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Gesellschaft

Westafrika bekommt Appetit auf Lokales

Katrin Gänsler
1. Februar 2021

Traditionelle Gerichte galten in Westafrika lange als altmodisch und vor Ort verarbeitete Produkte als minderwertig. Das ändert sich mittlerweile. Trotzdem stehen Produzenten vor vielen Herausforderungen.

Cotonou, Benin Lokale Produkte Händler  Restaurant Mille et une Bouillies
Im "Mille et une Bouillies" in Coutonou kommen alle Zutaten aus BeninBild: DW/Katrin Gänsler

Es ist später Vormittag in Cotonou, der Hafenmetropole Benins. In das kleine Restaurant "Mille et une Bouillies", das im ersten Stock am vielbefahrenen Boulevard Saint Michel im Zentrum liegt, dringt der Lärm der Autos. An drei Tischen sitzen Gäste und frühstücken. Alle haben sich für ein Gericht entschieden, das typisch für das Restaurant ist: Bouillie, ein aus Hirse, Erdmandeln oder getrockneter Maniokwurzel zubereiteter Brei. Je nach Machart schmeckt er süßlich oder säuerlich. Wer mag, rührt Milch unter. Dazu gibt es kleine Teigtaschen, mit Fisch, Hühnchen oder Rind gefüllt.

Es ist das Traditionsfrühstück in Benin: "Damit sind wir aufgewachsen. Kaffee und Tee haben wir als Kinder gar nicht zum Frühstück gekannt", sagt Inhaberin Adizath Bouko Idrissou. Dass man seine Bouillie in einem Restaurant isst, ist eher ungewöhnlich. Üblicherweise verkaufen sie die Frauen überall am Straßenrand. Gegessen wird das Gericht oft in Eile und auf einer Holzbank sitzend. Idrissou hat die Bouillie wieder salonfähig gemacht, gegen anfänglichen Widerstand ihrer Familie. "Es ist eine Arbeit, die nicht geschätzt wird, eine, die ansonsten von Personen ohne Ausbildung ausgeübt wird", sagt die 37-Jährige, die zuvor in Marketing- und Kommunikationsfirmen gearbeitet hat.

Das Essen der Vorfahren

Doch in Benin gibt es eine Rückbesinnung auf traditionelles Essen und lokale Produktion, und Adizath Bouko Idrissous 2013 gegründetes Unternehmen spiegelt diesen Trend. Es ist die Suche nach gesunden Mahlzeiten mit bekannten Inhaltsstoffen und Bioprodukten. "Wir kehren zu dem zurück, was unsere Vorfahren gegessen haben", sagt Miriam, die gerade ihre Tapioka-Bouillie - aus Maniok zubereitet - aufgegessen hat. Was ihr hier gefällt, ist die Mischung aus Tradition und Modernität. "Die traditionellen Rezepte sind weiterentwickelt worden." Auch gebe es eine Wertschätzung für lokale Zutaten.

Adizath Bouko Idrissou betreibt in Cotonou das Restaurant "Mille et une Bouillies"Bild: DW/Katrin Gänsler

An der fehlt es bis heute vielerorts. In großen Supermärkten in ganz Westafrika ist es kein Problem, Mineralwasser aus Frankreich, Hundefutter aus Belgien oder südafrikanische Schokoriegel zu kaufen. Doch eine große Angebotspalette aus dem eigenen Land oder den Nachbarländern sucht man oft vergeblich. Immerhin schaffen es nun häufiger Säfte, Gewürze und Getreide in die Regale. Einige Geschäfte wie Discount Market in ACI 2000, einem Büroviertel in der malischen Hauptstadt Bamako, haben jedoch lokale Ecken eingerichtet. Dass die Vermarktung mitunter schleppend läuft, liegt nach Einschätzung von Nabou Touré, die in Mali die Kosmetikmarke Karesmetique gegründet hat und vegane Cremes aus Sheabutter produziert, auch an einem Imageproblem: "Lange sind die Produkte als minderwertig angesehen worden."

Weiterverarbeitung schafft Arbeitsplätze

Dabei wird seit Jahrzehnten in ganz Westafrika immer wieder darüber diskutiert. In den 1980er-Jahren warb der damalige Präsident von Burkina Faso, Thomas Sankara, dafür. Mit lokaler Produktion sollte sich das Land von externer Hilfe unabhängig machen. Wird Getreide, Obst und Gemüse weiterverarbeitet, schafft das schließlich Arbeitsplätze. Auch in Cotonou hat Adizath Bouko Idrissou zwölf Angestellte. Vor dem Corona-Ausbruch waren es sogar doppelt so viele.

Nabou Touré hat in Mali die Marke Karesmetique gegründetBild: DW/Katrin Gänsler

Diese Bedeutung erkannte auch die Westafrikanische Währungs- und Wirtschaftsunion (UEMOA) und ernannte den Oktober 2020 zum Monat des lokalen Konsums. Schon zuvor waren lokale Initiativen entstanden. In Mali gründete sich die Initiative "Made in Mali", die unter anderem auf Märkten die große Produktpalette vorstellt. Dort erlebt Nabou Touré im Austausch mit lokalen Produzenten, wie vielfältig die Herausforderungen sind. Für ihre Kosmetikprodukte bekomme sie nicht alle Inhaltsstoffe vor Ort, sondern müsse einige aus Europa einführen. Mali ist ein Binnenstaat, und die nächsten Häfen sind viele hunderte Kilometer entfernt. "Alles ist teurer, alles ist komplizierter. Es ist sehr komplex."

Probleme mit Verpackung und Barcode

Ein Problem eint alle Produzenten: die Verpackung, egal, ob Papiertüten oder PET-Verpackungen. "Es ist extrem schwierig, das hier zu machen", sagt Nabou Touré. Gerade in ihrem Bereich, der Kosmetik, sei eine attraktive Gestaltung besonders wichtig. Um den Einzug in den Supermarkt zu schaffen, ist außerdem ein Barcode notwendig.

Im BoBaR in Lomé, der Hauptstadt von Togo, ist das kein Problem mehr. Das Geschäft liegt am Ufer des kleines Sees Lac Est und hat rund 400 togoische Produkte im Angebot. 700 bis 800 verpackte - Obst und Gemüse, das am Straßenrand gekauft wird, nicht mitgerechnet - gibt es insgesamt, schätzt Tata Yawo Ametoenyenou, Direktor der Organisation für Nahrung und lokale Entwicklung (OADEL). 2003 gründete sie sich und hat heute neben dem Geschäft, das einen Jahresumsatz von knapp 46.000 Euro hat, eine Bar mit Restaurant. Hier ist die Botschaft klar: "Softdrinks aus dem Ausland oder von Brauereien hergestellt, verkaufen wir nicht." Das stößt nicht immer auf Verständnis, so Tata Yawo Ametoenyenou.

Tata Yawo Ametoenyenou setzt sich seit 2003 für Produkte aus Togo einBild: DW/Katrin Gänsler

Kunden müssen die Wahl haben

Kunden würden sich mitunter beschweren und lieber anderswo Cola oder Fanta kaufen und umgerechnet 15 bis 30 Cent sparen, anstatt Säfte aus Togo zu trinken. Auch das gilt als Problem: Importierte Waren sind mitunter noch immer günstiger. Besonders deutlich wurde das lange bei Reis aus Asien, der die Märkte überschwemmte. Heute, sagt Tata Yawo Ametoenyenou, sei der heimische Reis mitunter so beliebt, dass es Lieferengpässe gibt.

Ziel ist es allerdings nicht, alle importierten Produkte zu verbannen. Der OADEL-Direktor möchte jedoch, dass die Kunden die Wahl haben. "Es sollte immer ein eingeführtes und ein lokales Produkt geben und zwar überall." Deswegen müssten künftig die Distributionswege ausgebaut werden, damit überall im Land "Made in Togo" konsumiert werden könne.

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