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Politik

WHO setzt Taiwan vor die Tür

Klaus Bardenhagen
9. Mai 2017

Auf Chinas Druck ist Taiwan nicht zur diesjährigen Weltgesundheitsversammlung eingeladen. Eine politische Strafaktion auf Kosten von Kranken, so Kritiker. Taiwan wehrt sich mit Videokampagnen und will trotzdem nach Genf.

Logo der Weltgesundheitsorganisation
Bild: AP

Fleißige Ärzte untersuchen und operieren, dankbare Patienten strahlen in die Kamera. Über den Bildern aus afrikanischen und karibischen Entwicklungsländern liegt optimistische Musik, dazu der Text: "Taiwan bietet Millionen von Patienten in aller Welt medizinische Versorgung." Die Botschaft dieses Imagevideos, das die Regierung vor einigen Wochen ins Netz stellte: Das international isolierte Taiwan hat es verdient, ins weltweite Gesundheitssystem eingebunden zu werden.

Dieses Ziel aber ist für den Inselstaat nun wieder in die Ferne gerückt: Zum ersten Mal seit acht Jahren erhielt Taiwan keine Einladung zur Generalversammlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Das diesjährige Treffen von mehr als 190 Staaten findet vom 22. bis zum 31. Mai in Genf statt. Wie bei allen UN-Organisationen ist Taiwan kein Mitglied. Zumindest mit Beobachterstatus konnte eine Delegation aber an der Konferenz, der World Health Assembly (WHA), teilnehmen. Dass dies nun erstmals seit 2009 nicht mehr möglich ist, liegt an China.

Bei der WHO in Genf (hier Generaldirektorin Margaret Chan) heißt es: "Das Ein-China-Prinzip ist UN-weit akzeptierte Politik" Bild: picture-alliance/dpa/S. di Nolfi

"Widerspricht dem Wesen der WHO"

"Tiefes Bedauern" und "Enttäuschung" äußerte Taiwans Präsidialamt an diesem Dienstag, nachdem die Frist zur Anmeldung ohne Einladung aus Genf verstrichen war. Präsidentin Tsai Ing-wen forderte die WHO auf, Taiwans Rolle bei der globalen Krankheitsbekämpfung zu würdigen. Die Organisation existiere, um die Gesundheit aller Menschen weltweit zu fördern. "Taiwan auszuschließen oder sogar zu unterdrücken, widerspricht dem Wesen der WHO, ist den Taiwanern gegenüber unfair und wird negative Folgen für die globale Krankheitsbekämpfung haben", heißt es in der Stellungnahme.

Tatsächlich hat das dicht besiedelte Taiwan mit 23 Millionen nicht nur etwa so viele Einwohner wie Australien, es kann als internationale Handelsdrehscheibe auch bei der Ausbreitung von Seuchen eine besondere Rolle spielen. Deutlich mache das etwa die SARS-Pandemie von 2003, der auch in Taiwan Dutzende Menschen erlagen, sagte Jonathan Sullivan der DW. Der Professor leitet das Institut für Chinapolitik der Universität Nottingham und hält sich derzeit in Taiwan auf. Damals war das Land von der WHO größtenteils sich selbst überlassen worden. "Die Regierung weist zu Recht darauf hin, dass es auch im Interesse der Volksrepublik wäre, Taiwan bei globalen Gesundheitsfragen mit im Boot zu haben."

Taiwan war ein Zentrum der SARS-Epidemie 2003. Schon damals beklagte Taiwan sich über fehlenden Informationsaustausch aufgrund Behinderungen durch Peking.Bild: AP

China beschuldigt Taiwans Regierung

Peking jedoch, mit seinem andauernden Machtanspruch auf das seit 1949 selbstregierte Taiwan, gibt Taiwans Präsidentin die Schuld an dem aktuellen Rückschlag. Anders als ihr Vorgänger weigert Tsai Ing-wen sich, den "Konsens von 1992" zur Grundlage ihrer Politik zu erklären. Ohne diese Kompromissformel, die sowohl Taiwan als auch die Volksrepublik als Teil eines "Einen China" definiert, gebe es keine Basis mehr für eine WHA-Teilnahme Taiwans, sagte Zhang Zhijun, Chef des chinesischen Amtes für Angelegenheiten Taiwans, am Montag.

Präsidentin Tsai, deren Demokratische Fortschrittspartei traditionell für Taiwans Unabhängigkeit eintritt, hatte sich bei ihrem Amtsantritt vor einem Jahr einen diplomatischen Drahtseiltanz vorgenommen. Sie wollte China nicht brüskieren, sich aber auch keinem "Ein-China-Prinzip" verschreiben. Peking brach umgehend die offiziellen Kontakte ab und versucht seitdem, Taiwans internationalen Spielraum bei allen möglichen Anlässen einzuengen.

Mit dieser Abstrafungs-Strategie schade Chinas Regierung aber letztlich ihrem Ziel der Vereinigung beider Seiten, so Taiwan-Experte Sullivan. Die Volksrepublik schaffe es nicht, die Herzen der Taiwaner zu gewinnen. Vielmehr würde durch Pekings Vorgehen letztlich die Idee einer Trennung Taiwans vom Rest Chinas  verstärkt. Er rechne nicht damit, dass Präsidentin Tsai durch die WHA-Absage innenpolitisch geschwächt werde.

Präsidentin Tsai Ing-wen bekommt Druck aus Peking Bild: Klaus Bardenhagen

"Taiwan soll sich nicht als Opfer stilisieren"

Tatsächlich fährt Tsais Regierung seit einiger Zeit Kampagnen, die Taiwans "soft power" betonen und um Unterstützung der internationalen Gemeinschaft werben – ein indirekter Affront gegen China. Dazu gehören neben den erwähnten Entwicklungshilfe-Videos auch Tweets, in denen die Präsidentin auf Englisch und Japanisch die WHA-Teilnahme einfordert.

Soft-Power-Kampagnen sollte Taiwan allerdings nicht zu offensichtlich mit politischen Zielen verknüpfen, sagte Gary Rawnsley, Professor für internationale Beziehungen an der walisischen Universität Aberystwyth, der DW. Zwar betreffe Gesundheit als grenzüberschreitendes Thema jeden, so der langjährige Taiwanbeobachter, ebenso wie Terrorismus oder Klimawandel. Falls Taiwan sich jedoch als ewig ausgeschlossenes Opfer stilisiere, könnte das international einen schlechten Eindruck machen – "wie bei dem Schüler, der nie in die Fußballmannschaft gewählt wird".

US-Außenpolitiker Ed Royce fordert Unterstützung für TaiwanBild: picture-alliance/dpa/R.Sachs

Unterstützung aus Washington

Hinter den Kulissen aktiviert Taipeh seine guten Beziehungen in die Hauptstädte westlicher Demokratien. Besonderes Gewicht hat Unterstützung aus Washington. Amerikas Gesundheitsminister solle sich in Genf in jedem Fall mit Taiwans Delegation treffen, forderte Ed Royce am Montag. Der Abgeordnete ist Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im US-Repräsentantenhaus.

Taiwans Gesundheitsminister bekräftigte am Dienstag, er werde auf jeden Fall eine Abordnung nach Genf anführen. Selbst wenn man von der WHA offiziell ausgeschlossen bleibe, werde man sich am Rande der Veranstaltung mit Partnern treffen. Auch über internationale Pressekonferenzen wird spekuliert. Das dürfte Peking wiederum missfallen.

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