Das Tennisturnier in Paris ist der Höhepunkt der Sandplatz-Saison. Bei den Frauen sind keine klaren Favoritinnen auszumachen, bei den Herren gelten gleich mehrere Spieler als Top-Favoriten. Auch ein Deutscher.
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Alexander Zverev ist in Paris eigentlich alles zuzutrauen. Er ist zwar grade einmal 20 Jahre jung, hat für sein Alter aber schon ein erstaunlich komplettes Spiel, was perfekt zum sandigen Untergrund passt. Bei seinem ersten Masters-Triumph in Rom am vergangenen Wochenende, hat er bewiesen, dass er selbst Ausnahmekönner wie French-Open-Titelverteidiger Novak Djokovic bezwingen kann. Das gibt Selbstvertrauen. Ebenso wie die Tatsache, dass Zverev seit Montag als erster deutscher Profi seit Tommy Haas 2007 in den Top Ten steht.
In der ersten Runde von Paris bekommt Zverev es mit dem Spanier Fernando Verdasco zu tun, den er zuletzt beim Masters in Madrid schlagen konnte. Allerdings versuchte nicht zuletzt Boris Becker, den Druck auf die deutsche Nummer eins ein wenig zu minimieren. "Für mich sind noch immer Rafael Nadal und Novak Djokovic die Favoriten für Paris. Zverev kommt in einer Gruppe von sechs, sieben Spielern dahinter".
Tatsächlich ist Sandplatzkönig Nadal zurzeit in bestechender Form, gewann bereits in Monte Carlo, Barcelona und Madrid. Lediglich in Rom musste er sich im Viertelfinale Dominic Thiem geschlagen geben. Seine beeindruckende Bilanz auf seinem Lieblingsbelag lautet 17:1.
Das Experiment "Djokassi"
Und da wäre ja auch noch Titelverteidiger Novak Djokovic. Der kam zuletzt wieder besser in Form, kämpfte sich in Rom bis ins Finale. Dort blieb er aber gegen Zverev chancenlos. Der zwölfmalige Grand-Slam-Sieger ist auf der Suche nach einem neuen Coach, nachdem er Anfang Mai sein gesamtes Betreuerteam gefeuert hatte. Fünf Monate zuvor war auch die dreijährige Zusammenarbeit mit Boris Becker beendet worden.
Um wieder die Nummer eins zu werden, hat der Weltranglisten-Zweite sich kurzfristig Tennis-Legende Andre Agassi an seine Seite geholt. Die Abtastphase zwischen Djokovic und der früheren Nummer eins Agassi ist zunächst auf das Turnier begrenzt. "Dort werden wir herausfinden, in welche Richtung es geht", sagte Djokovic, der am Montag 30 Jahre alt geworden ist. Für Agassi scheint die Zusammenarbeit eher begrenzt. "Die einzige Vereinbarung, die wir haben, ist für Paris. Es ist kein Vollzeitjob für mich."
Und was ist mit Vorjahresfinalist Andy Murray? Beim Führenden der Weltrangliste läuft derzeit kaum etwas zusammen. In Madrid und Rom war jeweils früh Schluss, trotzdem ist er im Vorfeld von Roland Garros optimistisch: "Es gibt keinen Grund, wieso ich die French Open nicht gewinnen könnte." Das Selbstvertrauen stimmt also.
"Gefährliche" Auftaktpartie für Kerber
Und wer gewinnt die bei den Frauen? Serena Williams ist schwanger und spielt nicht mit, daher gibt es eigentlich nur drei, die überhaupt für einen Titel in Frage kommen.
French Open: Ein besonderes Turnier
Es ist alles andere als leicht, die Offenen Französischen Tennis-Meisterschaften zu gewinnen. Das zweite Grand-Slam-Turnier des Jahres hat viele große Spieler hervorgebracht, mancher Star ist immer wieder gescheitert.
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Auf zum Bois de Boulogne!
Seit 1891 werden im Pariser Westen am Rande des riesigen Stadtparks Bois de Boulogne die französischen Tennis-Meisterschaften ausgetragen. Zunächst dürfen nur Franzosen mitmachen, und es wird auf Rasen gespielt. 1928 baut man ein neues Stadion und spielt fortan auf rotem Sand. Turnier-Namenspate Roland Garros ist übrigens kein Tennisspieler, sondern ein Kampfflieger aus dem Ersten Weltkrieg.
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Fremder Sieger
Ab 1925 sind auch internationale Teilnehmer zugelassen, doch es dauert bis 1933, bevor mit dem Australier Jack Crawford ein Ausländer gewinnt. Er besiegt den fünfmaligen Turniersieger Henri Clochet. Dabei ist Crawford nicht der erste ausländische Sieger, sondern der zweite: Bei der Premiere im Jahr 1891 gewinnt der eingeladene britische Gastspieler H. Briggs, ein Engländer, der in Paris lebt.
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Baron auf roter Asche
Zweimal trägt sich auch Deutschlands bester Tennisspieler in die Siegerliste ein. 1934 und 1936 gewinnt der "Tennis-Baron" Gottfried von Cramm das Turnier, beim zweiten Finalsieg gegen den großen Fred Perry. Überhaupt sind die Deutschen damals bei den French Open sehr erfolgreich: 1937 siegt Henner Henkel. Bei den Frauen geht der Titel 1931 an Cilly Aussem, 1935 bis 1937 an Hilde Sperling.
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Schwedische Serie
Zwischen 1974 und 1981 heißt der French-Open-Sieger nur zweimal nicht Björn Borg. Der langhaarige Schwede ist damals das Nonplusultra. Seinen ersten Titel in Paris gewinnt er kurz nach seinem 18. Geburtstag. Beim sechsten und letzten Erfolg gegen Ivan Lendl (r.) ist er mit 25 immer noch jung. Hätte Borg nicht mit 26 Jahren seine Karriere beendet, wären wohl noch einige Paris-Siege hinzu gekommen.
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Jung und frech
1989 ist Ivan Lendl erneut der Leidtragende. Der Tscheche trifft im Achtelfinale auf den 17-jährigen Michael Chang. Über fünf Sätze schenken sich beide Kontrahenten nichts. Chang erleidet Krämpfe und ist zwischendurch so schwach, dass er den Aufschlag nur von unten ins Feld bringt. Lendl ist total entnervt und verliert schließlich. Chang wird am Ende der jüngste Grand-Slam-Sieger der Geschichte.
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Rekord-Champion
Erst 2012 überflügelt ein anderer Björn Borg in der Siegerliste: Der Spanier Rafael Nadal bezwingt Novak Djokovic und darf zum siebten Mal in seiner Karriere den Siegerpokal in die Höhe stemmen. 2013, 2014, 2017 und 2018 lässt Nadal die Titel acht bis elf folgen. "Es ist unmöglich davon zu träumen, hier elfmal zu gewinnen", sagt er nach seinem Erfolg im Jahr 2018 ergriffen.
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Ohne Chance
Die French Open und Boris Becker - das ist keine Liebesbeziehung. Während "Bumm-bumm-Boris" auf Rasen mit seinem Serve-and-Volley-Spiel alles gewinnt, was möglich ist, tut er sich auf der langsamen roten Asche stets schwer. 1987, 1989 und 1991 erreicht er das Halbfinale von Paris, doch dann ist Schluss. Überhaupt kann Becker in seinen 15 Profi-Jahren nie ein Sandplatzturnier gewinnen.
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Letzter Heimsieg
Seit mehr als 30 Jahren warten die französischen Tennisfans darauf, dass wieder einer der Ihren den Pokal mit nach Hause nimmt. Der letzte, dem das Kunststück glückt, ist Yannick Noah. 1983 setzt sich der Rasta-Mann mit kamerunischen Wurzeln gegen Vorjahressieger Mats Wilander durch. 1988 schafft es mit Henri Leconte noch einmal ein Franzose ins Finale, seitdem darbt das Tennis der Grande Nation.
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Eleganter Weltstar
Zwischen 1920 und 1926 beherrscht Suzanne Lenglen das Geschehen auf der roten Asche von Paris. Sechsmal sichert sich die Französin innerhalb von sieben Jahren den Titel. Ihr anmutiges Spiel und ihr elegantes Auftreten machen sie zu einem Weltstar des Sports. Insgesamt gewinnt Leglen 25 Grand-Slam-Titel. 1938 stirbt sie mit nur 39 Jahren an den Folgen einer Blutkrankheit.
Bild: picture-alliance/empics
Ewiges Duell
Einen Titel mehr als Leglen erringt Chris Evert-Lloyd (r.) in Paris. Die US-Amerikanerin sammelt ihre Erfolge zwischen 1974 und 1986 und liefert sich ein Dauerduell mit Martina Navratilova. 1975, bei ihrem zweiten Titel, besiegt Evert-Lloyd Navratilova zum ersten Mal. Von 1984 bis 1986 treffen die beiden dreimal in Folge im Finale aufeinander. Zweimal hat dabei Evert-Lloyd die Nase vorn.
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Die Gräfin gibt sich die Ehre
Danach beginnt die Ära Steffi Grafs: Neunmal steht die Deutsche zwischen 1987 und 1999 im Finale von Paris - sechsmal gewinnt sie. Den klarsten Sieg feiert sie 1988 mit 6:0 und 6:0 gegen die Russin Natalia Zwerewa. Bei Grafs letztem Erfolg 1999 ist Martina Hingis die Favoritin. Doch die Schweizerin verspielt alle Sympathien des Publikums und geht geschlagen und unter Tränen vom Platz.
Bild: picture-alliance/dpa
Oben offen
Die nach Tennisspieler Philippe Chartrier benannte Hauptarena fasst etwas mehr als 15.000 Zuschauer. Daneben steht der Court Suzanne Lenglen, in den rund 10.000 Zuschauer hineinpassen. Bis heute hat keines der Stadien ein Dach. Das bedeutet: Wenn die Sonne scheint, wird es heiß, herrscht schlechtes Wetter, wird es schnell mal ungemütlich.
Bild: picture-alliance/AP Photo/D. Vincent
Kurze Pause
Daher vergeht kein French-Open-Turnier, bei dem es nicht zu Regenunterbrechungen kommt. Das Publikum spannt die Schirme auf, und der Sandplatz wird mit Planen abgedeckt. Erst 2020 soll Abhilfe geschaffen werden. Dann nämlich werden zumindest die Hauptplätze mit einem Dach versehen.
Bild: picture-alliance/dpa/R. Ghement
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Die besten Chancen hat wohl die Weltranglistenvierte Simona Halep, gefolgt von Rom-Siegerin Elina Svitolina und Titelverteidigerin Garbine Muguruza. Wie die Chancen für die Weltranglistenerste Angelique Kerber stehen, nach ihrer bislang enttäuschenden Saison zurück in die Spur zu finden, ist extrem schwer zu sagen. Verletzung beim Turnier in Madrid, Auftaktniederlage in Rom - die zweimalige Major-Siegerin ist fraglos in einer schwierigen Phase.
Aus der Not will sie aber eine Tugend machen - und schlüpft in die geliebte Rolle der Jägerin. "Es ist vielleicht sogar gut, wenn man nicht mit mir rechnet", sagte sie. Kämpferisch will Kerber den jüngsten Eindrücken begegnen, die Kraft dafür hat sie nach dem Aus in Rom geschöpft. "Ich habe mir Zeit genommen und bin eigentlich guter Dinge. Die Niederlage habe ich als kleinen Kick gebraucht", befand Kerber, die sich auch damit beruhigt, dass sie ihre Willensstärke schon oft aus Tälern geführt hat.
Federer und Scharapowa nicht dabei
Zum Auftakt wartet auf Kerber, die im vergangenen Jahr bereits in der ersten Runde ausgeschieden war und daher keine Punkte verteidigen muss, die ehemalige Melbourne-Halbfinalistin Jekaterina Makarowa aus Russland. "Das ist kein Glückslos. Das ist ein unglaublich schweres und gefährliches Los", sagte Bundestrainerin Barbara Rittner am Rande des Sandplatz-Turniers in Nürnberg. "Andererseits ist es vielleicht genau das, was sie braucht, damit sie von Anfang an konzentriert ist."
Nicht in Paris dabei, ist Publikumsliebling Roger Federer der nach einem Traumstart ins Tennisjahr die kräftezehrende Sandplatzsaison auslässt. Auch Maria Scharapowa fehlt. Die zweimalige Paris-Siegerin, hat nach ihrer Dopingsperre keine Wildcard für die French Open bekommen.