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West-Nil-Virus: Wie Mücken tropische Viren heimisch machen

19. Juni 2025

Gefährliche Viren breiten sich auf der Nordhalbkugel aus - auch durch Stechmücken. Das West-Nil-Virus hat sich so längst in Deutschland etabliert. Wie wir uns schützen können und warum Artenvielfalt gegen Viren hilft.

Hausmücke, Gemeine Stechmücke, Culex pipiens
Das West-Nil-Virus kommt ursprünglich aus den Tropen. Übertragen wird es allerdings von der einheimischen Gemeinen Stechmücke.Bild: R. Sturm/blickwinkel/picture alliance

Früher musste Sandra Junglen für ihre Forschungen weit nach Süden reisen. Die Biologin arbeitet am Institut für Virologie der Charité in Berlin und ist Expertin für Arboviren, zu denen alle von Stechmücken übertragenen Viren zählen. Und die sind längst nicht mehr nur ein Problem des globalen Südens.

Die von Mücken übertragenen Viren verursachen Krankheiten wie Denguefieber, Gelbfieber oder Zika und sind in vielen Ländern in Asien, Südamerika und Afrika ein großes Problem. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) erreichten allein die weltweiten Dengue-Fälle 2023 ein Rekordhoch: 6,5 Millionen Menschen infizierten sich.

"Mücken sind die tödlichsten Tiere der Welt", sagt Junglen. Jedes Jahr sterben rund 725.000 Menschen an Krankheiten, die von Mücken übertragen werden.

Um von Mücken übertragene Viren zu erforschen, muss die Biologin mittlerweile nicht mal Berlin verlassen. Denn es gibt ein Arbovirus, das sich im Osten Deutschlands erfolgreich etabliert hat und ausbreitet: das West-Nil-Virus (WNV).

Was ist das West-Nil-Fieber?

In den meisten Fällen merken WNV-Infizierte gar nichts. Etwa jeder Fünfte bekommt spätestens 14 Tage nach der Infektion grippeähnliche Symptome mit Fieber, Schüttelfrost, Kopf- und Gliederschmerzen – das West-Nil-Fieber. Nach drei bis sechs Tagen ist der Spuk meist vorbei.

Bei einer von 100 Personen greift das Virus das zentrale Nervensystem an, es kann zu Hirnhaut- oder Gehirnentzündungen führen und bleibende Schäden verursachen. Fünf bis zehn Prozent dieser sogenannten neuroinvasiven Erkrankung verlaufen tödlich.

Hauptüberträger des West-Nil-Virus: Die Gemeine Stechmücke

Das West-Nil-Virus wird hauptsächlich von der auch in den nördlichen Breiten heimischen Gemeinen Stechmücke (Culex pipiens) übertragen. Das Virus selbst gelangte aus den Tropen mit Zugvögeln in nördlichere Breiten.

Dieses Virus wird nicht von einer invasiven Art wie der Tigermücke übertragen, sondern von der seit jeher in den nördlichen Breiten heimischen Gemeinen Stechmücke (Culex pipiens). 

2018 wurde das WNV, das mit Zugvögeln aus den Tropen nach Europa gelangte, erstmals bei Vögeln und Pferden in Deutschland gefunden. 2024 hatte es bereits vereinzelt Tiere in fast allen deutschen Bundesländern infiziert. Seit 2019 wird das Virus immer wieder bei Menschen nachgewiesen, überwiegend in Ostdeutschland.

Woher bekommt die Mücke das Virus?

Damit Mücken ein Virus übertragen können, müssen sie sich zunächst selbst infizieren. Es sind ausschließlich die Mückenweibchen, die stechen. Sie brauchen das Blut ihres Opfers für die Ei-Produktion.

Im Falle von WNV laben sich die Mücken an wildlebenden Vögeln: Die Mücke sticht ein infiziertes Tier und überträgt das Virus bei der nächsten Blutmahlzeit auf einen weiteren Vogel.

Während manche Vögel an der Infektion sterben, tragen andere das Virus unbehelligt in sich, ohne krank zu werden. "Wir wissen allerdings nicht, welche Vögel in Europa diejenigen sind, in denen sich das Virus besonders gut vermehrt", sagt Junglen.

Die Mücken können das Virus auch auf Säugetiere, vor allem auf Pferde und Menschen übertragen. Allerdings ist dann Schluss mit der Übertragungskette: Menschen und Pferde sind sogenannte Fehlwirte, in denen sich das Virus nicht gut vermehren kann. Deshalb sind weder Menschen noch Pferde eine Virusquelle für Mücken und nicht ansteckend.

Warum breiten sich durch Mücken übertragene Krankheiten aus?

Die steigenden Temperaturen haben einen starken Einfluss auf die Mücken und ihr Potential, Krankheiten zu übertragen", sagt Sandra Junglen. Mit anderen Worten: Der Klimawandel ist ein Segen für die Blutsauger.

"Dadurch wird die aktive Zeit der Mücken länger: Sie schlüpfen früher, stechen häufiger, haben einen verkürzten Generationszyklus und legen mehr Eier", erklärt die Forscherin. Alle Mückenarten brauchen zudem Wasser, in das sie ihre Eier legen und in dem die Larven schlüpfen. Wärme und ein bisschen Regen reichen und die Mückenpopulationen explodieren.

Und auch die Viren lieben warme Temperaturen: "Das Virus ist bei erhöhten Temperaturen besser in der Lage, sich in der Mücke zu vermehren und in die Speicheldrüsen zu gelangen", sagt Junglen. Von dort ist es nur noch ein Stich bis zur Infektion des nächsten Wirts.

Länder wie Frankreich, Spanien und Italien haben längst ein eigenes Dengue-Problem: Dort hat sich nicht nur die aus dem Asiatisch-Pazifischen Raum stammende Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus) erfolgreich etabliert.

Auch das Dengue-Virus, das von dieser Mückenart übertragen wird, ist in diesen Ländern autochthon. Das bedeutet, dass es nicht mehr durch Reiserückkehrer eingeschleppt wird, sondern bereits lokal zirkuliert und übertragen wird. "Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir diese Situation auch in Deutschland haben", sagt Junglen.

Die Larven aller Mückenarten brauchen Wasser, um schlüpfen und sich entwickeln zu können.Bild: A. Hartl/blickwinkel/picture alliance

Mehr Mücken heißt nicht immer mehr Viren

Es sind nicht ausschließlich die steigenden Temperaturen auf der Nordhalbkugel, die den Mücken – einheimischen wie invasiven Arten - zu Gute kommen. Sondern auch die schwindende Artenvielfalt, die in einem intakten Ökosystem für Stabilität sorgt.

Sandra Junglen sieht das in Berlin. Die Forscherin und ihr Team untersuchen die Mücken- und WVN-Dichte an verschiedenen Standorten der Stadt: von Betonwüsten über Friedhöfe bis hin zu einem Naturpark.

Die Erkenntnis: Auf Friedhöfen sind besonders viele Mücken und Viren. Dort sind Pflanzen, es gibt Wasser und deshalb auch ein paar Tiere, die den Mücken als Wirte dienen können. Im renaturierten Naturpark sei die Mückendichte sogar noch größer, sagt Junglen. Das West-Nil-Virus finden die Forschenden dort hingegen kaum. Das habe mit der Artenvielfalt an dem Standort zu tun.

"Viel Biodiversität reduziert das Vorkommen von Pathogenen. Jedes Pathogen braucht einen Wirt und je diverser ein Ökosystem, desto geringer ist die Dichte einzelner Wirte und damit der Viruslast", so Junglen.

Schutz vor WNV: Mückenstiche verhindern

Da es weder einen Impfstoff, noch eine spezielle Behandlung nach der Infektion mit dem West-Nil-Virus gibt, bleibt nur der Schutz vor den Stichen selbst: langärmelige Oberteile und Hosen erschweren den Mücken das Stechen. Ebenso wie Moskitonetze und Fenstergitter.

Wer einen Garten hat, sollte darauf achten, den Mücken keine Brutplätze zu bieten: Mücken lieben Wasseransammlungen in Töpfen oder Wassertonnen. Auch für den Garten gilt, je höher die Artenvielfalt, desto besser: Fledermäuse, Frösche oder Spinnen haben Mücken zum Fressen gern.

Julia Vergin Teamleiterin in der Wissenschaftsredaktion mit besonderem Interesse für Psychologie und Gesundheit.
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