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Wohin mit dem Geld?

Nicolas Martin20. Mai 2013

Wer Steuern sparen will, muss nicht nach Panama, auf die Bahamas oder die Fidschi-Inseln. Auch einige europäische Staaten haben keine Probleme mit unsauberen Geschäftspraktiken. Hier eine Übersicht.

Symboldbild Steueroasen - Landkarte mit internationalen Geldströmen (Foto: Fotolia/Trueffelpix)
Symbolbild Steueroasen British Virgin IslandsBild: Fotolia/Trueffelpix

Von internationalen Drehscheiben des Offshore-Geschäfts mitten innerhalb der Europäischen Union bis hin zu kleinen regionalen Anbietern am geografischen Rande - Europa ist alles andere als unschuldig an den jüngsten Skandalen um Steuerhinterziehung. Das Netzwerk Steuergerechtigkeit (Tax Justice Network) setzt sich für die Schließung von Steuerschlupflöchern ein. Nach Einschätzung des Netzwerkes finden sich Steueroasen nicht nur an fernen Palmenstränden, sondern immer dann, wenn ein Ort "Geschäfte anlocken will, indem er eine politisch stabile Infrastruktur zur Verfügung stellt, um Personen und Firmen dabei zu helfen, sich den Regeln, Gesetzen und Regulierungen anderer Gebietskörperschaften zu entziehen". Und nach dieser Definition gibt es in Europa einige Löcher zu stopfen, wie Markus Meinzer vom Netzwerk Steuergerechtigkeit im "Who is Who der europäischen Steueroasen" verrät.

Andorra

Andorra ist ein unabhängiger Staat und gehört nicht zur Europäischen Union.

Laut Meinzer ist der Zwergstaat in den Pyrenäen ganz klar ein regionaler Anbieter des Bankgeheimnisses für Franzosen und Spanier: "Hinterziehungs- oder Offshore-Kunden schätzen es, persönlich mit dem Bankberater zu sprechen." Attraktiv ist das Land, weil dort keine Einkommens-, Erbschafts-, oder Kapitalsteuer fällig wird. Das macht Andorra vor allem interessant, wenn Steuerforderungen im eigenen Land umgangen werden sollen. "Franzosen und Spanier können wegen der geografischen Nähe auch ihr Bargeld dort deponieren", so Meinzer. Nach dem Einzahlen kann man in Andorra auch noch wunderbar steuerfrei Tanken und Zigaretten einkaufen.

Blickt skeptisch auf Steuerschlupflöcher: Markus Meinzer vom Netzwerk SteuergerechtigkeitBild: privat

Deutschland

Auch Deutschland ist laut dem Netzwerk Steuergerechtigkeit nachlässig, was die Transparenz mit Daten von ausländischen Kapitalanlegern angeht. Außerdem müssen ausländische Investoren auf Zinsen keinerlei Steuern bezahlen. "Also wenn ich beispielsweise als Südafrikaner mein Geld nach Deutschland bringe und in Staatsanleihen investiere, dann zahle ich auf die Zinsen daraus keine

Abgeltungssteuer - die gilt bei Zinsen nur für Deutsche", erklärt Meinzer. Auch die Informationen über die Erträge fließen nur selten von Deutschland ins Ausland: "Damit das geschieht, muss schon ein Strafbestand vorliegen - ansonsten sind die deutschen Konten von ausländischen Anlegern mit einem gewissen Grad an Anonymität geschützt", sagt Meinzer. Deshalb hat das Netzwerk Steuergerechtigkeit Deutschland in der Liste der größten Geheimniskrämer der Welt auf Platz neun eingestuft.

Gute Bedingungen für ausländisches Kapital: Bankenviertel in FrankfurtBild: picture-alliance /dpa

England

Mit London verfügt England über die wohl größte Drehscheibe der Steuer- und Kapitalflucht in Europa. "London ist die Mutter aller Steueroasen, weil es für die von der Krone abhängigen Gebiete ganz geschickt ein Netz geschaffen hat, das wiederum große Summen Geld zurück nach London bringt", sagt Meinzer. Von dort fließt das Kapital dann häufig auf die Kanalinseln wie Guernsey, Jersey und die Isle of Man ab. Von dort zieht es dann weiter in die Überseegebiete in der Karibik wie die Caymaninseln, die britischen Jungferninseln oder in Europa nach Gibraltar. Wer wissen möchte, wie einfach es ist über England sein Geld dort unterzubringen, der braucht im Internet nur mal nach Briefkastenfirmen zu suchen. Viele der dubiosen Internet-Anbieter sitzen in London.

Gibraltar

An der südlichen Spitze der iberischen Halbinsel lassen sich besonders leicht Briefkastenfirmen oder sogenannte Trusts gründen. Trusts folgen einer Rechtsstruktur, bei dem es keinen klassischen Eigentümer mehr gibt. "Oft werden diese Trusts als zusätzliche Schicht an Geheimhaltung über die Briefkastenfirmen gelegt", erklärt Meinzer. Gibraltar eigne sich besonders gut, um Geld zu waschen. "Laut Insider-Informationen wissen wir, dass Gibraltar dafür benutzt wird, das schmutzige Ende des Spektrums wieder in den Finanzmarkt einzubringen." Dank liberaler Gesetze und niedriger Steuern haben sich in Gibraltar zudem viele Glücksspielunternehmen niedergelassen oder halten dort Lizenzen.

Meinzer zu Gibraltar: "Das schmmutzige Ende des Spektrums"Bild: Jorge Guerrero/AFP/GettyImages

Irland

Ob Google, Apple oder Amazon: Internationale Unternehmen sparen gerne Steuern und suchen deshalb auch in Europa nach dem günstigsten Ort für die Niederlassung. Irland bietet sich als legaler Steueroptimierungsplatz an. "Double Irish" nennt sich das Modell in der Sprache der Finanzwelt. Das genaue Verfahren ist komplex, läuft aber vereinfacht etwa so: Ein Unternehmen gründet in Irland zwei Tochterfirmen - der sogenannte doppelte Ire. In Irland liegt der Unternehmenssteuersatz bei 12,5 Prozent, in den USA beispielsweise bei 35 Prozent. Eine der beiden Tochterfirmen meldet seinen Firmensitz in einer weiteren Steueroase an. Nach irischem Recht ist das möglich.

Während das eine Unternehmen nun die Geschäfte in Europa betreibt, zahlt es für die Patente Geld an das andere Unternehmen. Obwohl beide Unternehmen zur selben Mutter gehören, verschwinden in der Bilanzsumme die Gewinne, weil sich Ausgaben und Einnahmen ausgleichen. Anders aber als beispielsweise in den Niederlanden, die eine ähnliche Anreizpolitik für Unternehmen haben, legt Irland laut Meinzer aber darauf Wert, "dass tatsächlich auch Menschen dort arbeiten." Das schafft Arbeitsplätze und dadurch wenigstens auch etwas Wachstum im Land.

Einen Schluck auf die günstigen UnternehmenssteuernBild: picture-alliance/dpa

Noch mehr Steueroasen? Hier geht es weiter mit Isle of Man, Kanalinseln, Luxemburg, Liechtenstein, Niederlande, Schweiz, Madeira, Malta, Monaco, Österreich und Zypern.

Isle of Man

Auf der Insel zwischen England, Irland und Schottland sind Steuern eher Nebensache: Erbschaften und Kapital werden überhaupt nicht versteuert und der Spitzensatz der Einkommensteuer liegt gerade mal bei 20 Prozent. Eine Körperschaftsteuer gibt es nicht. Deshalb wird die Insel auch gerne als Versteck der britischen Millionäre genannt. Die Isle of Man steht in Konkurrenz mit den Kanalinseln, von der bestimmte Modelle auch gerne kopiert werden.

Kanalinseln

Die Inselgruppe bestehend aus Jersey, Guernsey und Sark ist Heimat von Hunderten Finanzinstituten und Versicherungen. Die Reize der sicheren Häfen im Ärmelkanal sind einfache und niedrige Steuern. Laut dem Netzwerk Steuergerechtigkeit bietet Jersey eine ganze Palette von Dienstleistungen an und besitzt selbst eine große Bankenwirtschaft. "Jersey ist mit Sicherheit, diejenige der Inseln, die am meisten Schmutz in ihrem Finanzsystem beherbergt und am meisten Missbrauch ermöglicht", sagt Markus Meinzer. Kürzlich habe die Insel auch Stiftungen eingeführt, um Kunden abwerben zu können, die mit der britischen Form der Trusts nicht so vertraut seien.

Guernsey ist laut Meinzer der Innovator unter den Kanalsinseln. So habe die Insel kürzlich das System "protected self company" erfunden. "Das ist eine Firma, die in sich nochmals verschiedene Zellen, wie Unterfirmen innehat, und zwischen den einzelnen Zellen ist nochmals ein juristischer Schutzwall gezogen, trotzdem ist es auf dem Papier aber ein einzelnes Unternehmen", so Meinzer. Auch die Insel Sark ist kein Kind von Traurigkeit - zwar ist sie wesentlich kleiner als Jersey und Guernsey - doch laut der britischen Zeitung "Guardian" kommen dort rund 24 Firmen auf jeden der ungefähr 600 Einwohner.

Die Kanalinseln - sicherer Hafen für unsauberes KapitalBild: picture alliance /Jeremy Lightfoot/Robert Harding

Luxemburg

Luxemburg gilt neben England beziehungsweise London als eine weitere Drehscheibe der Finanzindustrie. Als Europas Zentrum des Anleihen- und Fondshandels profitieren Anleger und circa 150 Banken von den günstigen steuerlichen Rahmenbedingungen. 40 dieser Banken stammen davon aus Deutschland. Laut Meinzer ist es vor allem die Anbindung an die EU, die Luxemburg besonders attraktiv macht: "Als EU-Mitglied ist Luxemburg vorzüglich geeignet als Drehscheibe zwischen EU-Geschäften und dem internationalen Markt.

Das heißt, wenn ich Gesetze umgehen will, die beispielsweise in Deutschland gelten, dann kann ich über Luxemburg gehen." Weil Luxemburg EU-Mitglied ist, seien viele der Vorsichtsmaßnahmen und auch der Transparenzanforderungen nicht anwendbar. Von Luxemburg aus ermöglichten dann Briefkastenfirmen, in Übersee "unregulierte Geschäfte" zu betreiben. Das durchschnittliche Einkommen in Luxemburg ist etwa zweieinhalb Mal so hoch wie im EU-Durchschnitt. Dem Bankensektor verdankte Luxemburg 2010 knapp 40 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts.

Mehr als 40 deutsche Banken haben eine Niederlassung in LuxenburgBild: imago/imagebroker

Liechtenstein

Spätestens seit 2008 hat auch Liechtenstein den Ruf einer Steueroase. Damals spielte ein Insider den deutschen Behörden CDs mit den Namen deutscher Steuersünder zu. Seit zwei Jahren hat Deutschland aber ein sogenanntes Abkommen über die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch in Steuersachen. Laut Meinzer sind diese Abkommen aber weitestgehend wirkungslos, da der Fiskus nur dann Zugang zu Kontoinformationen bekommt, wenn "konkrete Hinweise auf Steuervergehen im Einzelfall vorliegen - niemals bei einer Gruppe oder in einer Systematik von Fällen." Bis 2009 stand das Land auf der "schwarzen Liste" der Steueroasen der Organisation der wichtigsten Industrieländer OECD.

Niederlande

Was Luxemburg für Privatinvestoren ist, das sind die Niederlande für große Unternehmen. Denn gerade die Unternehmenssteuern seien unglaublich niedrig und es gebe Vorteile bei der Besteuerung von Zinsen und von Lizenzgebühren, sagt Mainzer. Das Land profitiere außerdem noch von seinem Ruf, offiziell keine Steueroase zu sein, "und deshalb gibt es auch noch keine gesetzlichen Abwehrmechanismen für die Praktiken", so der Experte vom Netzwerk Steuergerechtigkeit. Die klassische steueroptimierte Unternehmensform ist der sogenannte "Dutch Sandwich". Im Normalfall hat ein Unternehmen dabei eine Tochterfirma in den Niederlanden. Diese wird dann genutzt, um das europäische Geschäft weitestgehend über die Niederlande abzuwickeln und damit die Steuern darauf zu sparen.

Kann mehr als Käse - Die Niederlande sind wegen ihrer günstigen Unternehmenssteuern beliebtBild: picture-alliance/dpa

Die lange Liste der europäischen Steueroasen - hier geht es weiter mit Schweiz, Madeira, Malta, Monaco, Österreich und Zypern.

Schweiz

Offiziell gibt es zwar keine Nummernkonten mehr in der Schweiz, wegen seines strikten Bankgeheimnisses zieht das Land aber noch immer große Summen aus dem Ausland an. "Wenn das Geld einmal in der Schweiz ist, wird es extrem schwer, da von außen heranzukommen", sagt Meinzer. Auch mit Blick auf das Geldvolumen insgesamt schafft es die Schweiz im Schattenindex des Netzwerks Steuergerechtigkeit auf den ersten Platz.

Madeira

Die Insel im atlantischen Ozean gehört zwar formal zu Portugal, dennoch hat sie bis vor Kurzem viele steuerliche Vorteile angeboten. So wickelte beispielsweise der Schweizer Uhrenhersteller Swatch seine Geschäfte über die Insel ab. Seit kurzer Zeit müssen ausländische Gesellschaften aber auf Druck der EU auf der Insel aber wieder Steuern an den portugiesischen Staat bezahlen. "Seit der deutlichen Einschränkung der Angebote ist Madeira eher ein Nischenspieler, der sich ein bisschen abschneidet vom Angebotskuchen bei großen Investitionen, aber auch bei Anlagen von Privatpersonen in der portugiesischsprachigen Welt. Dem Uhrenhersteller Swatch waren die vier Prozent Unternehmenssteuer übrigens zu viel - er verließ 2011 das Land.

Malta:

"Malta ist ähnlich wie Zypern ein Standort für Unternehmen. Wir sind uns aber noch unsicher, welche Nische sich das Land nun sucht", so Meinzer. Malta lockt schon länger mit niedrigen Steuern und gilt als beliebter Finanzstandort auch für die deutsche Wirtschaft. Viele Unternehmen haben sich auf der Mittelmeerinsel niedergelassen. Der Körperschaftsteuersatz liegt zwar bei 35 Prozent, aber Firmen können einen Großteil der bezahlten Steuern zurückfordern. Im Endeffekt bleibt viel mehr vom Gewinn übrig als beispielsweise in Deutschland. "Es ist definitiv ein Konzernsteuerparadies, aber wir haben bisher wenig Hinweise darauf, dass es auch um die Steuerhinterziehung von Privatpersonen geht", so der Experte.

Weltkurerbe und traumhafte Bedingungen für Unternehmen - der Hafen der Hauptstadt ValettaBild: picture alliance /Robert Harding

Monaco

Das Fürstentum Monaco ist noch immer die Heimat der Schönen und Reichen umschlossen von französischem Staatsgebiet. Millionäre lassen sich gerne im Fürstentum nieder, weil sie weder Einkommensteuer noch Erbschaftssteuer zahlen müssen. Auch im Ausland begangene Finanzvergehen verfolgt der Stadtstaat nicht. Unternehmen müssen dagegen Steuern zahlen - der Körperschaftsteuersatz liegt bei rund 33 Prozent. "Frankreich spielt nicht nur eine aufklärende Rolle, sondern hält wie viele andere Großmächte seine Hand da auch schützend davor", sagt Meinzer.

Österreich

Auch das Land mit Grenzen zu Deutschland, Ungarn, Slowakei, Slowenien, Italien, Tschechische Republik und der Schweiz lockt Anleger mit der Geheimhaltung über die Kontoinhaber. Laut Mainzer zieht das vor allem Anleger aus dem deutschsprachigen Umland an. "Ich weiß aber auch aus Argentinien, dass es sehr reizvoll ist, beispielsweise hier in österreichische Staatsanleihen zu investieren und das dann mit dem österreichischen Bankgeheimnis zu kombinieren." Eben wegen seiner Undurchsichtigkeit ist Österreich seit Jahrzehnten auch ein Anziehungspunkt für das Vermögen arabischer Diktatoren gewesen.

Dem Bankgeheimnis sei dank - auch Sissis Konto war sicher vor dem Zugriff ausländischer BehördenBild: picture-alliance

Zypern

Zypern ist ein gutes Beispiel für die Abhängigkeit eines Landes von seinen dubiosen Geschäftsmodellen. Seit der europäischen Rettung des Inselstaates muss sich Zypern ein neues Geschäftsmodell zulegen. Davor war die Ausrichtung eindeutig laut Meinzer: "Zypern hatte eine ganz klare Ausrichtung auf Länder der ehemaligen Sowjetunion - deshalb bietet sich das Land als Drehscheibe in und aus diese Länder an." Über Briefkastenfirmen wurden Investitionen von beispielsweise Russen über Zypern wieder in Russland getätigt. Auf diesem Weg ging eine Menge Steuern am russischen Fiskus vorbei.

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