1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Sanktionsfalle?

Rob Mudge19. Dezember 2014

Während Wladimir Putin die Probleme seines Lands schönredet, spürt die Bevölkerung die doppelte Keule aus Sanktionen und fallendem Öl-Preis. Aber hat der Westen die Rechnung ohne den Wirt gemacht?

Bild: picture-alliance/dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Die russische Wirtschaft liegt am Boden. Der Rubel ist im freien Fall - trotz einer massiven Intervention der Zentralbank. Russische Funktionäre haben zugegeben, dass die Kombination von Sanktionen und sinkendem Öl-Preis dem Land schaden - auch wenn Präsident Putin und sein Machtapparat gerne das Gegenteil behaupten. Der Finanzminister hat ausgerechnet, dass Russland aufgrund der anhaltenden Sanktionen umgerechnet jedes Jahr 140 Milliarden Euro an Investitionen verlieren könnte . Eine weitere Zahl macht das Elend noch deutlicher: Das russische Wirtschaftswachstum wird nächstes Jahr um 4.7 Prozent einbrechen, sollte der Ölpreis auf dem jetzigen Niveau bleiben.

Da wirkt die Bemerkung des deutschen Außenministers Frank-Walter Steinmeier, Ziel der Sanktionen sei es nicht, die russische Wirtschaft zu schwächen, doch eher befremdlich und wirft die Frage auf, was denn dann Sinn der Sache ist?

"Das eigentliche Ziel der Sanktionen ist Russlands Aktionen in der Ukraine zu stoppen. Kurzfristig ist das nicht unbedingt machbar mit Sanktionen. Genau das ist ja das Problem. Wir wissen es nicht mit Sicherheit, können aber davon ausgehen, dass es ohne Sanktionen Russland Tür und Tor offengelassen hätte, viel weiter zu gehen, um unter dem Banner 'Novorussia' ein noch größeres Territorium für sich in Anspruch zu nehmen. Ohne Sanktionen wäre Russland mit weitaus mehr Truppen in die Ukraine einmarschiert und hätte vielleicht Kontrolle über ein viel größeres Gebiet," sagt Kristi Raik, leitende wissenschaftliche Mitarbeiterin am finnischen Institut für Internationale Politik und Co-Autorin einer kürzlich erschienenen Studie über die Wirkung der EU-Sanktionen.

Sanktionsfalle

Es drängt sich die Frage auf, ob die Europäer und Amerikaner ihr Vorgehen wirklich bis zum Ende gedacht und die möglichen Konsequenzen nicht nur für Russland, sondern auch für die internationale Gemeinschaft eingeplant haben.

Hält die neue Eiszeit an?Bild: picture alliance/chromorange

Einige Experten warnen vor einer sogenannten Sanktionsfalle, in die der Westen hineintappen könnte. Bei den Sanktionen, so Mark Leonard, Direktor des European Council on Foreign Relations, und Co-Autor der Studie "The New European Disorder," gebe es ein Dilemma. Je wirksamer sie gegen Russland seien, desto mehr untergraben sie auch die längerfristigen Ziele der Europäer und Amerikaner.

"Zum einen, weil die Sanktionen kurz -und mittelfristig Putin stärken, seine Macht konsolidieren und es ihm erlauben, die Elite des Landes in Schach zu halten. Er hat diese Elite gezwungen, ihr Geld zurück nach Russland zu bringen. Zum anderen beschleunigen sie Russlands Ausrichtung nach Asien im Zuge der Erschliessung neuer Märkte und im Hinblick auf die Beziehungen mit China."

Hinzu komme, so Leonard, dass die Sanktionen deutlich zeigten, dass Russland wirtschaftlich nicht mit dem Westen mithalten kann. Stattdessen würde Putin nun ermutigt, seine militärische Stärke zu beweisen, so dass es zu weiteren Aktionen wie in der Ukraine kommen könnte.

Was käme nach Putin?

Zudem begibt sich der Westen auf politisch gefährliches Terrain. In den Machtzentren der EU und den USA gibt es vermutlich Einige, die hoffen, je mehr Russland wirtschaftlich in die Knie gezwungen werde, desto eher werde sich das Volk gegen Putin auflehnen. Aber auch in diesem Fall könnte der Westen die Rechnung ohne den Wirt gemacht haben. "Was würde nach Putin kommen? Ein neues Regime wäre nicht unbedingt pro-westlicher eingestellt," sagt Raik.

In der Tat könnte das schnell nach hinten losgehen, so Mark Leonard. "Putin hat schon immer versucht, seine Legitimität zu festigen, indem er die Bevölkerung durch seine Außenpolitik an sich bindet. Geht es der Wirtschaft also schlecht, so nährt sich seine Macht aus geo-politischen Krisen. Und deswegen ist er daran interessiert, weitere Krisen zu schaffen."

Legt euch nicht mit mir an!Bild: ALEXEI NIKOLSKY/AFP/Getty Images

Selbst wenn eine wegbröckelnde Wirtschaftslage Putins Untergang besiegeln sollte, so müsste sein Nachfolger für den Westen nicht unbedingt die bessere Lösung sein. Zumal das Maß an Instabilität und Chaos in einem Post-Putin-Szenario so groß wäre, dass Viele sich Putin zurückwünschen würden. "Es gibt durchaus das Risiko, dass ein Kandidat das Zepter übernimmt, der weitaus nationalistischer und kompromissloser ist. Man muss einfach sehen, dass Putins Problem nie die liberale, pro-westliche Elite war. Seine größte Sorge ist der mögliche Aufstieg der Nationalisten."

In diesem potentiellen Machtkampf sieht Leonard keine Rolle für die Opposition. Sogar jemand wie Alexei Navalny - die große Hoffnung der anti-Putin Bewegung - hält sich bedeckt und wagt keine Kritik an Putins Krim-Annexion.

Düstere Zukunft

Wie also geht es weiter? Putin hat sicherlich die Entschlossenheit des Westens unterschätzt. Bislang gibt es wenige Anzeichen von Uneinigkeit innerhalb der EU was die Sanktionen angeht - sehr zum Ärger Putins. Nichtsdestotrotz muss die EU nach vorne schauen . Denn auch wenn sie jetzt signalisiert, an den Sanktionen festzuhalten, muss die Sanktionspolitik spätens im Frühjahr überdacht werden. Dann nämlich steht die nächste Überprüfung an. Es gibt viele Verfechter einer Politik des In-Schach-Haltens, so wie es im Kalten Krieg praktiziert wurde, in der Hoffnung, dass das Regime irgendwann zusammenbricht. Aber Mark Leonard ist davon nicht überzeugt. "Ich bin mir nicht sicher, dass der politische Wille da ist , so lange durchzuhalten. Ich habe meine Zweifel, dass der Konsens innerhalb der EU wirklich so gefestigt ist."

Wie lange halt der Westen durch?Bild: picture-alliance/dpa

Die Frage kann und muss man auch an Washington richten. Immerhin ist die Bilanz der amerikanischen Sanktionspolitik alles andere als erfolgreich. "Wir hatten die Sanktionen gegen Russland als Georgien angegriffen wurde, aber sie wurden wieder aufgehoben, weil Obama seine Russland-Politik neu aufstellen wollte, ohne das Russland die Bedingungen für eine Aufhebung der Sanktionen erfüllt hatte. Es ist gut vorstellbar, dass so etwas wieder passieren könnte, wenn eine zukünftige US-Regierung auf große Krisen reagieren muss, wie etwa Iran oder "IS" und dabei russische Hilfe braucht."

Während man in der westlichen Welt jetzt der Weihnachtszeit entgegenblickt, müssen die Russen noch etwas warten, bevor sie ihr orthodoxes Fest feiern können. Angesichts der wirtschaftlichen Misere, wird es nicht unbedingt ein fröhliches Ereignis. Sollte Putin einen Weihnachtswunsch frei haben, könnte es der Ausbruch einer großen, geo-politischen Krise sein, die ihm helfen würde, von den Problemen daheim abzulenken und sein Volk um sich zuscharen.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen
Den nächsten Abschnitt Top-Thema überspringen

Top-Thema

Den nächsten Abschnitt Weitere Themen überspringen