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Politik

WHO: Coronavirus hat Pandemie-Potenzial

27. Februar 2020

Die Weltgesundheitsorganisation spricht von einer "sehr heiklen Situation": Das Coronavirus breitet sich weiter ungebremst aus, inzwischen gibt es Fälle auf allen Erdteilen. Die WHO fordert alle Länder zu Maßnahmen auf.

Coronavirus SARS-CoV-2 im Elektronenmikroskop
Bild: picture-alliance/AP/NIAID-RML

"Dieses Virus hat das Potenzial einer Pandemie", sagte der Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus. Er sprach in Genf von einer "sehr heiklen Situation" und einem "entscheidenden Punkt": Die Verbreitung des Virus könne sich laut Tedros in jede Richtung entwickeln. Es komme darauf an, was man jetzt unternehme. Kein Land solle annehmen, dass dort keine Fälle auftreten, sagte Tedros: "Dies wäre im wörtlichen Sinne ein tödlicher Fehler."

Weltweit haben die nationalen Gesundheitsbehörden bislang mehr als 82.500 Infektionsfälle gemeldet, davon rund 78.500 in der Volksrepublik China (ohne Hongkong und Macau). In China hatte die Krankheit Ende 2019 ihren Ursprung, wahrscheinlich von einem Markt in der Millionenstadt Wuhan. Seit dieser Woche erhöhen sich die Fallzahlen außerhalb Chinas stärker als in der Volksrepublik selbst: Am stärksten betroffen ist Südkorea (rund 1750 Infizierte), gefolgt von Italien (rund 530) und Iran (rund 250). Bislang sind von all diesen Patienten gut 2800 gestorben, mehr als 33.200 wurden wieder gesund.

Ausbreitung im Iran

Besondere Sorge bereitet der WHO derzeit der Ausbruch im Iran, dessen Schwerpunkt in der Stadt Ghom liegt. Am Samstag soll eine Abordnung der Weltgesundheitsorganisation in die islamische Republik reisen, um dort Informationen zusammenzutragen. Im Iran hatte sich die Fallzahl binnen eines Tages annähernd verdoppelt, offizielle Quellen sprechen von 245 Infizierten und 26 Toten. Dort wurde nun auch ein Regierungsmitglied positiv auf das Coronavirus Sars-Cov-2 getestet: Bei Masoumeh Ebtekar, der Vizepräsidentin für Frauen- und Familienangelegenheiten, wurde eine leichte Infektion mit der Atemwegserkrankung festgestellt.

Masoumeh Ebtekar ist das erste iranische Kabinettsmitglied, das an COVID-19 erkrankt istBild: picture-alliance/AP Photo/V. Salemi

Die Regierung in Teheran ruft ihre Bürger dazu auf, Reisen abzusagen, die nicht unbedingt notwendig sind. Ein Verbot von Kulturveranstaltungen, Konferenzen und Kinovorstellungen wurde um eine Woche verlängert. Auch die Freitagsgebete wurden laut iranischem Staatsfernsehen abgesagt. Bis auf Weiteres dürfen chinesische Staatsbürger nicht in den Iran einreisen.

Pragmatismus in Europa

In Europa führt Corona derweil zu einer ungeahnten Wiederannäherung: Italiens Regierungschef Guiseppe Conte empfing den französischen Präsidenten Emmanuel Macron in Neapel, um über den Umgang mit dem Virus zu beraten. Bei dem Treffen handelt es sich um die ersten Regierungskonsultationen seit 2017 - das Verhältnis der benachbarten EU-Staaten war im Streit über den Umgang mit Flüchtlingen zuletzt merklich abgekühlt.

In Frankreich war in der Nacht zum Mittwoch ein zweiter Patient am Coronavirus gestorben; Italien ist der mit Abstand größte Krankheitsherd Europas. Dort warb Außenminister Luigi Di Maio, der Krise zum Trotz, um ausländische Touristen: "Unsere Kinder gehen zur Schule. Wenn unsere Kinder zu Schule gehen, können auch die Touristen und Geschäftsleute kommen", sagte Di Maio.

Was dieser Taubenfreund in Mailand für seine Maske bezahlt hat, ist nicht bekannt - in Italien steigen die PreiseBild: Reuters/Y. Nardi

Bis dato ist das Coronavirus in ungefähr jedem zweiten EU-Mitgliedsstaat aufgetreten. Inzwischen vermeldet auch Spanien 17 Infektionsfälle, davon 15 seit Wochenbeginn. Auf der Insel Teneriffa ist seit Tagen ein Hotel mit rund 700 Gästen abgeriegelt, weil Urlauber positiv auf das Virus getestet wurden. Einige der mehr als 100 deutschen Gäste baten die Bundesregierung in einer Online-Petition darum, sie nach Hause zu holen. Nun sollen nach Informationen der spanischen Nachrichtenagentur EFE 130 internationale Gäste ausgeflogen werden.

Deutschland ergreift Maßnahmen

Die deutsche Bundesregierung hat nach einer Welle neuer Infektionen einen Krisenstab eingerichtet, an dem die Ministerien für Gesundheit und Inneres federführend beteiligt sind. Seit Donnerstagabend sind 20 Neuinfektionen in fünf Bundesländern bekannt. Bayern ist seit diesem Donnerstag wieder Coronavirus-frei: Der letzte der 14 Patienten, die sich im Januar im Umfeld eines Automobilzulieferbetriebs angesteckt haben, wurde aus dem Krankenhaus entlassen. Am angespanntesten ist die Lage in Nordrhein-Westfalen: Ein Ehepaar aus dem Landkreis Heinsberg, das inzwischen im Krankenhaus behandelt wird, war vor knapp zwei Wochen noch auf einer Karnevalsfeier - offenbar symptomfrei, aber ansteckend. Weitere Fälle gehen auf Kontakt mit den beiden Eheleuten zurück. Aus Vorsicht wurden Hunderte Gäste der Feier und deren Partner, Kinder und Mitbewohner unter häusliche Isolation gestellt. Das gilt auch für Kinder aus dem Kindergarten, in dem die erkrankte Frau arbeitet. Schulen und Kindergärten im Landkreis bleiben geschlossen, Sportveranstaltungen wurden abgesagt.

Coronavirus in NRW: Gespräch mit Stephan Pusch, Landrat Kreis Heinsberg

04:22

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Die Regierung setzte neue Maßnahmen in Kraft, um das Virus besser nachverfolgen zu können: Reisende, die per Flugzeug, Bahn oder Bus aus den besonders betroffenen Ländern einreisen, müssen künftig auf Aussteigekarten Informationen notieren. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn appellierte an die älteren Mitbürger, sich gegen die Grippe impfen zu lassen, die in dieser Jahreszeit ebenfalls grassiert - um lebensbedrohliche Doppelerkrankungen zu vermeiden. Deutschland überweist nach Angaben von Spahn zusätzliche 50 Millionen Euro an die WHO für den Kampf gegen das Virus.

ehl/AR (dpa, afp, rtr, ap, Johns-Hopkins-Universität)

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