Westsahara: Kommt jetzt die Lösung für einen alten Konflikt?
29. Oktober 2025
Ein halbes Jahrhundert liegen Marokko und Algerien im Streit um den völkerrechtlichen Status der Westsahara. Nun könnte er womöglich gelöst werden. Das ist zumindest die Vorstellung von US-Präsident Donald Trump. Dessen Sondergesandter für den Nahen Osten, Steve Witkoff, steht nach eigener Aussage derzeit in Gesprächen mit beiden Seiten, um die Möglichkeit einer Beilegung des Streites zu prüfen. "Unser Team arbeitet derzeit mit Algerien und Marokko zusammen. Meiner Meinung nach wird dort innerhalb der nächsten 60 Tage Frieden herrschen", sagte Witkoff dem US-Sender CBS.
Bereits 2007 hatte das Königreich einen Plan vorgelegt, der der Westsahara weitgehende Autonomie unter marokkanischer Souveränität in Aussicht stellte. Diesen Vorschlag greifen nach derzeitigem Stand auch die Vereinten Nationen auf. Am Donnerstag dieser Woche will der UN-Sicherheitsrat über einen Entwurf für eine neue Resolution zur Westsahara entscheiden. Dieser spricht zwar von einer verstärkten Beteiligung aller relevanten Parteien an den Beratungen - darunter Marokkos Nachbarstaat Algerien und insbesondere auch die Bewegung Frente Polisario, die nach einer Unabhängigkeit der Region strebt. Zugleich aber nennt er das marokkanische Autonomie-Modell für die Westsahara (unter marokkanischer Souveränität) "die glaubwürdigste Basis für eine gerechte und dauerhafte Lösung des Konflikts".
Ein alter Konflikt
Der Westsahara-Konflikt reicht weit zurück. Lange Zeit war die Region eine spanische Kolonie. Erst von 1976 an räumte Spanien seine Stellungen dort. Bereits ein Jahr zuvor hatte Marokko in dem sogenannten "Grünen Marsch", seinen Anspruch auf die Region deutlich gemacht. Damals waren rund 350.000 marokkanische Bürger in die Westsahara marschiert.
Die 1973 gegründete und für die Unabhängigkeit der Westsahara streitende Frente Polisario - im eigenen Selbstverständnis Vertreterin der traditionell dort ansässigen Sahrauis - streitet seitdem mit Unterstützung Algeriens für die Unabhängigkeit der Westsahara. Die Westsahara ist auch aufgrund ihrer Bodenschätze ein begehrtes Gebiet.
Gesprächsbereitschaft in Marokko und der Westsahara
Die 60-Tage-Frist sei nicht unbedingt wörtlich zu nehmen, sagt Steven Höfner, Leiter des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Rabat. "Allerdings gibt es mit der anstehenden UN-Sicherheitsratsresolution womöglich ein neues Momentum, das ja nun auch die USA aufgreifen, die federführend bei der Resolution aktiv sind." Zudem gehe die marokkanische Regierung fest davon aus, dass diese Resolution im Sicherheitsrat durchgehen werde. "Und auch die Polisario hat zuletzt indirekt eine Zusammenarbeit mit Marokko oder eine Integration ins marokkanische Staatsgebiet als möglich dargestellt."
Die Polisario hatte dieser Tage in einem Schreiben an den UN-Generalsekretär einen neuen Vorschlag zur politischen Lösung der Krise vorgelegt, den sie selbst als Geste des "guten Willens" bezeichnet. Darin schlägt sie als Lösung ein von den Vereinten Nationen und der Afrikanischen Union überwachtes Referendum über die Selbstbestimmung vor. "Auch dies zeigt, dass es auf Seiten Marokkos und der Polisario-Bewegung viele Gespräche gibt", sagt Steven Höfner.
Bedenken in Algier
Am Dienstag dieser Woche verkündete Trumps leitender Berater für afrikanische und arabische Angelegenheiten, Massad Boulos, in einem Interview mit Sky News Arabia, Donald Trump habe die Souveränität Marokkos über die Westsahara im Rahmen des Autonomievorschlags anerkannt. "Für Trump und Washington ist die Souveränität Marokkos über seine Sahara-Region völlig unumkehrbar und steht in keiner Weise zur Debatte. Wir betrachten den marokkanischen Vorschlag bezüglich der Westsahara kategorisch als den besten und einzig gangbaren Ansatz", fügte er hinzu.
Allerdings dürfte es diese Position Algerien erschweren, dem Trump-Plan zuzustimmen. In der Regel gut informierte algerische Quellen hätten verlauten lassen, "Algerien habe mit den USA nicht über das diskutiert, was die USA als einen regionalen Friedensplan präsentieren würden", sagt Isabelle Werenfels, Politologin mit Schwerpunkt auf den Maghreb-Staaten bei der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik. In Algerien herrsche weitgehend der Eindruck, Trump habe sich die marokkanische Position in der Westsahara vollkommen zu eigen gemacht. "Unter diesen Voraussetzungen sehe ich eher wenig Erfolgsaussichten", sagt Werenfels. Auch halte man es in Algier für denkbar, dass die neue Resolution die nötige Mehrheit verfehle - es sei denn, von Algerien kurzfristig geforderte Gespräche im Sicherheitsrat zum Resolutionstext würden noch inhaltliche Änderungen bringen.
Hinzu komme ein weiteres, sagt Werenfels: "Algerien sieht sich als prinzipienfesten Akteur." Dazu gehöre die Überzeugung, dass bei der Diskussion um die Westsahara die Vereinten Nationen die führende Rolle spielen müssten - und nicht die Trump-Regierung. "Insofern dürfte Algerien sich zumindest öffentlich weiterhin klar hinter die Positionen der Polisario stellen."
Auch sei unklar, welche Angebote die Trump-Regierung bei ihrem Plan zur Beilegung des Konflikts Algerien machen könne, so Werenfels weiter: "Möglicherweise könnten die USA, die mit Algerien 2025 eine Absichtserklärung zu verstärkter Sicherheitskooperation unterzeichnet haben, militärisches Gerät anbieten, wobei solchen Angeboten im algerischen Fall enge Grenzen gesetzt sein dürften." In erster Linie bleibe das, woran Algerien traditionell viel liege: die internationale Anerkennung als gewichtiger regionaler und internationaler Akteur. "Aber derzeit scheint es, als triumphiere in diplomatischer Hinsicht Marokko. Und genau das untergräbt derzeit die algerische Position und Selbsteinschätzung. Es dürfte also schwierig werden, die Algerier zu einiger Flexibilität zu bringen."
Marokko: diplomatische Erfolge
Demgegenüber hat Marokko erhebliche diplomatische Erfolge verzeichnen können. So etwa hatte sich Anfang Juni Großbritannien hinsichtlich des Konflikts neu positioniert und den marokkanischen Plan von 2007 nach Jahren des Widerstands angenommen. Der britische Außenminister David Lammy erklärte, der Plan stelle die "glaubwürdigste" Formel dar.
Erfolge wie dieser gründeten vor allem auf dem Umstand, dass die Westsahara für Marokko größte außenpolitische Priorität habe, sagt Steven Höfner. "Alle Themen werden in Rabat im Licht dieses Themas gesehen." Das bedeute, dass alle Staaten, die sich dem marokkanischen Autonomieplan nicht anschließen, im Grunde keine Aussichten hätten, mit Marokko auf anderen Feldern zusammenzuarbeiten. "Und Marokko weiß natürlich, dass es eine geostrategisch sehr bedeutsame Lage hat, so etwa auf Feldern wie Migration, Sicherheit und Wirtschaftszusammenarbeit. Aber auch für die USA spielt Marokko eine erhebliche Rolle - so etwa mit Blick auf die transatlantischen Beziehungen. Auch mit Blick auf Rohstoffe, etwa Phosphat-Verkommen ist das Königreich bedeutsam. All dies spielt dem Land in der Westsahara-Frage zu."