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Digitale Werkzeuge für Freiheitskämpfer

Silke Wünsch26. April 2012

In unfreien Staaten ist auch das Internet nicht frei - Regierungen kontrollieren, blockieren und schalten ab. Findige Netzaktivisten wissen allerdings, wie sie Repressalien umgehen können. Drei Beispiele.

Protesters take part in a demonstration for fair elections on Novy Arbat Street in central Moscow March 10, 2012. People gathered to protest against violations during the parliamentary elections in December 2011 and at the recent presidential elections on March 4, according to organizers. REUTERS/Sergei Karpukhin (RUSSIA - Tags: POLITICS CIVIL UNREST ELECTIONS)
Russland Proteste für Faire WahlenBild: Reuters

Wahlbeobachter in Russland sind nicht gerne gesehen bei den Mächtigen im Kreml. Deswegen bekommen sie wenig Unterstützung aus Moskau. Die holen sie sich aus dem Ausland, wofür sie als westliche Kollaborateure und Spione beschimpft werden. So stellt Ksenia Sokolova die Situation dar. Sie ist Mitglied der russischen Wahlhelferorganisation "Golos". Die Nichtregierungsorganinsation wurde im Jahr 2000 gegründet und versucht seitdem, Wahlen in dem riesigen Staat für alle transparent zu machen, Wahlverstöße aufzudecken und die Bevölkerung aufzuklären.

So zeigt die Internetseite unter anderem eine Karte, auf der man sehen kann, aus welchen Städten Russlands während der vergangenen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen die meisten Wahlverstöße gemeldet wurden. Damit diese Karte überhaupt zustande kommen konnte, waren die Betreiber von "Golos" auf die Hilfe der russischen Bürger angewiesen. Sie fungierten als freiwillige Wahlbeobachter, das heißt: Sobald sie eine Unregelmäßigkeit entdeckten, konnten sie auf der Webseite angeben, um welchen Verstoß es sich handelte. Beispiele: wenn zu viele Stimmzettel abgegeben oder Öffnungszeiten der Wahllkokale nicht eingehalten wurden, von illegaler Werbung bis hin zu Nötigung der Wähler oder der Verletzung des Wahlgeheimnisses. Natürlich mussten diese Meldungen auch belegt werden. So sind bei den vergangenen Wahlen mehr als 5200 Verstöße gemeldet worden.

Kritisch, aber nicht politisch

Golos-Aktivist im Gespräch mit westlichen MedienBild: dapd

Die Seite wird immer populärer – jeder, der sich über Politik ärgere, sagt Ksenia Sokolova, kenne die Seite von "Golos". In den Ballungszentren ist das Netzwerk vielen bekannt, doch in den einsamen Landstrichen sei es sehr schwer, die Menschen zu erreichen. "In manchen Gegenden Russlands sind die Leute so hinterm Berg, dass sie gar nicht wissen, was Internet ist", erzählt Ksenia Solokova.

"Golos" will aufmerksam machen, Daten sammeln, sie veröffentlichen und den Mitbürgern Missstände und Fehlverhalten der Regierung darlegen. Von den Antiregierungsdemonstrationen will "Golos" Abstand halten. "Wir wollen niemanden zu Aktionen anstiften", so Ksenia. Es klingt fast so, als wolle man es sich mit dem Kreml nicht verderben. "Im Gegensatz zur Presse- und Meinungsfreiheit ist das Internet in Russland frei", sagt Ksenia. Trotzdem wurden ihre E-Mails geknackt und die Seite von "Golos" war am Wahltag kurzzeitig nicht mehr zu erreichen, weil sie geblockt wurde.

Internetsteinzeit in Kuba

Das Netz in Kuba ist etwa so schnell wie eine Modemverbindung aus den 1990er Jahren. Das ist nicht die einzige Hürde für die "Internatuas", die kubanischen Internetnutzer. Die Zugänge sind sehr teuer, kaum ein Mensch kann sich einen Anschluss leisten. Internetcafés gibt es zwar, doch die sind teuer. Nicht selten kostet eine Stunde surfen ein ganzes Monatsgehalt. So hält man die Nutzer klein in Kuba – die politische Führung will vermeiden, dass zu viele Wahrheiten ins Land und nach außen dringen.

Kreative Hilfe kommt von außen. In Schweden lebt der kubanische Exilblogger Julio César. Er wirkt an der Webseite "Misceláneas de Cuba" mit. Hier werden Missstände aufgezeigt, hier kann man lesen, welche Schriftsteller als Dissidenten verhaftet wurden, wer nach kritischen Äußerungen spurlos verschwunden ist. Aktivisten kommen zu Wort, oppositionelle Gruppen werden vorgestellt. Julio betreibt das Blog der Organisation. Er interagiert mit Usern innerhalb und außerhalb Kubas. Wichtigstes Ziel ist es, die Demokratisierung Kubas voranzutreiben.

Per SMS in die Welt hinaus

Um möglichst effektiv zu sein, muss man natürlich die technischen Hürden überwinden. So ist es möglich, von Kuba aus Kurznachrichten an eine Telefonnummer im Ausland zu senden. Die werden dann im Blog veröffentlicht. In Kuba selber haben die User Wege gefunden, um heimlich ins Netz zu kommen. Sie nutzen die freien Zugänge in öffentlichen Bibliotheken, Universitäten und in Touristenhotels. Das muss natürlich dezent geschehen, erwischen lassen sollte man sich nicht dabei.

"Uns geht es gut", steht auf dem PlakatBild: AP

Facebook ist übrigens in Kuba zugänglich. Allerdings werde es von der Regierung zu Propagandazwecken genutzt, beklagt Julio César. Dennoch steigt die Zahl der kubanischen Facebook-User. Wenn die Internetverbindungen schneller werden, wird es für die Regierung nicht mehr so einfach sein, das noch kleine kubanische Netz zu kontrollieren.

"Früher wurde getrommelt, jetzt wird getwittert"

In Simbabwe sind die Menschen politikmüde geworden. Von einem funktionierenden Gesundheitssystem oder einem vernünftigen Zugang zur Bildung sind die knapp 13,5 Millionen Simbabwer weit entfernt, auch vier Jahre nach den letzten Präsidentschaftswahlen. Immer noch hält Präsident Robert Mugabe die Zügel in der Hand und sein Volk klein. Viele verlassen das Land. Das Regime kontrolliert das Internet, filtert Informationen, hackt private Mailaccounts, auch die von Journalisten. Nach dem arabischen Frühling ist man besonders nervös geworden und beäugt argwöhnisch die Aktivitäten in den Sozialen Netzwerken.

Obwohl die Internet-Infrastruktur noch sehr klein ist, sind in Simbabwe schätzungsweise zwei Millionen Menschen online. Twitter und Facebook sind allen Usern ein Begriff. Etwa eine Million Simbabwer sind bei Facebook registriert, die meisten sind zwischen 19 und 49 Jahre alt. Und die nutzen das Netzwerk größtenteils auf eher – für die Regierung – harmlose Weise: Man tauscht sich über Fußball, Partys und Mode aus. "Auch Sex ist ein riesengroßes Thema", erzählt Masimba Biriwasha. Er engagiert sich im Netzwerk "iZimbabwe" und möchte den Usern dabei helfen, das Medium Internet kritischer zu nutzen. "iZimbabwe" will aufklären, Denkanstöße geben. Und zeigt dabei ein sicheres Gespür für die User. So wechseln sich kritische Beiträge mit der neusten Schuhmode ab, Politik steht neben Lifestyle.

"Wir wollen den Leuten zeigen, wie Social Media Botschaften verstärken kann", erklärt Masimba Biriwasha. "Was wir früher mit Trommeln getan haben, können wir heute genauso mit Twitter erreichen."

Schon lange ein Kommunikationsmittel in Zimbabwe: das SatellitentelefonBild: picture-alliance/ dpa

Zugang zu Information ist wichtig

Dabei ist Glaubwürdigkeit das oberste Gebot. Alle Informationen müssen korrekt sein, sogar journalistischen Richtlinien entsprechen, so Biriwasha, andernfalls könne man die Seite sofort wieder schließen. So seien die politischen Inhalte zwar durchaus kritisch, aber: "Unsere Rolle ist es nicht, mit dem Finger auf die Regierung zu zeigen und zu sagen: 'Du bist ein böser Diktator'."

Noch sind Seiten wie "iZimbabwe" keine Bedrohung für die Regierung. Denn noch sind viel zu wenig Menschen in Simbabwe online - das heißt, die meisten bekommen einfach nicht mit, was im Netz geschieht. Aber auch hier setzt sich Biriwasha ein: In Dörfern und ländlichen Gegenden werden Hotspots und frei zugängliche Internetcafés eingerichtet, meist mit einfachsten Mitteln. Aber so können immer mehr Menschen am Leben im Netz teilhaben.

Auf Facebook hat "iZimbabwe" mittlerweile fast 11.000 Fans. Masimba Biriwasha und seine Kollegen konnten ihre Arbeit bisher ungehindert machen.

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