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Westbalkan: Moscheebauten als Instrumente türkischer Politik

2. Juli 2025

Mit dem Bau von Moscheen will sich die Türkei Einfluss auf dem Westbalkan sichern und ihren konservativen Islam verbreiten. Gleichzeitig sind die Sakralbauten auch Teil der geopolitischen Agenda der Regierung Erdogan.

Türkische und albanische Flaggen schmücken eine Moschee im türkischen Stil mit einem zentralen Kuppelbau in der Mitte und vier symmetrisch angeordneten Minaretten
Die 2024 eingeweihte Namazagh-Moschee in TiranaBild: Vlasov Sulaj/AP Photo/picture alliance

Die Namazgah-Moschee in Albaniens Hauptstadt Tirana gehört mit ihren 50 Meter hohen Minaretten und Platz für etwa 8000 Gläubige zu den imposantesten islamischen Gebetsstätten im Westbalkan und wurde unter anderem mit rund 30 Millionen Euro von der türkischen Religionsbehörde Diyanet finanziert. Architektonisches Vorbild ist die Blaue Moschee in Istanbul.

Im Oktober 2024 kam der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan zur Einweihung der Moschee nach einer Bauzeit von rund zehn Jahren nach Tirana. Dort unterzeichnete er ein Abkommen zur Kooperation mit Albanien bei Landwirtschaft und Bildung und schenkte dem Land einige Drohnen aus türkischer Produktion. Zudem wurde Diyanet Einfluss im Vorstand der neuen Moschee gesichert, und es wurde ein türkischer Imam ernannt - was in der albanischen Gesellschaft Unmut hervorrief.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und der albanische Ministerpräsident Edi Rama - beide mit ihren Ehefrauen - bei der Einweihung der Namazgah-Moschee in TiranaBild: Turkish Presidency/Murat Cetinmuhurdar/Handout/Anadolu/picture alliance

Vor der Moschee waren in Tirana nach dem Zusammenbruch des Kommunismus 1990 bereits eine repräsentative katholische und eine orthodoxe Kathedrale in 2001 und 2014 entstanden. Unter dem Diktator Enver Hoxha hatte sich Albanien zum ersten atheistischen Land erklärt. Ab 1967 wurden Religionen verboten und sämtliche religiöse Institutionen geschlossen.

"Das Beispiel der Namazgah-Moschee zeigt, wie die Türkei auf dem Westbalkan als Regionalmacht agiert und über Moscheebauten versucht, ihren Einfluss zu vergrößern", sagt Natalie Clayer, Sozialwissenschaftlerin an der Ecole des Hautes Etudes en Sciences Sociales (EHESS) in Paris. Moscheebauten als Soft Power seien eng mit wirtschaftlichen, politischen und militärischen Interessen verzahnt. "Allerdings haben die lokalen Akteure durchaus einen Spielraum, und sie nutzen diesen auch", sagt Clayer.

Der 2024 verstorbene Prediger Fethullah Gülen war ein erbitterter Rivale ErdogansBild: Charles Mostoller/REUTERS

Die türkische Seite hat ihre Interessen konsequent vorgebracht: Zwei Jahre lang, von 2017 bis 2019, wurden die Bauarbeiten an der Namazgah-Moschee unterbrochen, weil die Türkei von Albanien die Auslieferung von einigen, angeblich der Gülen-Bewegung nahestehenden Personen verlangte. Nach dem Putschversuch von 2016 machte Erdogan die Bewegung des inzwischen verstorbenen Predigers Fethullah Gülen für den gescheiterten Coup verantwortlich und verfolgt ihre Mitglieder im In- und Ausland. Erst nach der Auslieferung der Betroffenen an die Türkei gingen die Bauarbeiten weiter.

Die Türkei hat Saudi-Arabien abgelöst

Auch wenn eine Moschee mit Finanzmitteln von außen entsteht, geht die Initiative zunächst meist von den lokalen Gemeinschaften aus, die auch einen Teil der Kosten aufbringen. Bei repräsentativen Sakralbauten in Hauptstädten seien jedoch in der Regel die Interessen nationaler und externer Akteure mit im Spiel, sagt Nathalie Clayer. "Das Prestige des Staates, die Bedürfnisse der islamischen Community, nationale Selbstvergewisserung und auch Ansprüche gegenüber den anderen Religionen, alle diese Faktoren spielen eine Rolle beim Bau eines Gotteshauses und bei der Wahl von architektonischen Vorbildern."

Die Gazi-Husrev-Beg-Moschee in Sarajevo wurde 1530/31 erbaut und ist eine der größten und ältesten Moscheen BosniensBild: Armin Durgut/PIXSELL/DeFodi Images/picture alliance

Die Türkei ist heute im Westbalkan führend bei der Finanzierung von Moscheebauten. Das war in den ersten Jahren nach dem Zerfall Ex-Jugoslawiens noch nicht so. In Bosnien waren während des Krieges von 1992 bis 1995 rund 600 Moscheen vollständig zerstört und hunderte weitere beschädigt worden, wie der Experte Robin Cognée in seiner Studie über Moscheebauten in Bosnien-Herzegowina schreibt. Nach Kriegsende 1995 war zunächst Saudi-Arabien der Hauptsponsor beim Wiederaufbau der Moscheen in diesem Westbalkan-Staat. Erst nach den Anschlägen vom 11. September 2001 und dem Machtantritt von Erdogan 2002 ist die Türkei zunehmend an die erste Stelle gerückt.

Nationalismus statt Islam

Saudi-Arabien dagegen hat sich unter dem De-facto-Machthaber Kronprinz Mohammed bin Salman zunehmend zurückgezogen. Saudisch finanzierte Moscheeprojekte wurden in lokale Hände übergeben. Bin Salman hat in seiner "Vision 2030", die die Schwerpunkte saudischer Politik bis zum Ende des Jahrzehnts formuliert, die Restauration historischer Moscheen in Saudi-Arabien selbst und die Bewahrung des eigenen kulturellen Erbes priorisiert.

Der saudische Kronprinz Mohammed bin SalmanBild: Sergei Savostyanov/TASS/dpa/picture alliance/dpa/TASS

"Heute steht in Saudi-Arabien weniger der wahhabitische Islam als ein Nationalismus im Vordergrund", sagt Kristin Smith Diwan vom Arab Gulf States Institute in Washington D.C.. Vom wahhabitischen Islam, den Saudi-Arabien lange Zeit exportierte, habe sich Bin Salman zumindest offiziell verabschiedet: Er bezeichnete ihn in einer Fernsehansprache im Jahr 2021 als überholt.

Erdogans "Infrastruktur-Imperialismus"

Die Türkei sieht sich auf dem Westbalkan als Erbin des Osmanischen Reichs und betont ihren Anspruch als Regionalmacht. Dabei geht es um mehr als um Religionspolitik der Regierung unter Erdogans AK-Partei. Moscheebauten seien nur ein Baustein türkischer Infrastrukturpolitik - und das nicht nur auf dem Westbalkan, sondern auch im Kaukasus, in Zentralasien, in Nordafrika sowie Afrika südlich der Sahara, sagt Rebecca Bryant, Professorin für Kulturanthropologie an der Universität Utrecht. Man müsse den Bau von Moscheen in einem größeren geopolitischen Kontext betrachten.

Skyline der kasachischen Hauptstadt Astana, im Vordergrund das Ministerium für Öl und GasBild: Anatoly Weißkopf/DW

Ob Eisenbahnlinien, Häfen, Hotels oder Einkaufsmeilen: Türkische Investoren sind vom bosnischen Sarajevo bis Batumi in Georgien, von Astana, der Hauptstadt Kasachstans, bis Nordzypern und in den Senegal in großem Stil unterwegs. Die futuristische Skyline von Astana etwa sei überwiegend von türkischen Bauunternehmen realisiert worden, sagt Bryant. Viele Ausschreibungen seien an Baufirmen mit direkter Nähe zu Erdogan gegangen. Bryant nennt diese Form der politischen Einflussnahme "Infrastruktur-Imperialismus".

Mega-Projekte wie der im Mai 2025 von Erdogan im türkisch kontrollierten Teil von Nikosia, Nordzypern, nach fünfjähriger Bauzeit eingeweihte Komplex aus Präsidentenpalast, Parlamentsgebäude, großen Hotels und Moschee (diese war zum Zeitpunkt der Einweihung noch nicht fertiggestellt) seien "geopolitische Orte, an denen die Türkei ihre Vorstellungen von Zukunft zum Ausdruck bringt".

Dabei knüpft Erdogan an ethnische, religiöse oder historische Gemeinsamkeiten an und verwendet eine Rhetorik von "Brüderlichkeit" und einem "gemeinsamen Schicksal", das die Türkei mit den Ländern verbinde. Die Projekte sollten signalisieren, "wir sind die Zukunft. Wir sind moderner als der Westen", erläutert Kulturanthropologin Bryant. So sind Moscheebauten ein Baustein einer türkischen Vision von Zukunft, in der nicht mehr der Westen der Endpunkt von Fortschritt ist.