DFB nach Hansi Flick: Wer wird neuer Fußball-Bundestrainer?
15. September 2023Nur noch ein dreiviertel Jahr bis zur Fußball-Europameisterschaft im eigenen Land und die Nationalelf steht ohne Trainer da. Der DFB hat nach dem 1:4 gegen Japan Anfang September die Notbremse gezogen, hat den glücklosen Hansi Flick gefeuert. Nach dem WM-Aus im Dezember in Katar hatte man noch an ihm festgehalten. Jetzt drängt die Zeit bei der Suche nach einem Nachfolger. Es gibt eine ganze Liste an möglichen Kandidaten - doch unterm Strich bleiben nicht viele wirklich praktikable Lösungen:
Julian Nagelsmann
Der im März von Bayern München geschasste Nagelsmann wird in vielen Medien als Top-Favorit gehandelt. Für ihn spricht sein großer Name, der Umstand, dass er momentan keinen Verein trainiert und sicher auch sein Fachwissen.
Allerdings hat Nagelsmann noch einen Vertrag bei Bayern München, müsste also herausgekauft werden. Die Bayern dürften ihm keine Steine in den Weg legen, sparen sie doch, sollte er zum DFB gehen, Gehalt ein und stärken auch keinen direkten Konkurrenten. Nach Informationen der Bild hat der FC Bayern inzwischen signalisiert, Nagelsmann für den Bundestrainer-Posten freizugeben. Für den Verband wäre er wohl trotzdem die teuerste Option, denn Nagelsmann dürfte hohe Gehaltsforderungen stellen.
Doch will Nagelsmann überhaupt? Er steht mit seinen 36 Jahren immer noch am Anfang einer möglicherweise großen Karriere - aktuell könnte er sich mit der desaströs auftretenden Nationalmannschaft die Finger und auch seinen Namen verbrennen.
Im Juni wäre, so heißt es aus Nagelsmanns Umfeld, wäre er noch bereit gewesen, jetzt habe er aber das Interesse verloren. Möglicherweise wird demnächst in Dortmund ein attraktiver Arbeitsplatz frei.
Und auch der DFB sollte wissen: Nagelsmanns Autorität ist angekratzt durch seine kurzfristige Ablösung bei den Bayern.
Wahrscheinlichkeit: 40 Prozent
Matthias Sammer
Sammer gilt als unbequemer Typ, der den Finger in die Wunde legt. Auch die sportliche Entwicklung im Verband hat er immer wieder kritisiert. Der Europameister von 1996 kennt den DFB gut. Dort war er von 2006 bis 2012 Sportdirektor, später dann Sportvorstand bei Bayern München. Seit fünf Jahren berät er Borussia Dortmund, hat sich aber aus dem operativen Geschäft zurückgezogen.
Sammer wäre sicher keine schlechte Lösung, hat aber nach eigener Aussage keine Ambitionen mehr, auf die Trainerbank zurückzukehren. Das klingt durchaus glaubwürdig.
Wahrscheinlichkeit: 1 Prozent
Stefan Kuntz
Seit jeher steht der DFB auf interne Lösungen. Auch Stefan Kuntz ist ein alter Bekannter beim DFB, auch er wurde 1996 Europameister. Im Gegensatz zu Sammer gilt der ehemalige Stürmer als kompromissbereit und ausgleichend. Die Frage ist, ob solche Eigenschaften in der jetzigen Situation gefragt sind. Beim DFB ist Kuntz hoch angesehen, war er doch mit der U21-Auswahl 2017 und 2021 Europameister.
Danach ist er in die Türkei gewechselt, ist dort seit 2021 Nationaltrainer. Weil aber die Erfolge ausbleiben, ist er nicht unumstritten. Dennoch - eine schnelle Einigung mit Kuntz und dem türkischen Verband könnte schwierig werden.
Und als 60-Jähriger stände Kuntz nicht gerade für einen Neuanfang, als Interimstrainer bis zum EM 2024 wäre er sich wohl zu schade.
Wahrscheinlichkeit: 15 Prozent
Oliver Glasner
Glasner hat es geschafft, fast Unmögliches zu leisten: Mit dem absoluten Underdog Eintracht Frankfurt hat er 2022 die Europa League gewonnen. Dieser Erfolg macht ihn zu einem begehrten Trainer, dazu kennt der 49-Jährige die Bundesliga gut. Denn vor seiner Zeit in Frankfurt war er schon beim VfL Wolfsburg unter Vertrag.
Ob es der DFB allerdings wagt, einen Österreicher für den wichtigsten Trainerposten im Lande zu verpflichten? Es könnte als fatales Signal an die Nachwuchskräfte und als Bankrotterklärung an die deutsche Trainerausbildung verstanden werden, wenn ein Ausländer, zumal aus dem vermeintlichen Fußball-Zwergenland, des Deutschen liebstes Kind retten sollte.
Für Glasner spricht, dass er aktuell vertragslos ist, also sofort verfügbar wäre.
Wahrscheinlichkeit: 5 Prozent
Lothar Matthäus
Der Weltmeister von 1990 und ehemalige Weltfußballer hat schon von selbst abgewiegelt. Er stehe nicht zur Verfügung. Dabei wäre "Loddar" sicher nicht die schlechteste Lösung: Er hat Autorität, hatte Erfolg und schafft es als TV-Experte und Kolumnist, brillante Analysen abzuliefern. An Sachverstand mangelt es also nicht.
Sein ungeschickter Umgang mit der Presse vor langer Zeit hat ihn vielleicht eine große Trainerkarriere gekostet. Nun, mit 62 Jahren, wird es keinen Neuanfang geben. Zumal der DFB da zu sehr über den eigenen Schatten springen müsste. "Frag doch mal den Loddar", wurde zum Running-Gag, wenn immer ein Job frei wurde.
Wahrscheinlichkeit: 1 Prozent
Rudi Völler
Der Weltmeister-Kollege von Lothar Matthäus ist schon einmal für den DFB in die Bresche gesprungen: Nach der enttäuschenden EM 2000 war Rudi Völler zunächst nur als Übergangslösung geplant, tatsächlich blieb er aber vier Jahre im Amt und wurde 2002 sogar Vize-Weltmeister.
Nun ist er seit Anfang Februar Sportdirektor beim DFB und sitzt kurzfristig beim Test gegen Frankreich auf der Bank, assistiert durch U20-Trainer Hannes Wolf und dessen Co-Trainer Sandro Wagner.
Sollte sich wider Erwarten plötzlich Erfolg einstellen, könnte aus dem Provisorium durchaus auch wieder ein Dauerlösung werden. Schließlich haben die drei DFB-Stallgeruch und haben auch keine anderen vertraglichen Verpflichtungen.
Wahrscheinlichkeit: 45 Prozent
Jürgen Klopp
Das wäre der Traum der meisten Fußballfans in Deutschland: "Kloppo" als Bundestrainer. Wo Jürgen Klopp hinkam, hatte er Erfolg - in Mainz, in Dortmund, in Liverpool. Vor allem seine Fähigkeiten als Top-Motivator könnten die deutschen Nationalmannschaft jetzt gut gebrauchen.
Doch Klopp steht beim FC Liverpool unter Vertrag, will dort beweisen, dass er auch schwierige Situationen meistern kann nach dem schwachen Abschneiden in der Vorsaison. Und: Will er ausgerechnet jetzt, wo das Risiko des Scheiterns sehr hoch ist mit dem DFB-Team, diesen Job übernehmen? Wohl kaum.
Irgendwann kommt er vielleicht doch noch, der ideale Zeitpunkt. Jetzt aber nicht.
Wahrscheinlichkeit: 0 Prozent
Louis van Gaal
Der Niederländer ist in Deutschland ein alter Bekannter. Von 2009 bis 2011 war er Trainer des FC Bayern, erreichte mit seinem Verein 2010 das Champions-League-Finale. Und auch sonst hat er für viele große Vereine gearbeitet: Ajax Amsterdam, FC Barcelona, Manchester United. Und er war dreimal Coach der niederländischen Nationalmannschaft, zuletzt bis 2022.
Eigentlich hat van Gaal, inzwischen 72, seine Laufbahn beendet. Aber wenn eine ganz große Aufgabe an ihn herangetragen werde, dann würde er er schon nochmal überlegen.
Zwar ist van Gaal auch kein Deutscher, aber er bringt riesiges Renommée mit. Seine Autorität lässt die Spieler schon mal erzittern - der Spitzname "General" kommt nicht von ungefähr. Van Gaal spricht gut Deutsch, er wäre zu haben und sicher nicht traurig darüber, wenn das Engagement schon nach der EM 2024 wieder enden sollte. Derweil könnte man beim DFB in Ruhe den Neuanfang planen.
So wäre Louis van Gaal eigentlich die ideale Lösung.
Wahrscheinlichkeit: 20 Prozent