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Politik

"Westlicher Angriff war völkerrechtswidrig"

17. April 2018

Mit Angriffen gegen Ziele in Syrien haben die USA und ihre Verbündeten auf den mutmaßlichen Giftgasangriff der Regierung Assad reagiert. Fragen an den Völkerrechtler Norman Paech.

Syrien - US-Militärschlag auf Damaskus
Bild: picture alliance/AP Photo/H. Ammar

DW: Herr Paech, war der westliche Angriff auf Syrien vom vergangenen Wochenende völkerrechtswidrig?

Paech: Ein ganz eindeutiges Ja. Der UNO-Sicherheitsrat ist nicht befragt worden. Das wäre ein notwendiges Mandat gewesen. Es gab keinen Angriff auf die Staaten, die jetzt interveniert haben, also auch keine Selbstverteidigung. Es gibt keine völkerrechtliche Legitimation für diesen Angriff.

Aber musste der Westen nicht ein Signal senden, dass mit dem Einsatz von Giftgas eine rote Linie überschritten wurde?

Sie unterstellen, dass es ganz klar ist, dass dort ein Giftgasangriff von der Regierung Assad erfolgt ist. Man sollte doch auf jeden Fall mal die Ergebnisse der OPCW (Organisation for the Prohibition of Chemical Weapons) abwarten. Es gibt eine Vielzahl von Zweifeln an dem, was die westlichen Staaten im Augenblick annehmen. Das ist in gar keiner Weise klar. Und solange das nicht klar ist, halte ich jedes politische Mittel für die einzige Möglichkeit, dort einzugreifen, aber nicht militärisch.

Das heißt aber, wenn nachgewiesen werden würde, dass Assad das Giftgas eingesetzt hätte, hätte der Angriff schon eine gewisse Legitimation gehabt?

Der Völkerrechtler Norman Paech kritisiert die Angriffe der USA, Frankreichs und Großbritanniens auf Syrien scharfBild: picture-alliance/dpa

Nein, auch dann nicht. Denn selbst wenn nachgewiesen ist, dass Assad diesen Giftgasangriff getätigt hat, wäre es notwendig gewesen, ein Mandat des Sicherheitsrats zu haben. Dies ist ganz eindeutig die völkerrechtliche Bedingung nach der UNO-Charta: Kein Staat darf von sich aus zu den Waffen greifen, es sei denn im Falle der Selbstverteidigung. Aber auch  dann muss der Staat ein Mandat des Sicherheitsrats vorlegen. Das heißt, im Falle eines solchen Nachweises hätte man wieder den Sicherheitsrat einberufen müssen, und dann hätte man alle Möglichkeiten diskutieren müssen, die man hätte: sei es politisch, ökonomisch, aber auch militärisch.

Nun ist die Situation im Sicherheitsrat bezüglich Syrien natürlich ein wenig schwierig mit Russland in dem Gremium.

Ja, aber im Jahre 2003 haben die USA Bagdad angegriffen, und das war ganz eindeutig ein völkerrechtswidriger Angriff. Dort hat es nicht die Hysterie gegeben, die es heute gibt, sondern dort hat der Weltsicherheitsrat einfach gar nichts gemacht. Oft ist es vielleicht richtiger, politische und wirtschaftliche Sanktionen zu ergreifen, als dass man gleich den Hebel der militärischen Intervention benutzt. Wir wissen, und das haben jetzt auch die meisten EU-Staaten gesagt, das ist nur politisch lösbar. Und wenn man der Überzeugung ist, dass es wirklich nur politisch lösbar ist, dann sollte man diesen Weg auch beschreiten und nicht immer sofort nach dem Militär greifen.

Sie sagen, dass man den Konflikt mit militärischen Mitteln nicht lösen kann. Aber ist das nicht die einzige Sprache, die Assad versteht?

Da bin ich anderer Überzeugung. Man hat ja wirklich nichts versucht. Der US-Präsident Barack Obama hat seinerzeit gesagt, als sie in Syrien eingegriffen haben: Wir reden nicht mit Assad. Sie haben damals mit Luftstreitkräften in Syrien operiert, und natürlich war das auch eine völkerrechtswidrige Intervention. Man muss mit denjenigen, die wie Assad politisch legal an der Macht und von den Vereinten Nationen auch anerkannt sind, zunächst einmal versuchen, politisch zu handeln, selbst wenn man diese Regierungen nicht für legitim hält.

US-Präsident Barack Obama hatte schon 2011 nach Ausbruch des Syrien-Konfliktes gefordert: "Assad must go!"Bild: picture-alliance/AA/E. Sansar

Ganz grundsätzlich: Wie sinnvoll ist es Ihrer Meinung nach, Unrecht mit Unrecht zu beantworten?

Gar nicht. Gleiches mit Gleichem zu vergelten kann politisch keine Lösung sein. Das ist doch gerade der Weg der Diplomatie, dass man versucht, eine verfahrene und sehr problematische Situation auf anderem Wege zu lösen als direkt militärisch einzugreifen. Wenn man bereits im Krieg ist, dann gibt es nur einen Weg heraus, nämlich politisch. Und nicht über die Niederlage desjenigen, der am Boden liegt. Die meisten Staaten sind sich sicherlich einig, dass dieser Militärschlag wegen des Giftgaseinsatzes in Duma letztlich nichts bewirkt hat.

Nun tobt dieser Krieg in Syrien bereits seit sieben Jahren. Wie häufig ist dabei das Völkerrecht schon verletzt worden?

Oft. Leider nicht nur von Assad, sondern auch von den Streitkräften der USA, der Türkei und auch von Israel gab es Verstöße gegen das Völkerrecht, die einen schweren Schlag gegen das gesamte System der UNO und der UNO-Charta bedeuten. Da sollten sich die Staaten, die jetzt nach dem Militär rufen, mal an die eigene Nase fassen und versuchen, die Situation gemäß des Völkerrechts zu lösen."

Wenn wir mal in die Zukunft schauen: Theresa May und Donald Trump haben beide derzeit große innenpolitische Probleme, auch Emmanuel Macron mit dem Eisenbahner-Streik. Ist die Gefahr groß, dass wegen innenpolitischer Probleme mit Militärschlägen gegen Syrien auch in Zukunft das Völkerrecht verletzt wird?

Genau. Wenn wir uns die vergangenen Interventionen in der Welt einmal anschauen, mit dem Paradebeispiel Großbritannien unter Margaret Thatcher und der Rückeroberung der Falkland-Inseln 1982. Innenpolitische Krisen werden oftmals dadurch gelöst, dass man außenpolitisch aktiv wird. Das ist eine große Gefahr. Man sollte sich sehr genau die Situation von May und Trump anschauen. Es könnte durchaus sein, dass sie aus innenpolitischen Gründen eine derartige konfrontative, militaristische Politik machen.

Wäre Deutschland in der Lage, da zu vermitteln?

Ich würde es hoffen. Nur im Augenblick, wie Herr Maas sich als Außenminister geriert, habe ich meine Zweifel. Aber es wäre durchaus möglich, dass die Kanzlerin sagt, dass wir uns militärisch nicht beteiligen werden und auch distanziert von dieser militärischen Hysterie und sagt, nein, zurück zu den politischen Verhandlungen, zurück an einen großen Tisch. Leider ist im Augenblick offensichtlich in dieser Regierung dafür keine Mehrheit vorhanden."

Der neue deutsche Außenminister Heiko Maas hat den Angriff auf Syrien befürwortetBild: picture-alliance/AP Photo/V. Mayo

Sie haben Zweifel bei Bundesaußenminister Heiko Maas angedeutet. Warum?

Weil sich Heiko Maas meines Erachtens so eindeutig hinter May, Trump und Macron und diesen starken Worten positioniert hat, dass ich im Augenblick daran zweifle, dass er die diplomatische Größe besitzt und auch die kühle diplomatische Rationalität aufbringt zu sagen, nein, so geht es nicht. Sondern wir müssen einen politischen Weg mit Verhandlungen auch unter Einbeziehung von Assad wählen und nicht auf einen Regierungswechsel drängen.

Norman Paech ist Jurist und emeritierter deutscher Professor für Politikwissenschaft und Öffentliches Recht an der Universität Hamburg. Er ist seit 2005 Politiker der PDS, später Die Linke. Hauptschwerpunkt seiner politischen Tätigkeit ist die Friedensbewegung.

Das Interview führte Oliver Pieper.

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