1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Alexander von Humboldt: Werdegang eines Ausnahmeforschers

5. Juni 2019

Deutschlands größter Universalgelehrter hatte einen guten Start. Humboldt wurde in eine angesehene preußische Familie geboren und seine Mutter sorgte dafür, dass er die bestmögliche Bildung bekam.

Alexander von Humboldt by French artist Auguste Desnoyer
Bild: Alexander von Humboldt von Auguste Desnoyers/Foto: T. Rooks

Als Alexander von Humboldt am 14. September 1769 geboren wurde, war Preußen nur einer von vielen deutschen Staaten und Fürstentümern. Preußen bestand aus einer Ansammlung von Gebieten, die über Jahrhunderte immer wieder gewonnen und verloren wurden. Die Hauptstadt Berlin war ein provinzielles Nest mit 132.000 Einwohnern, von denen 20 Prozent dem Militär angehörten. Während London 750.000 Einwohner zählte und ein florierendes gesellschaftliches Leben hatte, war Berlin praktisch ein Militärstandort.

Humboldts Vater stieg bis zum Regimentsadjutant in der Armee auf und kämpfte im Österreichischen Erbfolgekrieg und im Siebenjährigen Krieg. Danach wurde er Kammerherr der Kronprinzessin. Zwei Jahre später, im Jahre 1766, heiratete Alexander Georg von Humboldt im Alter von 46 Jahren die bereits verwitwete 25-jährige Marie-Elisabeth Colomb.

Marie-Elisabeth von HumboldtBild: Stiftung Stadtmuseum Berlin/Oliver Ziebe

Der Vater hatte zwar gesellschaftliche Verbindungen und durch seine Stellung als Regimentsadjutant – zuständig für die Verpflegung und Ausrüstung des Regiments – hatte er wirtschaftlich durch den Krieg profitiert. Es war aber Marie-Elisabeth, die den eigentliche Reichtum in die Familie brachte. Von ihr kamen einige Investitionen, ein großes Stadthaus in Berlin, ein Anwesen auf dem Land sowie die Villa in Tegel. Zudem brachte sie einen Sohn in die Ehe ein, Heinrich, aus ihrer ersten Ehe mit dem Freiherrn Friedrich Ernst von Holwede.

Lesen Sie hier: Reflektionen über ein preußisches Genie: Was ist ein Humboldt?

Das neue Paar bekam zwei eigene Söhne, erst Wilhelm und zwei Jahre später Alexander. In dem Jahr, als Alexander geboren wurde, hörte sein Vater auf zu arbeiten und lebte fortan sein Leben als Gentleman auf dem Tegeler Anwesen. Er war überall beliebt und hatte weiterhin Mitglieder des Königshauses zu Gast. Selbst Johann Wolfgang von Goethe war während seiner einzigen Berlinreise bei den Humboldts zu Gast. Goethe revanchierte sich, indem er Tegel in seinem Stück Faust erwähnte.

Wie gut Humboldts Vater vernetzt war, beweist Alexanders Taufe, die bereits ein gesellschaftliches Großereignis war: Der königliche Hof-Geistliche nahm die Taufe vor und die Liste seiner Taufpaten liest sich wie ein Who's Who der damaligen Adelshäuser: Prinz Heinrich, ein Bruder Friedrich des Großen; der Herzog von Braunschweig und Friedrich Wilhelm II., der zukünftige König von Preußen.

Schloss Tegel in BerlinBild: picture-alliance/akg-images/F. Profitlich

Im Gegensatz zum beliebten Vater wird Alexanders Mutter häufig als distanziert und kalt beschrieben. Sie hatte bereits ihren Ehemann und eine junge Tochter verloren, nun war sie eine viel beschäftigte Frau mit einer wachsenden Familie. Sie musste sich um die vielen Anwesen kümmern und kämpfte darum, in einer Männerwelt ernst genommen zu werden. Trotz ihrer distanzierten Art sorgte sie dafür, dass es ihren drei Söhnen stets gut erging.

Nachdem ihr ältester Sohn eine Laufbahn beim Militär einschlug, plante sie für Wilhelm und Alexander ambitionierte Karrieren in der preußischen Verwaltung. Sie schaffte es schließlich, angesehene Lehrer der Aufklärung für ihre Söhne anzustellen und verwandelte zwei kluge Jungen in Wunderkinder.

Kunths weitreichender Einfluss

Marie-Elisabeths größter Coup war es, den unbekannten 20-jährigen Gottlob Johann Christian Kunth zu engagieren. Zunächst war Kunth nur einer von vielen Lehrern. Aber als er gerade seinen Stundenplan aufstellen wollte, starb Alexanders Vater. Für den Jungen war dies ein katastrophaler Schlag.

So wurde Kunth zu einem wichtigen Teil der Familie und half der frisch verwitweten Mutter, ihre Grundstücke zu verwalten. Außerdem lehrte er die Jungen die Grundlagen in Deutsch, Französisch und Geschichte. Schon bald stieg der junge Mann vom normalen Lehrer zum Hauptverantwortlichen für die Bildung der Jungen auf. Er beaufsichtigte andere Lehrer und organisierte Privatvorträge von Gelehrten in Mathematik, Philosophie, Griechisch und Latein.

In der Kindheit als "kleiner Apotheker" bekannt, ahnte wohl niemand, dass Humboldts Vorliebe für das Sammeln von Steinen und Insekten ihn auf unzählige Reisen in die weite Welt schicken würde. Hier ein Bild eines Skarabäus, den Humboldt in Südamerika gesammelt hat.Bild: Botanisches Museum Berlin/Foto: Timothy Rooks

Wilhelm war ein gelehriger Schüler. Alexander dagegen war ein Spätzünder, vor allem, weil die Unterrichtsstunden auf seinen älteren Bruder zugeschnitten waren. Jahre später schrieb Alexander: "Bis ich 16 Jahre alt war, zeigte ich eher wenig Interesse an wissenschaftlichen Dingen. Ich war ruhelos und wollte Soldat werden."

Lehrer Kunth ließ jedoch nicht locker und sorgte dafür, dass die Brüder zu den wenigen intellektuellen Salons eingeladen wurden, die Berlin zu bieten hatte. In der damaligen Zeit war die jüdische Bevölkerung der Stadt in vielerlei Hinsicht eingeschränkt, aber einige Juden nutzten ihre Häuser als Treffpunkte, die sich zu einem wichtigen Teil der Berliner Intellektuellenszene entwickelten. Vor allem Henriette Herz und Rahel Varnhagen verstanden es, Künstler, Schriftsteller, Denker und ihre Freunde zusammenzubringen. Alexander blühte in diesem einzigartigen Umfeld auf, er lernte tanzen und sogar ein wenig Hebräisch.

Der Wendepunkt

Die Humboldt-Brüder besuchten zwar nie eine reguläre staatliche Schule, aber die zehnjährige Lehrzeit bei Lehrer Kunth fördert in beiden das Beste und es gab eine Menge zu lernen. Da Berlin damals keine Universität hatte, besuchte Alexander für sechs Monate die nahe gelegene Universität in Frankfurt an der Oder. Danach beschäftigte er sich in Berlin mit Hilfe von Privatlehrern ein Jahr lang mit Physik, Mathematik, Griechisch, Zeichnen und Botanik.

Der 34-jährige Alexander von Humboldt von Auguste Desnoyers nach einer Zeichnung des französischen Künstlers Francois Gerard, 1805Bild: Alexander von Humboldt von Auguste Desnoyers/Foto: T. Rooks

Im Frühjahr 1789 ging er an die Universität Göttingen, die damals als eine der besten Lehranstalten in Deutschland galt. Sein Schicksal entschied sich, als er dort Georg Forster traf, einen Naturforscher, der James Cook bei seiner zweiten Reise um die Welt begleitet und über seine Erlebnisse geschrieben hatte. In Humboldts Augen war er der ideale Abenteurer und ein wahrer Mentor.

Die beiden vertieften ihre Freundschaft und reisten zusammen durch Deutschland, die Niederlande, England und Frankreich. Forster stellte Humboldt seinen Freunden und Wissenschaftskollegen vor.

Es war eine Begegnung, die Humboldts Leben verändern sollte.

Alexander hatte seine Lebensaufgabe gefunden – er würde sich der Wissenschaft verschreiben. Mit diesem Ziel im Hinterkopf veröffentlichte der gerade 21-jährige Humboldt 1790 sein erstes Buch, ein 126 Seiten langes Werk über Basalte am Rhein, das er Forster widmete.

Mineninspektor Humboldt

Alexander machte nie einen Universitätsabschluss, aber sein Genie war geweckt worden und seine unorthodoxe formelle Ausbildung neigte sich dem Ende. Nach einem kurzen Aufenthalt an einer Hamburger Wirtschaftsschule ging er nach Sachsen, an die berühmte Bergbauakademie in Freiberg, wo er in acht Monaten lernte, wofür andere Jahre brauchten.

Danach erhielt Humboldt seine erste Anstellung, als preußischer Mineninspektor. Er wurde schnell zum Aufseher aller Minen in Franken ernannt. Die Region, weit entfernt von Preußen und aus einzelnen Landstücken bestehend, war gerade erst in den Besitz des Staates gekommen und musste ins preußische System integriert werden. Damals waren Silber-, Gold-, Eisen-, Vitriol- und Salz-Minen wichtige Einkommensquellen. Für den preußischen König waren sie besonders attraktiv, da er allein die Grabungsrechte besaß.

Mineninspektor zu sein war harte Arbeit, aber Humboldt schreckte nicht davor zurück, sich die Hände schmutzig zu machen. Vom Sommer 1792 bis zum Frühjahr 1797 reiste er ausgiebig, um Minen zu inspizieren, arbeitete an Budgetplänen, schrieb Berichte, sammelte Mineralien, führte eigene Experimente durch, gründete eine Schule für Bergbauarbeiter und schrieb ein Lehrbuch.

Plötzlicher Reichtum

Aber sein Leben sollte sich schon bald grundlegend ändern. Am 18. November 1796 starb Humboldts Mutter. Er, sein Bruder und sein Halbbruder waren nun reiche Männer. Humboldt erbte etwa 90.000 Taler in bar, Grundstücks-Hypotheken und Investitionen. Das war viel Geld bei seinem regulären Jahresgehalt von 400 Talern. Allein die Zinsen, die er einnahm, beliefen sich auf 3000 Taler im Jahr.

Er war ein exzellenter Beamter gewesen und er hatte viel bei seiner Arbeit im Bergbau gelernt. Trotz zahlreiche Angebote seiner Vorgesetzten entschied Humboldt sich für die Freiheit. Die nächsten zweieinhalb Jahre reiste er durch Europa. Es war ein Traum, den er sich erfüllen wollte.

In Paris kaufte er die besten wissenschaftlichen Instrumente, die damals erhältlich waren. Dort lernte er Aimé Bonpland kennen, einen französischen Chirurgen und Botanik-Liebhaber, der ebenfalls auf der Suche nach dem großen Abenteuer war.

Alexander von Humboldt, deutscher Wissenschaftler, Naturalist und Author, in seinen späten LebensjahrenBild: picture-alliance/Prisma Archivo

Im März 1799 wurde Humboldt durch Vermittlung eines sächsischen Diplomaten dem spanischen König vorgestellt. Dieser war so beeindruckt, dass er Humboldt und Bonpland Pässe ausstellte, die es ihnen erlaubten, alle spanischen Territorien in Lateinamerika zu bereisen. Die Mendelssohn Bank in Berlin gab Humboldt den Kredit, den er brauchte. Eine solche Gelegenheit würde sich nur einmal im Leben ergeben, sie war zu gut, um sie nicht zu nutzen.

Zu einer Zeit, als die meisten Menschen sich nie weit von ihrer Heimat entfernten, war Humboldt bereits durch Deutschland gereist und hatte auch viel von Europa gesehen. Er hatte fünf Bücher veröffentlicht, eines davon auf Latein. Mit 29 Jahren war er voller Energie. Aber nicht einmal er selbst konnte ahnen, dass diese Reise ihn auf den – wie man damals annahm – höchsten Berg der Welt führen und ihn zu einem der berühmtesten Männer der Welt machen sollte.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen