Wirtschaftspionier Werner Otto
27. Dezember 2011"Wer Angst vor Niederlagen hat, sollte kein Unternehmer werden", soll Werner Otto einmal gesagt haben. Er selbst jedenfalls hatte keine Angst, als er, gerade mit einer Schuhfabrik in Hamburg gescheitert, einen Versandhandel aufmachte. Angeblich 6000 D-Mark hatte er zur Verfügung, als er 1949 mit vier Mitarbeitern im vom Krieg zerstörten Hamburg den Otto-Versand gründete. Das erste Angebot, das Werner Otto seinen Kunden machen konnte, war noch sehr übersichtlich: 28 Paar Schuhe.
Mit Textilien aus Militärbeständen kam der Erfolg. Als ihm daraus verschiedene Posten angeboten wurden, griff Werner Otto zu. "Marinehosen wurden uns aus den Händen gerissen", erinnerte sich der Unternehmensgründer später. "Da merkten wir: Textilien gehen ja noch viel besser. Die waren schneller verkauft, als wir überhaupt dachten." In den fünfziger Jahren wuchs das Unternehmen schwindelerregend schnell, bereits 1955 setze es 28 Millionen D-Mark um. In den folgenden Jahrzehnten wurde die "Otto-Group" zur größten Versandhandelsgruppe der Welt.
Kaufhäuser ohne Kaufhäuser
Während der eigentliche Otto-Versand, seit 1981 unter der Leitung des ältesten Sohnes Michael, zu einem global agierenden Konzern umgebaut wurde, erschloss Firmengründer Otto ein neues Geschäftsfeld: Mit der ECE baute er ab 1965 ein weiteres erfolgreiches Unternehmen auf. Die ECE (KG Einkaufs-Center Entwicklung mbH) plant, realisiert und verwaltet Einkaufszentren, Bürohäuser und Verkehrsimmobilien. Heute wird das Unternehmen vom jüngsten Sohn Werner Ottos, Alexander, geleitet.
Die Gründung der ECE belegt, wie Werner Otto die Zeichen der Zeit erkennen und sich darauf einstellen konnte: Noch bevor die Ära der großen Warenhäuser wie Horten oder Karstadt zu Ende ging, erwies sich das Modell von Einkaufszentren in Innenstadtlage als richtungsweisend: Es sind inzwischen tatsächlich nicht mehr die großen Kaufhäuser, die in diesen diversifizierten "Kaufhäusern" das große Geschäft machen. Es sind vielmehr kleinere Fachgeschäfte, die, an einem Ort konzentriert, ihre Waren an den Käufer bringen.
Der Otto-Katalog
Über Jahrzehnte wurde der Otto-Versand mit seinem Katalog identifiziert. Aus der Werbung war jedem Kind in Deutschland bekannt, wie leicht man den Hunderte Seiten dicken Katalog bestellen konnte. Als Anschrift genügte: "Otto-Versand, Hamburg" und die bunte Waren-Bibel kam ins Haus. Inzwischen spielt der Katalog nicht mehr diese bestimmende Rolle – der Vertrieb findet nun über das Internet statt.
Zum Erfolg des Otto-Versandes hatten vor allem zwei Maßnahmen beigetragen: Zum einen konnte der Kunde per Rechnung bezahlen – bis dahin waren Warenlieferungen lediglich durch Nachnahmesendungen üblich. Und zum anderen hatte Werner Otto stets auf Qualität statt niedrige Preise gesetzt – das beförderte das bis dahin etwas anrüchige Image des Versandhandels. Der Kunde sah sich nun nicht mehr dem Verdacht ausgesetzt, er wolle nur möglichst billig einkaufen, denn die Waren aus dem Otto-Versand standen von Anfang an im Ruf, von guter Qualität zu sein.
Erfolg auch im 21. Jahrhundert
Die "Otto-Group" gehört auch mehr als 60 Jahre nach Gründung des Otto-Versandes zu den großen Versandhandelshäusern der Welt. 2010 machte der Konzern einen Jahresumsatz vom 11,4 Milliarden Euro. Rund 50.000 Mitarbeiter in 20 Ländern arbeiten für den Konzern, der sein Geschäft in drei Segmente aufgeteilt hat: Einzelhandel, Service und Finanzdienstleistungen.
Der 1949 gegründete Otto-Versand gehörte zu den großen Erfolgsgeschichten des sogenannten Wirtschaftswunders im Nachkriegsdeutschland. Die daraus hervorgegangenen Unternehmen "Otto-Group" und ECE setzen diesen Erfolg auch im 21. Jahrhundert fort. Der 1909 in der Mark Brandenburg geborene Unternehmer Werner Otto ist, wie erst an diesem Dienstag (27.12.2011) bekannt wurde, am 21. Dezember 2011 in Berlin gestorben.
Autor: Dirk Kaufmann
Redaktion: Klaus UIrich