüssen errichtet, auch wenn der exakte Verlauf der alten Elbe vor 4000 Jahren erst noch archäologisch und hydrogeologisch ermittelt werden muss. "Die Bedeutung von Wasserwegen darf man verkehrsgeographisch auch für die prähistorischen Zeiten niemals unterschätzen", sagt Knoll.
Nach dem Fund der Kreisgrabenanlage Pömmelte, der Siedlung und eines großen Gräberfeldes mit Bestattungen aus beiden Kulturen wird der nächste Schritt sein, nach möglichen Wegen oder weiterer Infrastruktur zu suchen. Laut Knoll sei es durchaus denkbar, dass es "hier irgendwo im heutigen Nirgendwo einst eine mit dem Umfeld von Stonehenge vergleichbare sakrale Landschaft gab."
Enge Zusammenarbeit mit britischen Archäologen
Entsprechend arbeitet die Uni Halle eng mit Kollegen der Universität Southampton zusammen, die sich intensiv mit den Ausgrabungen rund um Stonehenge befassen. Beide Seiten profitierten sehr von dieser Zusammenarbeit, berichtet Knoll. Schließlich fielen die Henge-Anlagen ja alle mehr oder weniger in die gleiche Epoche.
Während die britischen Forscher ihre langjährige Expertise vor allem bei der interdisziplinären Landschaftsarchäologie einbrächten, sei es für die britischen Archäologen sehr interessant, dass in Deutschland - im Gegensatz zu Großbritannien - große Flächen freigelegt werden, die ganz andere archäologische Einblicke zuließen, sagt Knoll. Außerdem gebe es rund um Stonehenge zwar sehr viele Gräber, nicht aber vergleichbare Siedlungen, wie sie jetzt in Pömmelte freigelegt werden.
Angesichts der Corona-Pandemie lässt sich derzeit allerdings noch nicht sagen, ob Studenten der Universität Southampton wie geplant ab Juli in Pömmelte mitgraben können.
Jeder Fund der Ausstellung "Bewegte Zeiten" erzählt eine eigene Geschichte. Sie alle zeigen zugleich eindrucksvoll, dass das Gebiet Deutschlands mitten drin war in den großen Bewegungen auf dem europäischen Kontinent.
Bild: Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt/J. Lipták
Der "geschmiedete" Himmel
Die Himmelsscheibe von Nebra ist ein Sensationsfund. Bis 2020 galt sie als die älteste konkrete Himmelsdarstellung überhaupt. 1999 wurde sie von sogenannten Raubgräbern in Sachsen-Anhalt gefunden. Die kreisförmige Bronzeplatte mit Applikationen aus Gold zeigt vermutlich Sterne, Sichel- und Vollmond. Ihr Alter wurde auf 3600 Jahre geschätzt. Nun glauben Forscher, dass sie jünger sein könnte.
Bild: Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt/J. Lipták
Ältestes bekanntes Kunstwerk der Menschheit
Die Venus vom Hohlefels wurde 2008 bei Ausgrabungen am Südfuß der Schwäbischen Alb gefunden. Die knapp sechs Zentimeter hohe, aus Elfenbein geschnitzte Figur wurde als Anhänger getragen und ist 35.000 bis 40.000 Jahre alt. Damit ist sie vermutlich die weltweit älteste Darstellung des menschlichen Körpers und das älteste bekannte figürliche Kunstwerk der Menschheit.
Bild: Urgeschichtliches Museum Blaubeuren/J. Wiedmann
Wer den Hut auf hat,...
...hat das Sagen. Solche Goldhüte waren vermutlich religiöse Insignien von Göttern oder Priestern eines Sonnenkultes. Diese Artefakte aus der späten Bronzezeit (1000 v. Chr.) bestehen aus dünnem Goldblech voller Symbolik. Unter der hauchdünnen Schmuckverkleidung befand sich wohl die eigentliche Kopfbedeckung aus organischem Material.
Bild: Museum für Vor- und Frühgeschichte Berlin/C. Plamp
Schatztruhe Kölner Rheinhafen
Tausende Funde - auch diese Öllampen aus dem 1. Jahrhundert - bargen Archäologen im Schlamm des römischen Kölner Hafens. Das frisch gegründete Köln war schon eingebunden in das exzellent funktionierende Netzwerk der Römer. Güter aus Nordafrika, Fischsoße aus Pompeji oder Wein aus Aquitanien - kein Problem. Die Römer verbanden die Welt mit Schiffen. Amphoren waren die Transportbehälter jener Zeit.
Bild: Römisch-Germanisches Museum der Stadt Köln; Foto: Axel Thünker, DGPh
(Fund)Grube der Keltenfürstin
Ende 2010 wurde in der Donauebene bei Herbertingen das komplette frühkeltische Kammergrab einer Fürstin geborgen, samt Erdreich 80 Tonnen schwer. Armreife aus Holz, Bleche aus Bronze oder Ringe aus Gold, die bei der Toten gefunden wurden, kommen zum Teil von weit her. Weitere Indizien dafür, dass im 6. Jahrhundert v. Chr. reger Handel und Kontakt mit anderen Regionen Europas bestand.
Bild: Landesamt für Denkmalpflege Stuttgart/Y. Mühleis
Römischer Luxus bis in den Tod
In Haltern wurde ein besonderes römisches Grab entdeckt. Es enthielt neben dem Leichenbrand eines Mannes hochwertige Knochenschnitzereien. Es handelte sich um Teile einer Kline, eines Schlafmöbels, auf dem man auch Tote zum Verbrennen aufbahrte. Die Kline stammt aus Italien und garantierte römischen Luxus in der Fremde. Das 1900 Jahre alte Totenbett wurde aus tausenden Bruchstücken rekonstruiert.
Bild: LWL-Archäologie für Westfalen/S. Brentführer
"Schweizer Taschenmesser" der Steinzeit
Den Faustkeil, das älteste bekannte Werkzeug der Gattung Homo, gab es bereits vor rund zwei Millionen Jahren in Afrika. In Eurasien sind Faustkeile erst deutlich später, vor etwa 600.000 Jahren nachgewiesen. Das Allround-Werkzeug erfüllte wahrscheinlich zahlreiche Funktionen wie Hacken, Schneiden, Schaben, Schlagen und sogar Werfen. Dieses Exemplar aus Flintstein ist höchstens 35.000 Jahre alt.
Bild: Archäologisches Museum Hamburg
Ritt durch den Feuersturm
Dieser Reiter aus Bronze gehört zum Berliner Skulpturen-Fund und galt als zerstört. 1941 gelangte er in den Depotstandort der Partei-Propagandastelle der NSDAP. Im Spätsommer 2010 wurde er aus dem zerstörten Keller des Hauses geborgen. Der Reiter (1933/34) des Bildhauers Fritz Wrampe - für die Nazis "entartete Kunst" - ist durch die Hitzeentwicklung während der Berliner Bombennächte verformt.
Bild: Museum für Vor- und Frühgeschichte Berlin/A. Kleuker
Ältestes Schlachtfeld Europas
Mitte der 1990er Jahre wurde das bisher älteste bekannte Schlachtfeld in Europa entdeckt. Die Kämpfer gehörten vermutlich zwei unterschiedlichen Gruppen an. Am Fluss Tollense in Mecklenburg-Vorpommern fand man mehr als 10.000 Menschenknochen, Pfeil- und Lanzenspitzen, Speerspitzen und Messer. Die auf dem Bild gezeigten Exponate sind rund 3300 Jahre alt.
Bild: Landesamt für Kultur und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern
Weltsensation aus Wittenberg
Ende 2012 wurde am Wittenberger Schaffensort des Dr. Faustus eine ganze Laborausstattung gefunden: Tiegel, Becher, Retorten, Destillierkolben. Allerdings zerbrochen in 10.000 Scherben. Zusammengesetzt ergaben sie ein Alchemistenlabor aus der Zeit von 1520 bis 1540, das bisher älteste bekannte Europas. Jemand hat dort wohl die Formel zur Goldherstellung gesucht oder gar die Weltformel.
Bild: Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt/J. Lipták
Ahnen auf Putz
Ein unglaublicher Fund kam in der Nähe des Bodensees bei Bad Schussenried ans Licht. Ein neolithischer bemalter Lehmputz. Er beweist, dass die Menschen bereits 4000 Jahre v. Chr. ihre Häuser stark dekorierten. Der in Berlin ausgestellte, bemalte Wandverputz, bildet eine Ahnenreihe ab, möglicherweise auch himmlische Gestalten, die über dieses Haus wachen sollten. Eine komplexe, frühe Bildidee.
Bild: Landesamt für Denkmalpflege Hemmenhofen/M. Erne
Christus im Grab
Pilgerreisen sind zentrale Ereignisse im Leben von Menschen und Pilgerzeichen der sichtbare Beweis dafür. Manche ließen sich die Zeichen ihrer Pilgerschaft ins Grab legen. Dieses Bremer Pilgerzeichen (13./14. Jh.) wurde in Harburg (heute Stadtteil von Hamburg) gefunden. Es zeigt Christus, auf einem Esel reitend. Pilgerzeichen waren überwiegend Gitter- oder Flachgüsse aus einer Zinn-Blei-Legierung.
Bild: Archäologisches Museum
Hamburg
900 Gramm Gehacktes
Ein Spaziergänger fand 2005 in der Oberlausitz den bedeutenden Silberschatz von Cortnitz. Die meisten der gefundenen Münzen, Schmuckstücke und Silberbarren wurden um 1150 vom Besitzer zerhackt. Die einzelnen Fragmente stammen aus Böhmen und Mähren, aber auch aus Bulgarien, Skandinavien und sogar Bagdad. Brauchte man Kleingeld, so wurden passende Stücke von einem größeren Batzen abgetrennt.
Bild: Landesamt für Archäologie Sachsen/U. Wohmann
Der Mann unter der Kirche
1955 wurde in dem kleinen Dorf Morken, etwa 45 km westlich von Köln, unter der ehemaligen Pfarrkirche die unberaubte Grabkammer des Herrn von Morken gefunden. Der war im späten 6. Jahrhundert n. Chr. dort bestattet worden. In der Kammer lagen Beigaben von höchster handwerklicher Qualität: Speise- und Trankbeigaben, Waffen und auch dieser Helm aus Eisen und Gold mit Kupferlegierung.