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Politik

Westjordanland: Olivenernte unter Schutz

19. November 2021

Fast jedes Jahr sind palästinensische Bauern während der Olivenernte Übergriffen von Siedlern ausgesetzt. Die israelische Menschenrechtsorganisation Rabbiner für Menschenrechte hilft durch ihre Präsenz vor Ort.

Olivenhaine im Westjordanland
Bild: Tania Kraemer/DW

Die Sonne strahlt an diesem Herbsttag auf die Olivenhaine im Tal. Der Palästinenser Bashar Sharab verteilt frischen Kaffee in Pappbechern an seine Helfer. Israelis und Palästinenser stehen auf Leitern, um an die kleinen Früchte zu kommen, andere verteilen Plastikplanen unter den Bäumen, um herabfallende Oliven aufzufangen. 

Die Israelis sind als freiwillige Helfer für die Organisation "Rabbiner für Menschenrechte" (Rabbis for Human Rights, RHR) unterwegs. Die Organisation, 1988 gegründet, sieht sich als Stimme für "Gerechtigkeit mit Wurzeln in der jüdischen Tradition". Unter den Freiwilligen sind säkulare Israelis ebenso wie orthodoxe Rabbiner.

Fast die Hälfte der landwirtschaftlichen Fläche im Westjordanland ist mit Olivenbäumen bepflanztBild: Tania Kraemer/DW

Heute verbringen sie einige Stunden im besetzten Westjordanland, um den Palästinensern für einige Stunden bei der Olivenernte zu helfen. Israel hat das Gebiet 1967 von Jordanien erobert.

"Heute ist es wie ein Fest für uns, weil sie [RHR] da sind und wir hier in Sicherheit arbeiten können. Es ist nicht wichtig, ob sie arbeiten. Dass sie gekommen sind und bei uns sind, gibt uns ein Gefühl der Sicherheit, das es hier es sonst nicht gibt," sagt Sharab, der aus dem nahegelegenen Dorf Awarta stammt, nahe der palästinensischen Stadt Nablus.

Mitte Oktober, nach dem ersten leichten Regen, hat die Olivenernte begonnen. Das Pflücken ist Knochenarbeit. In dieser Gegend kommt hinzu, dass es auch schnell gefährlich werden kann. Vorfälle mit gewaltbereiten israelischen Siedlern nehmen gerade während der Olivenernte im Herbst zu, so Menschenrechtsorganisationen.

Während der Olivenernte kommt es im Westjordanland immer wieder zu Übergriffen durch SiedlerBild: Tania Kraemer/DW

"Jedes Jahr wird es schlimmer seitens der Siedler, die die Ortsansässigen schikanieren," sagt Helferin Rachel Yagil. Die 77-Jährige aus Tel Aviv pflückt seit vielen Jahren Oliven an der Seite von Palästinensern. "Es ist wichtig, dass wir hier Präsenz zeigen und damit auch zeigen, dass nicht alle Israelis gewaltbereit sind."  

Sharab wirft einen Blick nach oben - und zeigt auf die Häuser der Siedlung Itamar oben auf dem Hügel. An manchen Tagen sage die Armee, es sei nicht erlaubt, auf diesem Teil des Feldes zu sein, ohne es vorher zu koordinieren, erzählt er. "Es ist nicht erlaubt hier zu sein, weil es nahe an Itamar liegt - aber schau, wie weit wir von Itamar entfernt sind!"

Zunehmende Siedlergewalt

Seit Beginn der Ernte hat die israelische Menschenrechtsorganisation Yesh Din mindestens 41 Vorfälle von Siedlergewalt gegen Palästinenser dokumentiert. Darunter tätliche Angriffe, teilweise mit Schlägern, Steinen oder auch Diebstahl der Oliven. Außerdem wurden allein in der Zeitspanne mindestens 400 Olivenbäume abgeholzt oder verbrannt, mit Folgen für die Wirtschaft und Umwelt.

Jeder beschädigte Baum ist ein großer Verlust, denn die Olivenhaine symbolisieren für viele Palästinenser die enge Verbundenheit mit ihrem Land. Sie sind auch eine wichtige Ressource. Fast die Hälfte der landwirtschaftlichen Flächen im Westjordanland sind mit Olivenbäumen bepflanzt. Laut des UN Amtes für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (UNOCHA) sind rund 80.000 Familien auf Olivenöl als primäre oder sekundäre Einkommensquelle angewiesen. Viele nutzen Olivenöl auch für den Eigenbedarf - bis zur nächsten Ernte.

Die Olivenhaine im Westjordanland symbolisieren für viele Palästinenser die enge Verbundenheit mit ihrem LandBild: Tania Kraemer/DW

"Als Rabbiner für Menschenrechte verbinden wir unsere jüdischen Werte mit Menschenrechtsfragen," sagt Avi Dabush, Direktor von RHR. "Die entscheidende Frage für uns ist die [israelische] Besatzung, und hier in diesem Fall, geht es um die Rechte der palästinensischen Bauern", sagt Dabush. "Wir versuchen dabei optimistisch zu sein und praktisch zu denken." Präsenz bei der Olivenernte zu zeigen, beende zwar nicht die Besatzung, aber "wir hoffen, dass es an diesen Tagen zumindest weniger Gewalt als sonst gibt." 

"Schutzschild" für die palästinensischen Bauern

Die Gewalt gehe dabei vor allem von extremistischen, meist jungen Siedlern aus, meist aus illegalen Siedlungs-Außenposten. Der israelische Verteidigungsminister Benny Gantz berief am Donnerstag eine Sondersitzung ein, um den Anstieg von Siedlergewalt zu diskutieren, berichtet die israelische Tageszeitung Ha'aretz. "Die Ohnmacht im Umgang mit dieser Gewalt, ist systematisch," schreibt Journalist Amos Harel. "Und wenig wurde bislang getan, um die Situation zu verbessern, obwohl diese schon viele Jahre andauert."

Draußen im Olivenhain erklärt Avi Dabush, dass sie im Kontakt mit der israelischen Armee seien. "Die IDF (Israel Defence Force) weiß, dass dies gefährliche Orte für die Bauern sind. Und wir versuchen, eine Art Schutzschild für die Bauern gegen diese Gewalt zu sein."

Avi Dabush, Direktor von Rabbis for Human Rights und Sami Awad, palästinensischer Koordinator von RHR (rechts) sehen sich einen der Vorfälle auf einem Handyvideo an Bild: Tania Kraemer/DW

Ende Oktober wurden junge Siedlern dabei gefilmt, wie sie Israelis und Palästinenser übel beschimpfen und mit Pfefferspray besprühen. Auch ein Soldat ist auf dem Handyvideo zu sehen, der dazwischen steht. Samir Awad, palästinensischer Koordinator von RHR, erinnert sich: "Die Siedler haben uns attackiert, vor den Augen der Soldaten, und die haben nicht wirklich viel gemacht", so Awad.

In einer Stellungnahem der Armee auf Anfrage der DW heißt es: "Wie in dem Video zu sehen ist, waren IDF Truppen sofort im Einsatz. Die Angaben zum Täter und der Fall wurden zur weiteren Bearbeitung an die israelische Polizei übergeben." Die israelische Armee, die das Westjordanland militärisch kontrolliert, "unternimmt große Anstrengungen, um gewalttätige Zwischenfälle in der Region Judäa und Samaria zu verhindern", so die Stellungnahme weiter.

Zugang zu Feldern problematisch

Auch die Unberechenbarkeit der Bürokratie macht es Palästinensern schwer, auf ihren Feldern zu arbeiten, nicht nur zur Erntezeit. Vor allem in Gegenden nahe von Siedlungen, müssen manche Bauern den Zugang zu ihren Feldern zuvor bei der israelischen zivil-militärischen Koordinierungsstelle (Cogat) beantragen, die das Westjordanland verwaltet. Manches Mal werde die Erlaubnis nur für wenige Tage erteilt, klagen die Bauern oder plötzlich wird für ein Gebiet von heute auf morgen eine Erlaubnis nötig.

"Diese Bäume brauchen Aufmerksamkeit wie ein kleines Kind," sagt Samir Awad mit Blick auf das restliche Jahr. "Man muss einen Baum pflegen, die Äste beschneiden. Man muss sich um den Boden kümmern, umgraben und düngen." Dies lasse sich nicht nur auf bestimmte Tage im Jahr beschränken.

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