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PolitikEuropa

Wer wird das nächste EU-Mitgliedsland?

6. November 2025

Die EU hat die Aufnahme neuer Mitgliedsstaaten zur Priorität gemacht. Ein neuer Bericht zeigt, wie groß die Unterschiede zwischen den einzelnen Beitrittskandidaten sind. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Zwei Frauen, Kaja Kallas (links) und Marta Kos (rechts), stehen an Rednerpulten vor einem Hintergrund mit der Aufschrift EU 2025 Enlargement Package (Erweiterungspaket)
Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas (l.) und die Erweiterungskommissarin Marta KosBild: Yves Herman/REUTERS

Die EU hat in dieser Woche ihr neues Erweiterungspaket angenommen. Es analysiert, welche Fortschritte die zehn Beitrittskandidaten in den letzten zwölf Monaten gemacht haben. Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas und Erweiterungskommissarin Marta Kos stellten den Bericht am vergangenen Dienstag (4.11.2025) in Brüssel vor. Die DW beantwortet die wichtigsten Fragen.

Welche Länder wollen der EU beitreten? 

Insgesamt wollen zehn Länder der Europäischen Union beitreten. Kosovo hat die EU-Mitgliedschaft beantragt, aber noch keinen Beitrittskandidatenstatus erhalten. Bosnien und Herzegowina und Georgien sind Beitrittskandidaten. Die Aufnahme von Verhandlungen ist beschlossen, sie haben aber noch nicht begonnen.

In der moldauischen Hauptstadt Chisinau fiebert man dem Beitritt zur EU entgegenBild: STR/NurPhoto/IMAGO

Mit sieben weiteren Ländern verhandelt die EU bereits über deren Beitritt. Albanien, die Republik Moldau, Montenegro, Nordmazedonien, Serbien, die Türkei und die Ukraine bereiten sich offiziell auf die Umsetzung der EU-Rechtsvorschriften vor, wobei der Prozess mit der Türkei auf Eis liegt. 

Sobald die Kommission diese Verhandlungen abgeschlossen hat, gibt sie eine Einschätzung ab, ob ein Bewerberland bereit für die Aufnahme in die Europäische Union ist.  

Welche Kriterien muss ein Staat erfüllen, um der EU beizutreten? 

Grundsätzlich kann jeder europäische Staat einen Antrag zur Aufnahme in die Europäische Union stellen. Bevor ein Land tatsächlich EU-Mitglied werden kann, muss es einen umfangreichen Prüf- und Reformprozess durchlaufen. Dieser Prozess soll sicherstellen, dass die staatlichen Institutionen funktionieren, dass das Land demokratisch organisiert ist und die Menschenrechte schützt. Das Land muss außerdem in der Lage sein, EU-Vorschriften zuverlässig umzusetzen und seine Wirtschaft in den EU-Binnenmarkt zu integrieren. 

Insgesamt erstrecken sich die Beitrittsverhandlungen über 35 Kapitel, die einzelne Bereiche wie Wirtschaftspolitik, Außenpolitik, Rechtsstaatlichkeit und einiges mehr abdecken. Die Verhandlungen werden zwischen den Regierungen der EU-Länder und der Regierung des Kandidatenstaates auf Ministerebene geführt. 

Sind die Verhandlungen abgeschlossen, müssen sowohl die EU-Kommission als auch das Europäische Parlament und die Mitgliedsstaaten der Aufnahme des Kandidaten zustimmen. Das geschah das letzte Mal im Jahr 2013. Damals trat Kroatien der EU bei. 

Welche Rolle spielt die politische Lage in den Ländern? 

Die EU-Kommission beobachtet die Entwicklungen der Kandidatenländer kontinuierlich. Als kürzlich die pro-europäische Regierungspartei die Parlamentswahlen in der Republik Moldau gewann, zeigten sich führende EU-Politiker erfreut. Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas sieht in dieser Abstimmung eine richtungsweisende Entscheidung. "Das ist ein klares Ja zur europäischen Zukunft Moldaus", sagte sie. Im Gegensatz dazu blicken EU-Politiker besorgt auf die politischen Entwicklungen in Serbien und Georgien. 

Brüssel kritisiert die russlandfreundliche Politik und die zunehmend autoritär agierende serbische Regierung. Seit einem Jahr gehen überwiegend junge Menschen auf die Straße, um gegen Korruption und für mehr Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu demonstrieren. Die serbische Regierung strich daraufhin Gelder für Universitäten und kürzte Gehälter der akademischen Mitarbeiter. Die EU fordert Serbien auf, die Wissenschaftsfreiheit wiederherzustellen, Justizreformen durchzuführen und Grundrechte zu schützen. Aktuell kommt Serbien diesen Forderungen nicht nach, der EU-Beitrittsprozess stockt. 

Seit einem Jahr gehen die Studenten in Serbien auf die Straßen gegen Präsident Vucic und die Regierung in BelgradBild: Djordje Kojadinovic/REUTERS

In Georgien liegt der Beitrittsprozess seit einem Jahr auf Eis. Laut Kallas ist Georgien "nur noch dem Namen nach ein Beitrittskandidat". Das sagte sie am Dienstag (4.11.2025) bei der Vorstellung des neuen Fortschrittsberichts. Später wandte sich die EU-Kommissarin für Erweiterung, Marta Kos, direkt an die georgische Regierung: "Wenn Sie es mit der EU ernst meinen, hören Sie den Menschen zu und hören Sie auf, Oppositionsführer und Journalisten und andersdenkende Menschen einzusperren. Dann können wir wieder reden." 

Welche Länder haben gute Chance, als nächstes der EU beizutreten? 

"Das Land, das am besten auf den EU-Beitritt vorbereitet ist", so Kallas, "ist Montenegro". Der kleine Balkanstaat an der Adria mit rund 600.000 Einwohnern hat bereits in vier von sechs Themenbereichen die nötigen Reformen umgesetzt. Bis Ende 2026 könnten die Beitrittsverhandlungen beendet sein, heißt es aus EU-Kreisen. 

Neben Montenegro machen auch die Republik Moldau und Albanien große Fortschritte. 

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban blockiert die Aufnahme der Ukraine in die EUBild: Thomas Traasdahl/Ritzau Scanpix/REUTERS

Ebenfalls positiv bewertet die Kommission die Entwicklungen in der Ukraine. Der aktuelle Bericht ist wohl die beste Bewertung, die die Kommission der Ukraine seit ihrem Antrag auf eine EU-Mitgliedschaft vor drei Jahren ausgestellt hat. So loben die Autoren die Pläne der Ukraine auf dem Gebiet der Rechtsstaatlichkeit und ihren Aktionsplan für nationale Minderheiten. Nachholbedarf gebe es hingegen weiterhin bei der Korruptionsbekämpfung. Darüber hinaus sperrt sich mit Ungarn ein EU-Staat aktuell gegen die Ukraine als Mitglied der EU. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban sagte am Dienstag auf einer Konferenz des paneuropäischen Fernsehsenders  Euronews, dass eine ukrainische Mitgliedschaft Europa in Gefahr bringen würde. 

Wann könnte die EU die nächsten Mitgliedsstaaten aufnehmen? 

Die Europäische Union hat derzeit 27 Mitgliedstaaten. Bald könnte diese Zahl steigen, wenn es nach der EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas geht. Es sei durchaus realistisch, 2030 neue Länder in die Union zu integrieren, sagte sie. Manche der Kandidaten hoffen jedoch auf eine frühere Aufnahme in die Gemeinschaft. Musterschüler Montenegro rechnet mit einem Beitritt bis zum Jahr 2028. Auch die Ukraine möchte noch vor 2030 Mitglied bei der EU werden, wie Präsident Wolodymyr Selenskyj am Dienstag mitteilte. 

Beobachter halten eine baldige EU-Erweiterung dagegen für unwahrscheinlich. Zuerst müsste sich die EU selbst von innen reformieren. 

Vor der Erweiterung: Welche Aufgaben muss die EU erfüllen?

Die EU-Kommission hat sich die EU-Erweiterung zur Priorität gemacht. Angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine sei die Erweiterung der EU eine Notwendigkeit, erklärte Kallas bei der Vorstellung des Erweiterungsberichts. Erweiterungskommissarin Marta Kos arbeitet derzeit an der Idee, eine Art "Übergangsphase" für neue Mitgliedsstaaten einzuführen. "Unser Hauptziel ist, dass neue Mitgliedsstaaten uns stärker, nicht schwächer machen", sagte sie am Dienstag in Brüssel.

Milan Nic von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) bezweifelt, dass die EU und ihre Institutionen schon bereit sind, neue Mitgliedsstaaten aufzunehmen. "Auf keinen Fall" sei die Gemeinschaft bereit zur Aufnahme neuer Mitglieder, sagt er im Gespräch mit der DW. Steige die Zahl der Mitgliedsländer, könnten die bestehenden Entscheidungsprozesse schnell an ihre Grenzen stoßen und zu Blockaden führen - etwa dann, wenn Beschlüsse weiterhin nur im Konsens gefasst werden dürfen. Auch die Verteilung des EU-Haushalts wäre neu zu verhandeln.

Darüber hinaus sieht Nic die nationalen Regierungen in der Pflicht, ihre Bürgerinnen besser über eine mögliche EU-Erweiterung zu informieren. Zwar sprechen sich laut Eurobarometer, einer von der EU in regelmäßigen Abständen in Auftrag gegebenen Meinungsumfrage, 56 Prozent der Europäer und Europäerinnen grundsätzlich für die Aufnahme neuer Staaten aus. Doch die Meinungen gehen stark auseinander: In Schweden unterstützen 79 Prozent eine Erweiterung, in Frankreich sind es lediglich 42 Prozent. In Deutschland liegt die Zustimmung zu einer EU-Erweiterung bei 49 Prozent. Dabei ist sie unter jungen Menschen deutlich höher: 61 Prozent der 15- bis 29-Jährigen und 57 Prozent der 25- bis 39-Jährigen befürworten die Erweiterung der EU.