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Glaube

"Wichtigstes Reformations-Wort war Gnade"

31. Oktober 2016

Bundespräsident Gauck, einst selbst evangelischer Pfarrer, fragte beim Festakt in Berlin, was die Reformation für die Gegenwart bedeutet - auch für diejenigen, die selbst nicht glauben.

Festakt zur Eröffnung des Lutherjahres 2017 (picture alliance / dpa)
Das Staatsoberhaupt im Konzerthaus am GendarmenmarktBild: picture-alliance/dpa/B. Pedersen

Bundespräsident Joachim Gauck hat die von Martin Luther ausgelöste Reformation als einen Grundstein für das Gemeinwesen in Deutschland gewürdigt. Ohne die "Initialzündung" der Reformation gäbe es weder die Freiheit des Glaubens und des Gewissens noch die unveräußerlichen Grundrechte, sagte Gauck bei einem Festakt in Berlin, der die Feiern zum 500-jährigen Reformationsjubiläum einläutete.

Bis zum 31. Oktober 2017 erinnert die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) mit Hunderten von Veranstaltungen weltweit an den Thesenanschlag Martin Luthers 1517 in Wittenberg. Dieses Ereignis gilt als Beginn der Reformation, die zur Abspaltung der evangelischen von der katholischen Kirche führte. Mit Reformation, Aufklärung und Religionskritik sei das Christentum in der Moderne angekommen - "jedenfalls zu großen Teilen", sagte Gauck im Berliner Konzerthaus am Gendarmenmarkt.

"Agenten der Entängstigung"

Die Ereignisse vor einem halben Jahrtausend prägten bis heute viele Länder Europas und weite Teile der Welt. Deutschland habe sich zur Selbstfindung immer wieder auf Luther berufen. Weil Luther es jedem Einzelnen freigestellt habe, ob er sich an das Evangelium bindet, sei "ein frischer Wind der Freiheit" in die Welt gekommen. Auch für Menschen, die nicht an Gott glauben, gehöre es zu den großen Schätzen der Reformation, dass der Einzelne letztlich nur seinem Gewissen gegenüber verantwortlich ist.

Für die Gegenwart rief der Bundespräsident zu mehr Mitmenschlichkeit auf. Das wichtigste Wort der Reformation sei wohl Gnade gewesen, sagte Gauck. In der Gesellschaft mache sich heute "ein Ungeist der Gnadenlosigkeit breit, des Niedermachens, der Selbstgerechtigkeit und Verachtung", mahnte er. Den "gnadenlosen Zuständen" müssten sich Menschen entgegensetzen. "Wir brauchen auch heute Agenten der Entängstigung", sagte er mit Blick auf den Reformator Martin Luther.

Von denjenigen, für die der christliche Glaube eine wichtige Rolle spiele, wünsche er sich, dass sie dieser Stimmung Momente von Zuwendung, Umkehr und Veränderung entgegensetzen. Allen anderen wünsche er, dass sie Gnade von Mitmenschen erfahren und auch selbst gnädig mit anderen umgehen, sagte Gauck.

Blick in die Festgemeinde beim Gottesdienst in der MarienkircheBild: Imago/epd

"Signal der Versöhnung"

Mit einem Festgottesdienst in der Berliner Marienkirche hatte die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) zuvor das Jubiläumsjahr eröffnet. Erstmals in der Geschichte der katholischen und der evangelischen Kirche werde der Jahrestag gemeinsam begangen, sagte der EKD-Ratsvorsitzende, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm. Er hob hervor, das Reformationsjubiläum sei "ein Signal der Versöhnung und des Aufbruchs" im Zeichen der Ökumene.

Während des Gottesdienstes wurde der frühere Mainzer Bischof und langjährige Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Karl Kardinal Lehmann, mit der Martin-Luther-Medaille der EKD ausgezeichnet. Damit würdigte die EKD dessen Verdienste um die Ökumene in Deutschland.

"Herzschlag, der unser Leben bestimmt"

Der Berliner evangelische Bischof Markus Dröge bezeichnete in seiner Predigt Reformation als "einen Rhythmus, der beflügelt, einen Herzschlag, der unser Leben bestimmt". Sie sei "immer neue Kraft, die bewegt und verändert, die Menschen ermutigt, über das Bestehende hinaus zu fragen". Dröge rief zur Zuversicht in die eigenen Gestaltungsmöglichkeiten auf. Er warnte vor Rechtspopulismus und wandte sich gegen "Kräfte, die vom Untergang des Abendlandes sprechen": "Wir können die Herausforderungen, die es ja unbestreitbar gibt, mutig anpacken."

jj/uh (epd, kna, dpa, afp)

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