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Politik

Werden Afrikas Waffen jemals schweigen?

Silja Fröhlich
3. Januar 2020

Bis 2020 sollten die Waffen in Afrika schweigen – das war der Plan der Afrikanischen Union. Ein großes Ziel, das der Kontinent laut Experten verfehlen wird. Vor allem illegale Waffenströme sind weiterhin ein Problem.

Kindersoldaten in Südsudan
Bild: AFP/Getty Images/Ch. Lomodong

Die Bilder lassen vor Entsetzen erschaudern: Gerade einmal eine Stunde nach Beginn des neuen Jahres sterben bei zwei Massenschießereien in Johannesburg zwei Frauen, 17 Menschen werden teils schwer verletzt. Die Unbekannten schossen wahllos auf Passanten vor einem Restaurant im Stadtteil Melville und auf dem Mary Fitzgerald Square.

"In den letzten Stunden hat Südafrika einen kritischen Punkt bezüglich des Schusswaffen-Problems erreicht", sagt Adèle Kirsten, Direktorin der Anti-Waffen-Organisation Gun Free South Africa. "In Südafrika sterben die meisten Opfer von Waffengewalt bei Raubüberfällen, aber das hier fühlt sich anders an. Es ist wirklich sehr beunruhigend." Südafrika kämpft wie viele andere afrikanische Länder mit Kleinkriminalität, Aufständen und Terrorismus – angefeuert auch durch den Strom von Waffen, die illegal bis über die Grenzen hinweg gehandelt werden.

Die Szene einer der Schießereien am Neujahrsmorgen in Johannesburg, SüdafrikaBild: Getty Images/AFP/J. Krige

Florierender Waffenschmuggel

Dabei wollte die Afrikanische Union (AU) bis 2020 die Waffen eigentlich zum Schweigen bringen. So steht es in einem 2016 verabschiedeten Plan der Staatengemeinschaft. Doch heute ist Afrika von einer Waffenruhe weit entfernt. Laut dem 2019 veröffentlichten "Waffenkompass" der NGO Small Arms Survey sind etwa 35 Millionen unregistrierte Kleinwaffen auf dem Kontinent im Umlauf. Allein in Südafrika sterben laut den neusten Kriminalitätsstatistiken der südafrikanischen Polizei täglich 23 Menschen durch Schusswaffen. "Südafrika hat in den letzten fünf Jahren große Schritte zurück gemacht", beklagt Adèle Kirsten im DW-Interview.

Eines der Hauptprobleme: illegale Waffenströme. "Grenzüberschreitender Waffenhandel ist in Afrika die wichtigste Quelle für illegale Waffen", sagt Nicolas Florquin von Small Arms Survey im DW-Interview. Der Schmuggel könne von Konvois, die Waffen und Munition in großer Zahl transportieren, bis hin zum "Ameisenhandel" reichen, bei dem kleine Mengen von Waffen in geringer Zahl über die Grenzen geschmuggelt würden.

Milizen, Drogenhändler und Wilderer

Hinter dem illegalen Handel stecken häufig kriminelle Banden, lokale Hersteller, korrupte Sicherheitsbeamte oder zurückkehrende Friedenstruppen. Auch Drogenhändler, Milizen und Wilderer sind in den Waffenhandel verwickelt. "Der Strom illegaler Waffen hängt mit porösen Grenzen und schwachen Kontrollen zusammen", erklärt Adèle Kirsten.

Das hat nicht zuletzt in Nigeria Besorgnis ausgelöst: Allein in dem westafrikanischen Land sind laut jüngst veröffentlichten Zahlen des Nationalen Sicherheitsberaters eine Millionen Klein- und Leichtwaffen im Umlauf. Im Kampf gegen den Schmuggel hat die nigerianische Regierung deshalb bereits im Oktober die Grenzen zu den Nachbarländern Kamerun, Benin und Niger schließen lassen.

Trotz der schwierigen Sicherheitslage in manchen Grenzregionen habe diese Maßnahme bereits Erfolge gezeigt, sagt der nigerianische Analyst Abubakar Baba Abdullahi im DW-Interview: "Durch die Schließung der Grenze hat sich der Zustrom der Waffen drastisch verringert." Nun gelte es, die im Umlauf befindlichen Waffen einzusammeln. Dafür hat der nigerianische Polizeichef Mohammed Adamu kürzlich Besitzer von Waffen angewiesen, diese auf der nächsten Polizeistation freiwillig abzugeben – bislang allerdings mit mäßigem Erfolg.

Weniger Waffen durch Amnestie?

In Südafrika hingegen hat dieses Konzept bereits funktioniert. Seit Dezember läuft die vierte "Waffenamnestie" im Land. Schon bei den ersten drei Durchläufen waren so mehr als 100.000 Schusswaffen und 1,8 Millionen Schuss Munition sichergestellt worden. Inhaber von nicht zugelassenen Schusswaffen können diese im Rahmen der Amnestie bei der Polizei abgeben – ohne das Risiko einer Anklage. Das gilt jedoch nur, sollten die Waffen nicht nachweislich in einer Straftat benutzt worden sein.

"Die Forschung zeigt, dass das ein effektiver Mechanismus zur Beseitigung unerwünschter Waffen ist", erklärt die Anti-Waffen-Aktivistin Adèle Kirsten. Seit 1995 haben auch andere afrikanische Länder solche Sammel- und Zerstörungsaktionen durchgeführt. "Die Waffenlobby sagt, es seien nur registrierte Waffenbesitzer, die ihre Waffen abgeben. Aber selbst dann wäre es gut. Es verringert die Gefahr für Unfälle, Mord und Raub", sagt Kirsten. Wichtig sei aber, zu garantieren, dass die Waffen wirklich zerstört würden und nicht etwa ein korrupter Polizist sie zur Hintertür hinausschiebe.

Zu den sogenannten Kleinwaffen zählen Pistolen, Revolver, Sturmgewehre sowie leichte MaschinengewehreBild: Getty Images/AFP/S. Glinski

Grundvoraussetzung gute Regierungsführung

Gerade die Korruption bleibt ein großes Problem im Kampf gegen Schusswaffen. Der Politikwissenschaftler Omar Khalfan von der Universität Ruanda kritisiert, dass auch Regierungen selbst hinter den illegalen Waffenströmen steckten, um etwa Rebellionen zu unterstützen. "Es gibt viele Faktoren, die es unmöglich machen, dass die Waffen in Afrika jemals schweigen werden. Von den 54 Mitgliedsstaaten der AU hat nur eine kleine Anzahl die Grundvoraussetzungen dafür: eine gute Regierungsführung, demokratische Werte und Prinzipien und Rechtsstaatlichkeit."

Nicolas Florquin von Small Arms Survey hingegen sieht dennoch Grund zur Hoffnung. So habe die AU bereits strengere Richtlinien für den Umgang mit Schusswaffen in staatlichem Besitz und bei Friedenssicherungsmissionen eingeführt. Trotzdem müssten Maßnahmen stärker durchgesetzt werden, gerade in kritischen Regionen wie der Sahel-Zone. Und es gebe noch ein Problem: Die Pläne der AU zur Freizügigkeit und zum Freihandel. "Wenn das Recht auf Freizügigkeit gilt, könnten Waffen von einem Land, in dem sie legal gekauft werden können, in Länder transportiert werden, wo sie illegal wären", sagt Florquin. Was die AU nun tun müsse, sei Schlupflöcher wie etwa den Handel von leicht-umbaubaren Imitaten und Munition stärker zu kontrollieren. Dann würden die Waffen zwar in naher Zukunft nicht schweigen, aber könnten immerhin leiser werden.

Mitarbeit: Al-Amin Muhammad

Silja Fröhlich Redakteurin, Reporterin und Moderatorin
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