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Politik

"Wir wollen nicht in die EU"

Dijana Roscic
24. Mai 2018

Nachdem EU-Spitzenpolitiker in Sofia die Aufnahme der Westbalkanländer diskutiert hatten, stellte die DW deutsche Diskussionsbeiträge zum Thema im Netz zusammen. Hunderte Leser auf dem Westbalkan reagierten.

Serbien Straßenszene Belgrad
Die serbische Hauptstadt BelgradBild: DW/I. Petrovic

Was passiert, wenn man Menschen vom Westbalkan - genauer, Usern von dw.com - die veröffentlichten deutschen Meinungen zur geplanten EU-Erweiterung zugänglich macht?  

Aus dieser Frage entstand der serbische DW-Beitrag "Wer will in die EU?", eine Sammlung von übersetzten Kommentaren deutschsprachiger Zuschauer und Leser, die unter einem Beitrag zum EU-Gipfel in Sofia auf tagesschau.de zu finden sind. Unter rund 50 deutschen Diskussionsbeiträgen findet sich kein einziger, der eine EU-Aufnahme der Westbalkan-Staaten positiv bewertet. Im Gegenteil, der User Adeberg C. schrieb beispielsweise: "Der EU-Zug rollt weiter, nächster Halt Balkan. Die Tickets zahlt der deutsche Michel."  

Serbien: "In der EU nur schmutziges Geschirr abspülen"     

In Serbien fand das die Redaktion des Radiosenders B92, mit über 1,5 Millionen Usern eines der populärsten Nachrichtenportale des Landes, interessant genug, um den DW-Beitrag prominent auf ihre Website zu stellen. Zwei Tage blieb er einer der meist-kommentierten Texte - und das ebenfalls meist negativ.   

So schrieb User srrrrrrrrrdjan: "Deutschland nimmt viel mehr von dieser EU, als es gibt. Gerade deswegen erstarken überall in Europa populistische Parteien, die Widerstand gegen die deutschen (wirtschaftlichen und politischen) Krallen propagieren. Die Deutschen entwickeln Serbien und den Balkan nicht, weil sie uns verbunden sind, sondern weil sie ihren Einfluss erweitern und ihr Einkommen ausweiten wollen."

"Wir wollen nicht in die EU - und sie wollen uns nicht reinlassen!", schreibt User Europejac ("Europäer") in seinem Kommentar auf dem mit 2,5 Millionen Usern meistgelesenen Nachrichtenportal Serbiens, Blic (Blitz), das den DW-Beitrag "Wer will in die EU?" ebenfalls übernommen hatte.

Dort schreibt User Boki: "Unsere Politiker tun so, als sei Europa ein großes Bankett mit viel Essen und Trinken. Dabei bringt dort die Bedienung schon lange keinen Nachschub mehr. Die Ersten haben längst das Beste genommen, Kroatien, Bulgarien, Rumänien sammeln die Krümel, weil sie sich verspätet haben. Wir würden nur aufgenommen werden, um das schmutzige Geschirr einzusammeln und abzuspülen." 

User Vida dagegen zeigt Verständnis für die deutsche Ablehnung einer EU-Erweiterung: "Als Deutsche würde ich auch so kommentieren: Die distanzieren sich von potenziell neuen, wirtschaftlich schwächeren Mitgliedern." 

Blic-Leser Pera schreibt: "Die Serben wollen nicht in die EU, denen geht es jetzt schon zu gut. Warum sollen sie regulär migrieren, um in Deutschland oder Frankreich zu arbeiten, wenn es besser ist, schwarz zu arbeiten?" 

Svi to znamo ("Das wissen wir alle") meint: "Der ganzen Welt ist klar, dass wir da nicht hingehören, nur unser Diktator (damit meint er Serbiens Präsidenten Aleksander Vucic, Anm. d. Red.) will das nicht kapieren."

Ivan schlägt vor: "Sie wollen uns nicht? Da kann man nichts machen - ruft Putin an und bietet ihm an, ballistische Raketen auf unserem Territorium zu stationieren." 

Montenegro: "Schon jetzt EU-Bürger zweiter Klasse" 

In Montenegro erschien der DW-Beitrag "Wer will in die EU?" auf dem populärsten Webportal des Landes, Vijesti (Nachrichten). Darunter schreibt User Mrdalo: "Aus dem Text geht hervor, dass die uns jetzt schon als EU-Bürger zweiter Klasse betrachten." CRNOGORCI antwortet: "Unser Präsident (Milo Djukanovic, Anm. d. Red.) ist da, um ihre Skepsis zu brechen! Und was die Kommentare der Deutschen angeht: Das sind doch Leute, die bis Mittag sich selbst und am Nachmittag die ganze Welt hassen!"

Vijesti-Leser Cheese ist sicher: "Bis 2025 wird die EU entweder kollabieren oder auf ihre fiskalisch konsolidierten Mitgliedsländer reduziert. Dass das Ende der Europäischen Union bevorsteht, ist offensichtlich." 

Podgorica, die Hauptstadt des Kleinstaats MontenegroBild: DW/A. Novovic

"Der Westbalkan in der EU ist eine Illusion", kommentierte DW-Redakteur Christoph Hasselbach den EU-Gipfel in Sofia. Auf der DW-Facebook-Seite in albanischer Sprache, die in Albanien, Mazedonien und dem Kosovo gelesen wird, antwortet ein Nutzer mit den Initialen Z.B.: "Das ist keine Illusion: Millionen Menschen vom Westbalkan leben längst in der EU." 

Doch mit dieser Haltung ist Z.B. auf Facebook offenbar allein. User E. S. meint: "Neben Deutschland und Frankreich hat es kein europäisches Land verdient, in der EU zu sein." K. L. teilt die Bedenken vieler Bürger aus den Westbalkan-Ländern: "Wir sollten nicht in die EU, weil wir nicht konkurrenzfähig sind. Und für uns wird es noch schlimmer in der EU, weil wir auch das Bisschen Unabhängigkeit, das wir jetzt haben, verlieren werden."

Bosnien: "Warum sind die Europäer empört über den Einfluss Russlands?" 

In Bosnien und Herzegowina wurde der DW-Kommentar vom Webportal Nezavisne novine übernommen. Leser Dekan schreibt dort: "Die wollen auch nicht mehr islamische Fundamentalisten." Und auf der bosnischen DW-Facebook-Seite kommentierte der User R.K. "Okay, sie wollen den Westbalkan nicht, das ist legitim. Aber warum sind sie dann empört und schreien gegen den Einfluss Russlands, der Türkei und auch Chinas?" 

I.S. ist sicher: "Die Europäer waren nie an uns interessiert - außer als Arbeitskräfte." 

M.U. dagegen fragt: "Sie konnten sich Kroatien, Griechenland, Bulgarien, Ungarn, Polen leisten. Sind die besser als wir?" 

M.L. kommentiert skeptisch: "Wie problematisch der Westbalkan für die Europäer ist, zeigt die Tatsache, dass sie lieber bereit waren, Millionen Flüchtlinge aus Afrika, dem Nahen Osten und anderen Ländern zu akzeptieren - ohne Pass oder Dokumente, wo steht, wer und was sie sind - als Menschen von hier." 

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