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PolitikEuropa

Wie kommen westliche Waffen in die Ukraine?

Robert Mudge
2. März 2022

In einem beispiellosen Schritt finanziert die Europäische Union Waffen für die Ukraine. Auch andere westliche Länder haben sich zu Waffenlieferungen verpflichtet. Aber wie gelangen sie ins Kriegsgebiet - und wie schnell?

Deutschland | Bundeswehroldaten mit Panzerfaust
Der Westen erhöht seine Waffenlieferungen, steht jedoch vor logistischen ProblemenBild: Philipp Schulze/dpa/picture alliance

Die Europäische Union hat 450 Millionen Euro als direkte Militärhilfe an die Ukraine freigegeben: für Luftabwehrsysteme, Panzerfäuste, Munition und andere militärische Ausrüstung. Weitere 50 Millionen Euro sind für andere Dinge wie Treibstoff und Schutzausrüstung vorgesehen.

Normalerweise erlauben es die EU-Verträge nicht, das normale Budget der Union für militärische Zwecke einzusetzen. Für die Unterstützung der Ukraine aktivierte die EU jedoch die sogenannte "Europäische Friedensfazilität": Vor einem Jahr hatte der EU-Rat für den Zeitraum von 2021 bis 2027 einen Sonderfonds beschlossen, aus dem bis zu fünf Milliarden Euro eingesetzt werden können, um die internationale Sicherheit zu stärken und Konflikte zu verhüten.

Nicht nur die EU, auch Deutschland hat einen Paradigmenwechsel in der Verteidigungspolitik vollzogen. Die Bundesregierung hob das Verbot auf, Waffen in Kriegsgebiete zu liefern. Die ukrainische Armee erhält unter anderem 1000 Panzerfäuste und 500 Boden-Luft-Raketen der Stinger-Klasse aus deutschen Beständen. Auch die USA stockt ihre Militärhilfe um Waffen im Wert von 350 Millionen Dollar (313 Millionen Euro) auf, darunter Panzerabwehrraketen vom Typ Javelin, Stinger-Flugabwehrraketen, Kleinwaffen und Munition. Damit beläuft sich die US-Militärhilfe an die Ukraine in den vergangenen zwölf Monaten auf insgesamt eine Milliarde US-Dollar, seit 2014 auf mehr als 2,5 Milliarden Dollar.

Logistische Herausforderung

Für die ukrainischen Streitkräfte bedeuten die Waffenlieferungen eine wichtige Unterstützung in ihrem Kampf gegen die russischen Invasoren. Allerdings ergeben sich logistische Probleme. Bisher wurde die Militärhilfe aus dem Westen je nach Waffentyp auf dem Land- oder Luftweg geliefert. Doch der Luftraum über der Ukraine wird inzwischen von russischen Kampfjets kontrolliert. Diese könnten die Lieferungen "vor allem durch Luft- und Raketenangriffe stoppen", schreibt Gustav Gressel an die DW. Der österreichische Politikwissenschaftler ist Experte für Osteuropa und Verteidigungspolitik bei der Denkfabrik "European Council on Foreign Relations" in Berlin. "Wenn sie die Lieferrouten kennen, können sie diese überwachen und nach den spezifischen Transportmitteln suchen", so Gressel.

Nachdem sich Ungarn geweigert hat, Waffentransporte über sein Territorium in die Ukraine zuzulassen, gerät Polen in den Fokus. Das Land hat eine 535 Kilometer lange Grenze mit der Ukraine. Vor allem die US-Armee entsendet seit Langem Truppen und militärische Ausrüstung in den NATO-Partnerstaat Polen.

Schlüsselrolle Polens

"Die gesamte Ausrüstung sammelt sich im Moment an der polnischen Grenze", sagt Ed Arnold, Experte für europäische Sicherheit an der Londoner Denkfabrik "Royal United Services" der DW. "Selbst wenn zum Beispiel die Slowakei dies [Waffenlieferungen über sein Gebiet - Anm. d. Red.] wollte, wäre es aufgrund der geografischen Lage der Gebirgsketten, die sich von der Slowakei durch Rumänien ziehen, keine einfache Route. Es bleiben also zwei Routen: Die eine liegt nahe der weißrussischen Grenze, die andere etwas weiter südlich."

Marc Finaud, Leiter des Bereichs Waffenhandel bei der Genfer Stiftung "Zentrum für Sicherheitspolitik", warnt davor, dass die Waffenlieferungen die Dynamik des Kriegs sehr schnell ändern könnten. "Wenn diese Konvois oder Transporte gestoppt werden - wenn westliche Länder angegriffen werden, sei es auf NATO-Gebiet oder bereits jenseits der Grenze zur Ukraine - könnte das die Spannungen erhöhen und die Lage eskalieren", sagt Finaud der DW.

Noch scheue Russland davor zurück, "die westlichen Nachschublieferungen ins Visier zu nehmen", um eine solche Eskalation zu vermeiden, glaubt Ed Arnold. Dennoch sei er überrascht, dass die russischen Streitkräfte die beiden möglichen Lieferrouten noch nicht abgeschnitten hätten: "Sie haben die Möglichkeit, sich vom Südwesten Weißrusslands aus dorthin zu bewegen und die gesamte Ausrüstung, die dort ankommt, zu blockieren."

Die Zeit verrinnt

Die Zeit für die ukrainische Armee in der umkämpften Hauptstadt Kiew und der zweitgrößten Stadt Charkiw, dringend benötigte Waffen zu erhalten, wird immer knapper. Dies, so Arnold, sei besonders problematisch für "die ukrainischen Streitkräfte an der östlichen Frontline, die möglicherweise abgeschnitten werden, wenn sie nicht bald westlich des Flusses Dnjepr vorrücken. Sie brauchen Nachschub, denn sie führen die schwersten Kämpfe. Und die Truppen der 95. Luftlandebrigade sind die besten der ukrainischen Armee."

Gibt es noch eine andere Möglichkeit, die westlichen Waffensysteme an die Frontlinien in der Ukraine zu bringen? "Ukrainische oder ausländische Kämpfer könnten die Waffen in Polen abholen und dann über die Grenze bringen", antwortet Arnold. "Aber das ist nicht in großer Zahl möglich." Aktuell sei die Gefahr sehr groß, dass den ukrainischen Streitkräften die Munition ausgehe. "Die Munition für die schweren Waffen der Ukrainer reicht vielleicht noch für fünf Tage. Sie könnten dann noch erbeutete russische Waffen einsetzen. Aber damit können sie nicht sehr lange überleben."

Dieser Text wurde aus dem Englischen adaptiert.

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