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Wettskandal: Türkischer Fußball unter Druck

Okan Yücel
29. Oktober 2025

Ein massiver Wettskandal bringt den türkischen Fußball in Erklärungsnot. Über 150 aktive Schiedsrichter sollen auf Spiele gewettet haben, auch Offizielle der Süper Lig. Mindestens ein prominenter Referee ist dabei.

Das Gebäude des türkischen Fußballverbands (TFF) in Riva in Istanbul
Das Gebäude des türkischen Fußballverbands (TFF) in Riva in IstanbulBild: ANKA

Der türkische Fußball steht unter Schock: Der Präsident des türkischen Fußballverbands (TFF), İbrahim Hacıosmanoğlu, bestätigte, dass 152 von insgesamt 571 aktiven Schiedsrichtern in illegale Wettaktivitäten verwickelt sein sollen. Besonders alarmierend: Auch sieben Hauptschiedsrichter und 15 Assistenten aus der Süper Lig, der höchsten Spielklasse des Landes, sind unter den Verdächtigen.

Ein Fall sticht besonders hervor: "Ein Schiedsrichter platzierte allein 18.227 Wetten", erklärte TFF-Präsident Hacıosmanoğlu auf einer Pressekonferenz. "Wir sind entschlossen, den Fußball von jeglicher Spur von Korruption zu befreien. Wir werden keine Ausnahmen machen."

İbrahim Hacıosmanoğlu, der Präsident des türkischen Fußballverbands (TFF)Bild: Hakan Burak Altunoz/Anadolu Agency/picture alliance

Ein Ausmaß, das auf systematische Beteiligung und möglicherweise organisierte Strukturen hindeutet. Die Enthüllungen werfen ein Schlaglicht auf die mangelnde Kontrolle innerhalb des türkischen Schiedsrichterwesens und stellen die Glaubwürdigkeit des gesamten Spielbetriebs infrage.

Disziplinarische und strafrechtliche Konsequenzen?

Der TFF hat umgehend Disziplinarverfahren gegen die betroffenen Schiedsrichter eingeleitet. Laut dem offiziellen Regelwerk drohen Sperren zwischen drei Monaten und einem Jahr. Bei schwerwiegenden Verstößen kann die Lizenz dauerhaft entzogen werden. Besonders schwer wiegt der Verdacht, dass einige Schiedsrichter auf Spiele gewettet haben könnten, die sie selbst geleitet haben.

In diesem Fall steht nicht nur ein Regelverstoß, sondern der Vorwurf der Spielmanipulation im Raum. Sollte sich dieser bestätigen, drohen den Beteiligten lebenslange Sperren sowie Haftstrafen zwischen 1,5 und 4,5 Jahren. Für illegale Wetten ohne Manipulationsverdacht sind Geldstrafen vorgesehen.

"Wir haben mit den Schiedsrichtern begonnen, aber mein Vorstand und ich führen auch unsere eigenen internen Überprüfungen mit den zuständigen Regierungsinstitutionen durch", ergänzte Hacıosmanoğlu noch am Dienstag. "Die Ergebnisse dieser Arbeit werden wir in Kürze bekannt geben."

Ersten Namen der Verdächtigen bekannt

Schon zwei Tage später veröffentlichte der türkische Fußballverband die Namen von sieben Süper-Lig-Schiedsrichtern, die angeblich Wetten abgeschlossen haben. Keiner der 152 betroffenen Schiedsrichter scheint auf Spiele gewettet zu haben, die er selbst geleitet hat. Das bedeutet, dass sie derzeit nicht wegen Spielmanipulation angeklagt werden. Sollte sich jedoch herausstellen, dass sie mit dem Schiedsrichter eines Spiels, auf das sie gewettet haben, kommuniziert haben, könnten sie dennoch wegen Spielmanipulation angeklagt werden.

Der bekannteste der sieben Schiedsrichter ist Zorbay Küçük. Die anderen sechs Süper-Lig-Schiedsrichter sind weniger prominente Persönlichkeiten. Küçük gab am Donnerstag vor dem Gerichtsgebäude eine Erklärung ab, in der er behauptete, dass jemand anderes das Wettkonto in seinem Namen eröffnet habe, und reichte bei der Staatsanwaltschaft eine Strafanzeige ein. Normalerweise ist es, wie in den meisten Ländern, eher selten, dass Schiedsrichter in der Türkei öffentliche Erklärungen abgeben.

Auch sind einige Spielpaarungen an die Medien durchgesickert, die jedoch von den Behörden nicht offiziell bestätigt wurden. Es scheint, dass die sieben Schiedsrichter ihre letzten Wetten während der Saison 2021/2022 platziert haben.

Spielbetrieb und internationale Reputation der Süper Lig in Gefahr

Trotz der massiven und konkreter werdenden Vorwürfe, sehen die örtlichen Juristen derzeit noch keine Grundlage für eine Annullierung von Spielergebnissen oder ganzen Saisons. Die bisherigen Resultate gelten als offiziell bestätigt. Dennoch könnte der laufende Spielbetrieb beeinträchtigt werden, falls eine große Zahl von Schiedsrichtern suspendiert wird. In diesem Fall erwägt der TFF, kurzfristig ausländische Schiedsrichter einzusetzen, um die Saison fortzuführen.

"Die Tatsache, dass das ans Licht kommt, ist eine hoffnungsvolle Entwicklung", sagte Sadettin Saran, Präsident von Fenerbahçe Istanbul. "Aber es ist entscheidend, dass diese Informationen ohne Verschleierung und ohne Zögern weitergegeben werden."

Sadettin Saran (l.), Präsident von Fenerbahçe IstanbulBild: Agit Erdi Ulukaya/Anadolu Agency/imago images

Auch die internationalen Fußballverbände beobachten die Entwicklungen genau. Sowohl die UEFA als auch die FIFA verbieten ihren Mitgliedern das Wetten auf Fußballspiele. Sollte der TFF keine angemessenen Sanktionen verhängen, könnten FIFA-Schiedsrichter ihre internationale Lizenz verlieren. Ein Eingreifen der FIFA wäre dann wahrscheinlich.

Transparenz und Vertrauen

"Wir betrachten diese Initiative unter der Leitung von Herrn Hacıosmanoğlu als einen bedeutenden Wendepunkt für den türkischen Fußball", erklärte Galatasaray Istanbul in einer Pressemitteilung. Eine ähnliche Erklärung folgte auch von Besiktas Istanbul: "Die Ergebnisse der Untersuchung könnten einen Neuanfang für sauberen Fußball bedeuten."

Unterdessen weitet sich der Wettskandal im türkischen Fußball offenbar aus. Der Sender Habertürk berichtete unter Berufung auf Justizkreise, dass auch gegen Vereine und Spieler ermittelt werde. Demzufolge sind 3.700 Spieler im Visier der Justiz.

Der Skandal zeigt deutlich, wie verwundbar der Fußball gegenüber finanziellen Interessen und mangelnder Kontrolle ist. Für den türkischen Fußball steht viel auf dem Spiel - nicht nur sportlich, sondern auch in Bezug auf Glaubwürdigkeit und internationale Reputation.

Dieser Artikel wurde am 30.10.2025 aktualisiert.