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Destabilisiertes Land

19. August 2009

Die Sicherheitslage in Afghanistan hat sich vor den Wahlen weiter verschärft. Mit Anschlägen sollen die Menschen vom Urnengang abgehalten werden. Doch wer hat ein Interesse daran, Afghanistan zu destabilisieren?

Straßenszene in Kabul kurz nach einem Selbstmordattentat (Foto: AP)
Straßenszene in Kabul kurz nach einem SelbstmordattentatBild: AP

In seiner bewegten Geschichte waren es meist fremde Großmacht-Interessen, die Afghanistan nicht zur Ruhe kommen ließen. Da waren die Briten, die dort ihre Interessen verfolgten, da waren die Russen und schließlich die US-Amerikaner - im Verbund mit Pakistan und Saudi-Arabien. Es ging um britische Nachschubwege nach Indien, den sowjetischen Zugang zum Indischen Ozean, schließlich die Abwehr und Vertreibung der Sowjets durch das Dreierbündnis Washington-Islamabad-Riad.

Afghanistan als Spielball fremder Mächte

Hamid Karsai - mehr als nur ein 'Bürgermeister von Kabul'?Bild: AP

Nie ging es dabei um die Festigung eines afghanischen Staatssystems, sondern immer darum, sich in Kabul eine gefällige Zentralregierung und im Land ein System ergebener Regionalfürsten zu halten. Man nutzte dabei das System, das in Afghanistan seit Jahrhunderten funktioniert hatte. Oder auch nicht. "Unter jedem Baum ein König", sagt ein afghanisches Sprichwort. Der König - und anschließend die Präsidenten - in Kabul waren kaum mehr als die Bürgermeister der Hauptstadt. Und ihre Macht wurde in den Provinzen nur dann anerkannt, wenn sie mit den dortigen Herrschern ihre "deals" getroffen und ihnen weigehend freie Hand gelassen hatten.

Drogen statt Rechtsstaat

Afghanische Bauern bei der MohnernteBild: picture-alliance/ dpa

Genau dies tut der gegenwärtige Präsident, Hamid Karsai, auch: Von den USA und den Europäern einst als Retter Afghanistans gefeiert, hat er den Pfad zu Demokratie und Rechtstaatlichkeit längst verlassen. Er hat sich mit regionalen "warlords" verbündet, die ihm Macht und Einfluss in den Provinzen sichern sollen und die als Gegenleistung jeden Ansatz zu wirklicher Normalisierung hintertreiben können. Korruption ist an der Tagesordnung, mehr aber: Der Anbau von Schlafmohn hat in den letzten Jahren ein Rekordvolumen erreicht, und Afghanistan ist unrühmlicher Exportweltmeister für Drogen geworden.

Die einfachen Bauern verdienen nicht viel mit dem Mohnanbau, aber immer noch weit mehr als mit jeder bisher vorgeschlagenen Alternative, etwa Weizen. Die "warlords" aber sind längst zu potenten "Drogenbossen" geworden, die ein Vielfaches an Einnahmen einstreichen, damit ihre Waffen finanzieren und sich deswegen auch nicht so einfach unter Druck setzen lassen.

Die Drogenbosse sind dabei aber flexibel und bereit, mit jedem eine Allianz einzugehen. Hauptsache, ihre Machtposition wird nicht angerührt. Sie arbeiten auch mit den Taliban zusammen, die zwar religiös-ideologisch gegen den Mohnanbau sind, die Wirtschaftskraft dieses - einzig lukrativen - Zweiges der afghanischen Landwirtschaft aber längst für sich nutzen.

Stabilität und Ruhe als größte Gefahr

Umstrittene Allianz: Hamid Karsai mit dem nordafghanischen Milizenführer Raschid DostumBild: AP

Das Ausland - von den Nachbarn bis hin zu Europa und den USA - ist heute eher an einer Beruhigung der Lage in Afghanistan und an einer Stabilisierung interessiert. Am Gegenteil interessiert sind in erster Linie die Regionalherrscher und Drogenbosse, die auf Macht und Pfründe nicht verzichten wollen. Um sie zu entmachten, müssten Zentralregierung und Präsident unter Druck gesetzt, müssten die Taliban zurückgeschlagen und den einfachen Afghanen neue Erwerbsquellen geschaffen werden. Nichts davon ist bisher geschehen. Immerhin aber stehen inzwischen 50 Drogenhändler auf der 367 Namen umfassenden Fahndungsliste der USA in Afghanistan. Sie werden der Kooperation mit den Taliban beschuldigt. Die, die mit der Zentralregierung zusammenarbeiten, stehen auf keiner Fahndungsliste, sie sind aber mindestens genau so ein Hindernis für eine Normalisierung in Afghanistan.

Autor: Peter Philipp
Redaktion: Thomas Latschan

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