Während sich Arminia Bielefeld retten kann, muss Werder Bremen nach 40 Jahren den bitteren Gang in die 2. Liga antreten. Der 1. FC Köln bekommt noch eine Chance in der Relegation.
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Wer im entscheidenden Spiel unbedingt einen Sieg benötigt, dann sang- und klanglos mit 0:4 in Rückstand gerät und erst viel zu spät aufwacht, dem fehlen wohl die Argumente. Werder Bremen ist nach 40 Jahren in der Bundesliga zum zweiten Mal in seiner Vereinsgeschichte abgestiegen. Obwohl sie sich viel vorgenommen und kurz vor dem Saisonfinale noch den Trainer gewechselt hatten, begann die entscheidende Partie gegen Borussia Mönchengladbach gleich mit einem Nackenschlag für die Bremer: Keine vier Minuten waren gespielt, da stand es schon 1:0 für die Borussia. Bremen war kurz geschockt, suchte dann aber den Weg nach vorne und kam durch Davie Selke zu einer Riesenchance, die der Angreifer aber kläglich vergab. Alleine vor dem Tor schaffte er es nicht, den Ball an Gladbachs Torhüter Yann Sommer vorbei zu bringen (19.). Der Ausgleich hätte Bremen beflügeln können, doch insgesamt taten die Bremer zu wenig, um sich zu retten. Sie kassierten drei weitere Treffer.
Allerdings stand es bei der Konkurrenz aus Köln lange 0:0, die Bremer waren da noch 16. Erst als aus dem Kölner Stadion die erste Tor-Meldung nach Bremen drang (siehe unten), reagierte Werder und erzielte gegen den erlahmenden Widerstand der Gladbacher zwei Tore. Doch die Treffer von Milot Rashica (81.) und Niclas Füllkrug (83.) reichten nicht mehr. Bremen muss runter. "Es ist eine Riesenenttäuschung und Leere bei mir", sagte Schaaf. "Ich habe es versucht und hatte gehofft, dass ich der Mannschaft noch so viel mitgeben kann, dass es reicht."
Richtig zufrieden waren auch die Gladbacher nicht. Sie verpassten trotz des Sieges die Qualifikation zur neu geschaffenen UEFA Conference League, da Konkurrent Union Berlin sein Heimspiel vor 2000 Zuschauern gegen RB Leipzig mit 2:1 (0:0) gewann und vor der Borussia Siebter blieb.
Bornauw rettet Kölns Überlebenschance
Wie eng Freud und Leid im Fußball - gerade in Zeiten des Videobeweises - beieinander liegen können, bekamen Fans, Spieler und Verantwortliche des 1. FC Köln erst schmerzhaft, dann lustvoll vor Augen geführt. Im Abstiegsendspiel gegen den FC Schalke 04 fehlte den Kölnern lange Zeit ein Tor, um an Werder Bremen vorbei auf den Relegationsplatz zu springen - und das Tor fiel: In der 71. Minute traf Sebastian Andersson nach einer Freistoßflanke. Jubel bei den Kölnern, das Lied vom "Trömmelche" schallte durch das Stadion. Doch dann, kurze Zeit später, Entsetzen in den Kölner Gesichtern: Wegen eines Foulspiels abseits des Balls wurde der Treffer wieder aberkannt. Es stand wieder 0:0 und das große Zittern ging weiter.
Erst kurz vor Schluss brach sich die Freude dann aber doch Bahn: Sebastiaan Bornauw war am langen Pfosten hochgestiegen und hatte per Kopfballaufsetzer das erlösende 1:0 erzielt (86.). "Wir mussten viel arbeiten, haben nie aufgesteckt, auch nicht nach vergebenen Möglichkeiten und dem nicht gegebenen Tor", analysierte Funkel. "Die Mannschaft hat den Glauben nicht verloren." Der Jubel nach dem Abpfiff war groß, allerdings haben sich die Kölner mit dem 1:0 (0:0)-Sieg erst einmal nur in die Relegation gerettet, wo sie in Hin- und Rückspiel gegen Holstein Kiel, den Drittplatzierten der 2. Liga, bestehen müssen.
Weniger schön waren die Szenen, die sich vor dem Kölner Stadion abspielten: Wie die Polizei mitteilte, brannten FC-Anhänger Pyrotechnik ab, zündeten Knallkörper und warfen mit Glasflaschen. Mehrere Polizisten aber auch Fans wurden von den Wurfgeschossen getroffen und erlitten Platzwunden, Schnittverletzungen und Knalltraumata. Zudem wurde ein Mitarbeiter des Westdeutschen Rundfunks durch Schläge und Tritte von einem Angreifer verletzt.
Bielefeld bleibt drin
Lachender Dritter im Abstiegskampf war Aufsteiger Arminia Bielefeld, die als 15. auch mit der besten Ausgangsposition in den letzten Spieltag gestartet waren. Die Arminen hatten beim Spiel in Stuttgart allerdings zunächst Pech, als ein Schuss von Ritsu Doan am Pfosten landete, weil Stuttgarts Atakan Karazor noch den Kopf in die Schussbahn hielt und entscheidend abfälschte (12.). Nach einer guten halben Stunde kam dann Glück hinzu, weil das vermeintliche 1:0 für den VfB wegen einer Abseitsstellung zurückgenommen wurde (34.).
Mitte der zweiten Halbzeit nutzte Fabian Klos einen Foulelfmeter, um Bielefeld in Führung zu bringen (66.). Kurz danach belohnte sich auch "Pfosten-Schütze" Doan, als er doch noch einen Treffer erzielte (72.) und den 2:0 (0:0)-Endstand herstellte.
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Lewandowski macht es spannend
Auf der Jagd nach dem Tor-Rekord von Gerd Müller zierte sich Bayern-Torjäger Robert Lewandowski lange, bevor er sein 41. Saisontor erzielte. Beim ungefährdeten 5:2 (4:0)-Sieg des FC Bayern gegen den FC Augsburg vergab der Pole in der ersten Halbzeit vier gute Möglichkeiten. Erst in der 90. Minute traf er dann doch.
Borussia Dortmund verabschiedete sich mit einem 3:1 (1:0)-Erfolg gegen Bayer 04 Leverkusen in die Sommerpause. Der VfL Wolfsburg unterlag dem FSV Mainz 05 mit 2:3 (0:1). Ebenfalls um nichts mehr ging es in der Partie zwischen der TSG Hoffenheim und Hertha BSC, die 2:1 (0:1) für die TSG endete. Eintracht Frankfurt besiegte den SC Freiburg mit 3:1 (0:0).
Lange Zeit war Werder Bremen ein Bundesliga-Spitzenklub. Die Grün-Weißen holten unter Otto Rehhagel, dann mit Thomas Schaaf viele Titel. Das ist lange her. Jetzt muss der der Klub zum zweiten Mal absteigen.
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Aufstieg mit Rekordbilanz
Nur ein Jahr nach dem Abstieg in die 2. Liga schafft Werder Bremen im Jahr 1981 den Wiederaufstieg. Angeführt vom 35-jährigen Ex-Nationalspieler Erwin Kostedde (l.), der mit 29 Treffern Torschützenkönig wird, stellen die Bremer eine beeindruckende Punktebilanz auf: 30 Siege, acht Unentschieden und nur vier Niederlagen.
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Der König auf der Bank
Aufstiegstrainer ist Otto Rehhagel (2.v.l.), der in den Jahren nach der Rückkehr in die Bundesliga gemeinsam mit Manager Willli Lemke ein Topteam formt. Die beiden "Macher" bleiben von 1981 bis 1995 bei Werder und holen in dieser Zeit viele Spitzenspieler und einige Titel nach Bremen.
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Torgarant Völler
Eines der sportlichen Aushängeschilder in den ersten Jahren nach dem Wiederaufstieg ist Rudi Völler. Als Zweitliga-Torschützenkönig von 1860 München nach Bremen gekommen, wird er in seinem ersten Bundesligajahr mit 23 Treffern auch im Oberhaus bester Torschütze. Bremen wird 1983, 1985 und 1986 Vizemeister. Völler macht in 137 Bundesligaspielen 97 Tore für Werder und wechselt dann 1987 nach Rom.
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Der Kutzop-Elfmeter
Richtig knapp ist es 1986: 33 Spieltage lang sind die Bremer Tabellenführer. Am vorletzten Spieltag kann das Team im Duell gegen den Zweiten, den FC Bayern, alles klar machen. Doch beim Stand von 0:0 schießt Michael Kutzop in der 88. Minute einen Elfmeter an den Pfosten. Am letzten Spieltag wird Bremen noch abgefangen. Der vergebene Strafstoß geht als "Kutzop-Elfmeter" in die Liga-Geschichte ein.
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Endlich Meister
1988 ist es so weit: Werder Bremen gewinnt die Deutsche Meisterschaft, die zweite nach dem ersten Titel von 1965. Otto Rehhagels Team ist eine gute Mischung aus jüngeren und sehr erfahrenen Spielern, wie dem 38-jährigen Stürmer Manfred Burgsmüller (mit Meisterschale). Mit nur 22 Gegentoren gewinnt vor allem die gute Abwehr diese Meisterschaft für Werder.
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Abwehrchef und Vorbild Bratseth
Wichtigster Spieler im Bremer Team ist damals der Norweger Rune Bratseth. 1987 an die Weser gewechselt, erlebt Bratseth als Abwehrchef die erfolgreichste Zeit der Bremer und gestaltet sie aktiv mit. Otto Rehhagel schätzt Bratseth aber nicht nur als Spieler, sondern auch wegen seines Charakters. Und weil er stets als fairer Sportsmann auftritt.
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Sieg im Europapokal
Zwischen den Meisterschaften von 1988 und 1993 sowie den DFB-Pokalsiegen 1991 und 1994 gelingt Werder 1992 auch ein Erfolg im Europapokal. Im Cup der Pokalsieger setzt sich Bremen im Finale gegen AS Monaco mit 2:0 durch. Die Tore zum ersten und bisher auch einzigen Europacup-Erfolg des SV Werder erzielen Klaus Allofs und Wynton Rufer.
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Erfolglose Zwischenzeit
1995 endet die Ära Rehhagel und damit auch die Zeit der Erfolge. Der Trainer wechselt zum Rivalen FC Bayern. Werder sucht nach einer neuen Identität und nach einem geeigneten Trainer, der in "König Ottos" Fußstapfen treten kann. Aad da Mos, Dixie Dörner (Foto) und Wolfgang Sidka scheitern. Der Klub ist nur noch Mittelmaß und kämpft 1999 sogar gegen den Abstieg.
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Retter-Duo Schaaf/Allofs
Der Erfolg stellt sich erst wieder ein, als kurz vor dem Saisonende 1999 Thomas Schaaf (l.) den Cheftrainerposten übernimmt. Mit Klaus Allofs (r.) ist damals seit einigen Monaten ein anderer Ex-Spieler von Otto Rehhagel Sportdirektor. Schaaf schafft die Wende: In den abschließenden drei Saisonspielen gelingen zwei Siege, Werder beendet die Spielzeit auf Rang 13.
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Rost als Elfmeterheld
Außerdem hat es Werder 1999 bis ins DFB-Pokalfinale geschafft. Dort wartet mit dem FC Bayern der große Favorit. Doch die Bremer halten bis zum Ende der Verlängerung ein 1:1-Unentschieden. Im Elfmeterschießen wird dann Torhüter Frank Rost zum Helden. Beim Stand von 5:4 hält er den entscheidenden Elfmeter von Lothar Matthäus und sichert Bremen den Pokal.
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Dauergast in der Champions League
Die Bremer entwickeln sich unter Schaaf und Allofs erneut zu einem Spitzenteam. In den nächsten Jahren ist Werder fast immer unter den Top-Drei der Bundesliga und damit Dauergast in der Champions League. Die Stars der Mannschaft sind Miroslav Klose (l.), Torsten Frings, Naldo, Diego und Per Mertesacker (r.).
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Double-Sieger
Die erfolgreichste Saison wird die Spielzeit 2003/2004. Bremen dominiert die Bundesliga und verliert insgesamt nur vier Spiele. Mit sechs Punkten Vorsprung vor dem FC Bayern gewinnt Werder seine vierte und bisher letzte Meisterschaft. Ailton (Foto) wird mit 28 Treffern Torschützenkönig. Und auch im Pokal setzen sich die Bremer durch: mit 3:2 gegen Zweitligist Alemannia Aachen.
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Der letzte Titel
Der Abschluss der zweiten Bremer Erfolgsära ist im Jahr 2009 einmal mehr der Sieg im DFB-Pokal. Mesut Özil erzielt im Finale gegen Bayer Leverkusen den entscheidenden Treffer zum 1:0-Sieg. Was damals noch niemand ahnt: Es wird vorerst der letzte Titel für die Bremer sein. Zwar wird man 2010 in der Bundesliga noch einmal Dritter, doch danach geht es auch hier abwärts.
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Absturz ins Mittelmaß
In den Folgejahren verpasst Werder immer wieder den Europapokal und gerät in einen Teufelskreis. Der Kader ist zu teuer, Stars müssen abgegeben werden. Doch ohne herausragende Spieler ist man mit den anderen Europapokal-Anwärtern nicht mehr konkurrenzfähig. Personell gibt es Veränderungen: Thomas Eichin (r.) löst Klaus Allofs als Sportdirektor ab, Robin Dutt (l.) wird Schaaf-Nachfolger.
Bild: Imago Images/Team 2
Neuanfang mit Stallgeruch
Die Erfolge bleiben aus, der Verein kommt nicht zur Ruhe. Bremen versucht daher, mit Personen zusammen zu arbeiten, die das "Werder-Gen" in sich tragen. Auf der Trainerbank folgt Ex-Spieler Viktor Skripnik (r.) auf Dutt. Ihm zur Seite stehen Torsten Frings (2.v.r.) und der heutige Cheftrainer Florian Kohfeldt (l.).
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Kurze Lichtblicke
Unter Skripnik-Nachfolger Alexander Nouri schafft Bremen in der Saison 2016/17 als Achter einen einstelligen Tabellenplatz. Das liegt vor allem an der guten Offensive, die vom Sturmduo Max Kruse (l.) und Serge Gnabry angeführt wird. Kruses Treffer sind es auch, die Bremen unter Trainer Florian Kohfeldt 2019 erneut auf Rang acht bringen - ein Punkt und vier Tore fehlen zur Europa-League-Teilnahme.
Bild: imago/Nordphoto
Gerade so durch die Relegation
Am letzten Spieltag der Saison 2019/2020 schafft Bremen mit dem 6:1 gegen Köln den ersten Bundesliga-Heimsieg seit 300 Tagen und rettet sich in die Relegation. Dort reicht nach einem 0:0 im Hinspiel gegen den 1. FC Heidenheim im Rückspiel ein 2:2, um weiterhin in der Bundesliga zu bleiben. "Sorry für die Scheißsaison", sagt Trainer Kohfeldt.
Bild: picture-alliance/gumzmedia/nordphoto
Schwächephase am Saisonende
2020/21 soll alles besser werden - wird es aber nicht, abgesehen vom DFB-Pokal, wo man das Halbfinale erreicht. Zunächst verliert die Mannschaft im Sommer mit Davy Klaassen kurz vor Transferschluss seinen Leader. In der Tabelle bewegt sich Werder im Mittelfeld und hat mit dem Abstieg im Grunde nichts zu tun. Doch gegen Ende der Saison reiht sich Niederlage an Niederlage und Bremen rutscht ab.
Bild: Cathrin Mueller/REUTERS
Kein Schaaf-Effekt
Nach 33 Spielen zieht der Klub die Reißleine und trennt sich von Kohfeldt. "Altmeister" und Werder-Ikone Thomas Schaaf soll den Klassenerhalt sichern. Doch im letzten Spiel gegen Mönchengladbach verlieren die Bremer mit 2:4 und werden von Konkurrent Köln überholt. Nach 40 Jahren steht damit der zweite Abstieg aus der Bundesliga fest.