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Politik

Wer tritt für Frankreichs Konservative an?

Elizabeth Bryant
27. November 2016

Multikulti oder traditionell? Bei den Vorwahlen der Konservativen in Frankreich droht Alain Juppé, Bürgermeister von Bordeaux, von Konkurrent François Fillon rechts überholt zu werden. Aus Bordeaux Elizabeth Bryant.

Frankreich Kombobild von Alain Juppe und Francois Fillon
Die konservativen Kandidaten Alain Juppé (l) und François Fillon (r) Bild: REUTERS/V. Kessler/E. Gaillard

Einst war das Ufer der Garonne ein schmuddeliger Ort. Nun wimmelt es dort schon am frühen Morgen von Joggern und Fahrradfahrern. Der Mann, der diese städtische Verjüngungskur in Bordeaux vollbracht hat, zu der auch die Einweihung einer Straßenbahnlinie zwischen dem eleganten Stadtzentrum und einem armen Einwanderer-Viertel gehört, will nun ganz Frankreich verändern.

Doch die Vorwahlen der Konservativen an diesem Sonntag könnten die Pläne von Bordeaux' Bürgermeister Alain Juppé durchkreuzen. Denn Juppé liegt relativ abgeschlagen auf dem zweiten Platz. Der Mann, der ihn rechts überholen will, ist François Fillon. Er verfügt über einen Vorsprung von 16 Punkten. Noch seien viele in der Partei unentschieden, aber eine spektakuläre Aufholjagd Juppés sei eher unwahrscheinlich.

In einem der Skandale überdrüssigen Land sprechen Fillons saubere Vergangenheit, seine marktwirtschaftliche Ausrichtung und seine traditionellen Ansichten viele Menschen an. Juppé hingegen steht aufgrund seiner Verwicklung in eine Korruptionsaffäre vor zehn Jahren in einem schlechten Licht.

Wer kandidiert gegen Marine Le Pen?

"Zu alt, zu viele Probleme, zu große Nähe zu Muslimen", fasst ein Taxifahrer seine Kritik an dem 71-jährigen Juppé zusammen. Die Wahl am Sonntag wird aufmerksam verfolgt. Denn viele Beobachter gehen davon aus, dass der Sieger der nächste Präsident Frankreichs wird.

Angesichts der geschwächten Sozialisten an der Regierung mit Frankreichs unbeliebtem Präsidenten François Hollande und der Stärke des rechtspopulistischen "Front National" richtet sich die Aufmerksamkeit auf den Kandidaten der Konservativen.

Beliebt in Bordeaux, aber nicht im ganzen Land: der 71-jährige konservative Kandidat Alain JuppéBild: Imago/T. Breton

Beim TV-Duell der konservativen Kandidaten am vergangenen Donnerstag ging François Fillon als Sieger hervor. Einer Umfrage des französischen Fernsehsenders BFMTV nach der Sendung zufolge fanden sechs von zehn Zuschauern Fillon überzeugender. Vor allem bei der Vorstellung seines Wirtschaftsprogramms, seiner Haltung gegenüber Russland sowie beim Umgang mit Multikulturalismus habe er gepunktet. Doch so klar sind die Unterschiede zwischen beiden Kandidaten nicht. "Sie sind bröckelig wie Mörtel", meint Jean Petaux, Politikwissenschaftler an der Universität Bordeaux.

Konservative Politikveteranen

Beide Männer haben bereits Erfahrungen als Premierminister vorzuweisen und sind seit Langem in der französischen Politik präsent. Alain Juppé, einst Frankreichs unbeliebtester Premierminister (1995 - 1997) gelang 2006 nach seiner Wahl zum Bürgermeister von Bordeaux ein spektakuläres Comeback. Unter Ex-Präsident Nicolas Sarkozy diente er zudem als Verteidigungs- und Außenminister.

Auch Fillon löste sich aus dem Schatten Sarkozys. Von 2007 bis 2012 war er Premierminister, später verlor er das Rennen um den Vorsitz seiner konservativen Partei. Bis vor einigen Wochen hätte niemand in Frankreich damit gerechnet, dass er aus der ersten Runde der Vorwahlen als Sieger mit 44 Prozent der Stimmen hervorgehen würde.

Beide Kandidaten plädieren für das Ende der 35-Stunden-Woche, für eine Verschlankung des öffentlichen Sektors, für Steuersenkungen und die Erhöhung des Rentenalters. Aber Fillons Kürzungsvorschläge gehen weiter als die von Juppé, seine wirtschaftsfreundliche Haltung ist ausgeprägter.

Verhandeln mit Russland und Syrien

Außenpolitisch hat sich Fillon gegen den harten Kurs gegenüber Russland positioniert. Außerdem will er mit Syriens Machthaber Bashar al-Assad über den Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat verhandeln, beides Positionen, die sein Konkurrent Juppé ausdrücklich ablehnt.

Mit ihr wird es der Kandidat der Republikaner wohl aufnehmen müssen: die Chefin des "Front Nacional" Marine Le PenBild: Picture-Alliance/AP Photo/C. Paris

Am meisten aber unterscheiden sich die beiden wohl in ihrem Gesellschaftsbild. Juppés Kampagne ist thematisch auf eine "Nation mit glücklicher Identität" ausgerichtet, die das Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen ausdrücklich bejaht. Seine Unterstützung für den Bau einer Großmoschee in Bordeaux und sein enger Kontakt zu dem respektierten Imam Tareq Oubrou haben ihm den Spottnamen "Ali Juppé" im Rahmen einer Schmähkampagne eingebracht, die sich im Internet rasch verbreitete.

Eine Gefahr für den rechten Flügel?

Im Gegensatz dazu spricht Fillon Franzosen an, die sich vor dem militanten Islam und Einwanderung fürchten: Fillon betont seine katholischen Wurzeln und familiäre Werte. Außerdem unterstützt er eine Gesetzesinitiative, die ein Burkini-Verbot an öffentlichen Stränden vorsieht.

"Er steht für eine radikalere Vision des Wandels. Jenseits der Reformen will er das französische Ideal der Chancengleichheit und des Multikulturalismus überdenken", schreibt die konservative Tageszeitung "Le Figaro" über Fillon. Für den 62-Jährigen gehe es um nicht weniger als um einen ideologischen Kampf.

"François Fillon ist für den Front National ein weit größeres Problem als Alain Juppé", meint Politikwissenschaftler Jean Petaux. "Mit seiner Betonung traditioneller französischer Werte, der Rückkehr zu einer bestimmten moralischen Ordnung, der christlichen Werte Frankreichs und Europas zielt er klar auf die Klientel des Front National."

Juppé dagegen argumentiert, dass er bestens aufgestellt sei, um Wähler der Mitte und aus dem linken Spektrums anzusprechen. Im weitgehend linken Bordeaux, wo er sehr beliebt ist, hoffen seine Unterstützer weiterhin auf seinen Sieg. "Er ist ein echter Visionär", sagt Juppés Stellvertreterin im Rathaus von Bordeaux, während sie am Flussufer Flugblätter verteilt. "Für diese Stadt und für das ganze Land."

Wer auch immer die Vorwahlen gewinnt, er wird es bei den Präsidentschaftswahlen im April 2017 mit der beliebten Anführerin des Front National, Marine le Pen, aufnehmen müssen. Viele Beobachter gehen davon aus, dass sie aus dem ersten Wahlgang erfolgreich hervorgehen wird, aber in der Stichwahl unterliegt.