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Politik

Herdenimmunität durch Ansteckung "unethisch"

13. Oktober 2020

Die Weltgesundheitsorganisation warnt davor, bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie auf eine Herdenimmunität durch massenweise Ansteckungen zu setzen. So ein Vorgehen wäre ethisch und wissenschaftlich problematisch.

Tedros Adhanom Ghebreyesus, Direktor WHO
Bild: picture-alliance/dpa/KEYSTONE/J. C. Bott

"Niemals in der Geschichte des Gesundheitswesens wurde Herdenimmunität als eine Strategie gegen einen Krankheitsausbruch eingesetzt, geschweige denn gegen eine Pandemie", sagte der Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation WHO, Tedros Adhanom Ghebreyesus, bei einer virtuellen Pressekonferenz in Genf. Eine unkontrollierte Ausbreitung des Coronavirus zuzulassen, damit sich die Menschen massenweise ansteckten, sei "unethisch".

Tedros setzt auf Virus-Kontrolle durch Impfung

Eine Herdenimmunität - also die Schwelle, ab der sich ein Virus nicht mehr in einer Bevölkerung verbreiten kann - müsse ähnlich wie bei den Masern und der Kinderlähmung durch Impfungen, nicht durch Ansteckungen erreicht werden, zumal weiter unklar sei, wie sehr eine Infektion vor einer zweiten schütze. Es sei "wissenschaftlich problematisch", darauf zu setzen, dass es auf natürliche Weise zu einer Herdenimmunisierung komme.

Tedros unterstrich, dass es nach wie vor zu wenige Informationen über den Erreger SARS-CoV-2 gebe. So sei noch immer unklar, wie lange ein ehemaliger COVID-19-Patient Antikörper gegen den Erreger besitze. Der WHO-Chef verwies auf Fälle, in denen Menschen sich offenbar ein zweites Mal mit dem Coronavirus ansteckten. Es sei "keine Option", ein "gefährliches Virus, das wir nicht vollständig verstehen, frei herumlaufen zu lassen". Eine unkontrollierte Verbreitung bedeute deshalb, "unnötige Infektionen, Leiden und Tod zuzulassen".

Herdenimmunität - seit Beginn der Pandemie ein Thema

Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie gibt es immer wieder Stimmen, die sich für das Erreichen einer Herdenimmunität als den besten Weg zur Beendigung der weltweiten Ausnahmesituation aussprechen. Doch dieser Gedanke wurde stets von anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und auch von den meisten politisch Verantwortlichen verworfen, mit Verweis auf die immensen Risiken, sowohl für gefährdete Gruppen als auch für die Gesamtbevölkerung.

Zuletzt hatten vergangene Woche mehrere Wissenschaftler aus den USA und Großbritannien für eine Herdenimmunität durch Ansteckung geworben. In einer gemeinsamen Erklärung wenden sich gegen die strikten bevölkerungsweiten Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie. Die Verfasser argumentieren damit, dass die derzeitige "Lockdownpolitik" kurz- und langfristig "verheerende Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit" haben werde. Als Beispiele führen sie "niedrigere Impfraten bei Kindern, schlechtere Verläufe bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen, weniger Krebsvorsorgeuntersuchungen und eine Verschlechterung der psychischen Verfassung" der Menschen auf. All das werde in den kommenden Jahren zu einer "erhöhten Übersterblichkeit" führen.

qu/wa (dpa, afp, ap)

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