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ErnährungssicherheitAfrika

Westafrikas Kleinfischer: Gefangen im eigenen Netz

Kossivi Tiassou
12. Mai 2023

Westafrikanischen Fischern geht zunehmend der Fisch aus. Die Überfischung lässt auch Kleinfischer zu schädlichen Praktiken greifen - und zu Hilfsmitteln wie Dynamit oder Waschmittel. Auswege werden fieberhaft gesucht.

Ein Holzkanu liegt vertäut an einem Strand, draußen auf dem Meer sind mehrere weitere Boote und ein paar Felsen zu erkennen.
Sonnenaufgang am Strand von Busua in Ghana, wo Kleinfischer weiter mit traditionellen Holzkanus herausfahrenBild: Ben Pipe/robertharding/picture alliance

Körbe voller frischer Fische sind ein Anblick, der vielen das Wasser im Munde zusammenlaufen lässt. Doch solche üppigen Fänge sind an der westafrikanischen Küste selten geworden. Jahrelange schlechte Fischereipraktiken und Überfischung haben die Meeresböden zunehmend verwüstet.

Die Kleinfischer haben es schwer, ausreichend Fisch zu finden und ihre Familien zu ernähren, während die großen, weltweit operierenden Trawler zu immer einfallsreicheren - und oft zerstörerischen - Methoden greifen müssen, um ihr Geschäftsmodell aufrechtzuerhalten. Lösungen für nachhaltigere Praktiken scheinen nicht in Sicht. Und die Klimakrise tut ihr Übriges.

In dieser Woche versuchten die Teilnehmer eines Symposiums in Marokkos Hauptstadt Rabat, neue Wege zu finden, um zerstörerische Fischereipraktiken mit der Erhaltung der biologischen Vielfalt in Einklang zu bringen. Einige der Delegierten bei der ATLAFCO (Ministerialkonferenz zur Zusammenarbeit der afrikanischen Atlantik-Anrainerstaaten im Fischereisektor) waren genau die lokalen Fischer, die von dieser Zeitenwende am meisten betroffen sind.

Kleinfischer greifen zu verzweifelten Mitteln

Mit ihren Methoden der Fischerei, von Generation zu Generation weitergegeben, sind die Kleinfischer lange gut gefahren. "Ungefähr zehn Minuten, nachdem ich die Wasserzwiebeln unter Wasser gesetzt hatte, umkreiste ich die Fische mit dem Netz", erinnert sich Bertin, der seit über 30 Jahren in der Bucht von Benin fischt. Für den 50-Jährigen aus Benin war die Fischerei ein recht lukratives Geschäft - bis vor ein paar Jahren.

Heute fühlen er und seine Kollegen sich hilflos, wenn sie in der Ferne große ausländische Boote sehen, die im Wettlauf um den Fang des Tages meist die Nase vorn haben, während Kleinfischer wie Bertin in Kanus und kleinen Booten aufs Meer hinausfahren: David gegen Goliath.

Kleinfischerei ist ein mühsames Handwerk: Fischer, wie hier im ghanaischen Cape Coast, müssen zum Beispiel regelmäßig ihre Netze ausbessernBild: Ben Pipe/robertharding/picture alliance

Doch nicht nur die unerbittliche Konkurrenz macht den Kleinfischern der gesamten Region zu schaffen: Wegen der jahrelangen Überfischung ist etwa vor der Küste Ghanas die Gesamtmenge der gefangenen Fische in den letzten fünfzehn Jahren um fast die Hälfte zurückgegangen.

So suchen auch die einheimischen Fischer mit wachsender Verzweiflung nach Wegen, dem Ruin zu entgehen. "In Ghana habe ich Menschen gesehen, die Waschpulver verwenden. Manche verwenden auch Dynamit. Mit diesen Techniken kann man die Fische einfach auflesen", sagt Bertin. Ungewollt tragen die einheimischen Fischer so zur Verschärfung des Problems bei: Methoden wie diese belasten die Umwelt schwer. In vielen Ländern sind sie daher verboten.

Korallenriffe bedroht

Rodrigue Pelebe kennt die Bedürfnisse der Fischer, aber auch des Lebensraumes Meer. Als Fischereiwissenschaftler und Hydrobiologe forscht er am Afrikanischen Center of Excellence für die Resilienz von Küsten (Africa Centre of Excellence in Coastal Resilience, ACECOR) an der ghanaischen University of Cape Coast. Der Einsatz von Dynamit und Chemikalien zerstöre die maritime Umwelt und verschlimmere die ohnehin schon schwierige Situation, sagt Pelebe der DW.

"Er trägt zur Zerstörung der Korallen bei, beeinträchtigt das ökologische Gleichgewicht in den Korallenriffen und stört die gesamte Nahrungskette", sagt er der DW. Auch wenn Behörden gegen diese illegalen Praktiken vorgingen, tue das der Zerstörung keinen Abbruch: "Sie entwickeln immer neue schädliche Praktiken, um das wenige, das übrig bleibt, zu fangen", erklärt Pelebe. Laut dem Meereswissenschaftler laufen derzeit mehrere Studien, um das genaue Ausmaß der Schäden zu ermitteln, die durch diese Techniken im Laufe der Jahre verursacht wurden.

Kleinfischern geht immer weniger ins Netz - deshalb wenden einige von ihnen immer verzweifeltere Methoden anBild: Natalija Gormalova/AFP/Getty Images

Für Pelebe sind die schwindenden Fischbestände ausreichend Beweis für die katastrophalen Auswirkungen dieser Fangpraktiken. Doch viele Kleinfischer würden die Folgen ihres Handelns bis heute nicht vollständig erfassen und die gesetzlichen Vorschriften weiter ignorieren.

Jenseits der Debatte um Nachhaltigkeit steht auch die Ernährungssicherheit auf dem Spiel: Nach Angaben der Vereinten Nationen leben in Ghana 2,7 Millionen Menschen - fast 10 Prozent der Gesamtbevölkerung - von der Fischerei. Außerdem stellen Fisch und Meeresfrüchte etwa 60 Prozent der in Ghana konsumierten Proteine. Je mehr der Lebensraum unter Wasser zerstört wird, desto schwieriger wird die Versorgung mit Nahrungsmitteln.

Großfischer kaum zu kontrollieren

Während des Symposiums in Rabat waren sich alle Teilnehmer grundsätzlich darüber einig, Abhilfe für die derzeitige Situation zu schaffen. Schließlich belaufen sich die Schäden allein vor der westafrikanischen Küste auf mindestens 2,3 Milliarden Dollar (2,1 Milliarden Euro) pro Jahr.

Abdennaji Laamrich, Leiter des ATLAFCO-Kooperations- und Informationssystems, wies darauf hin, dass bessere Überwachungsmechanismen erforderlich seien, um die Situation in den Griff zu bekommen. Afrikanischen Staaten müssten "auch gegen diese schädlichen Techniken der lokalen Fischer und die illegale Fischerei kämpfen".

Letzteres scheint der einfachere Teil im Kampf gegen Überfischung zu sein: Amadou Tall, Programmdirektor bei der Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten (ECOWAS), sagt, dass es zumindest weniger schwierig ist, schädliche Techniken lokaler Fischer zu identifizieren, als die neuesten Praktiken ausländischer Schiffe in internationalen Gewässern in den Griff zu bekommen.

Tall legt Wert darauf, festzuhalten, dass die handwerklichen Fischer nicht zum Sündenbock für ein viel komplexeres Problem gemacht werden dürften. Das Hauptproblem sei vielmehr die illegale, nicht gemeldete und unregulierte Fischerei (kurz IUU-Fischerei): Diese mache einen jährlichen Fang von bis zu 26 Millionen Tonnen Fisch aus. Da diese Praktiken auf hoher See außerhalb der Reichweite der nationalen Gerichtsbarkeiten stattfinden, ist es nahezu unmöglich, diese Aktivitäten zu überwachen.

Aber selbst wenn die IUU-Aktivitäten sich fernab der Küste auf dem offenen Meer abspielen, sind die Auswirkungen auch an der Küste zu spüren, wo die ländliche Küstenbevölkerung am meisten unter der Überfischung leidet. Und so setzt sich der Teufelskreis fort, der lokale Fischer zu immer schädlicheren Methoden greifen lässt, um ihren Anteil an Fisch zu bekommen.

Adaptiert aus dem Englischen von Philipp Sandner.

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