Am Internationalen Tag der Übersetzung schauen wir auf Bücher, Filme und Lieder, die ohne Übersetzung niemals Weltruhm erlangt hätten.
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Übersetzung ist in unserem Alltag so allgegenwärtig, dass man sie fast gar nicht mehr bemerkt. Dabei begegnet sie uns überall: In einer Gebrauchsanweisung etwa - denn wie sollte man sonst ohne Schwedischkenntnisse ein IKEA-Regal aufbauen? Wie soll ein neu verpflichteter Fußballspieler aus Japan auf Anhieb kapieren, was sein deutscher Trainer von ihm will? Und ein griechisches Originalrezept bleibt für alle Nichtgriechen, nun ja, griechisch.
Von den Schildern an Flughäfen bis hin zu schlauen Apps und Dolmetscher-Programmen - Übersetzungen helfen nicht nur, sich an fremden Orten zu orientieren, sondern ermöglichen auch die Kommunikation mit Menschen, die eine andere Sprache sprechen - etwa mit Kolleginnen und Kollegen an multikulturellen Arbeitsplätzen, die heute fast selbstverständlich sind.
Übersetzer und Übersetztes begleiten uns also in allen Lebenslagen - in der Politik und Diplomatie genauso wie bei Gerichtsverhandlungen und nicht zuletzt im kulturellen Leben.
Ein heiliger Übersetzer
Im Jahr 2017 erklärten die Vereinten Nationen den 30. September zum Internationalen Tag der Übersetzung. Nicht ganz zufällig: Es ist auch der Gedenktag des Heiligen Hieronymus, eines bedeutenden Theologen und Schriftgelehrten im 4. und 5. Jahrhundert n.Chr.
Sein wohl bekanntestes Werk, die "Vulgata", ist eine Übersetzung der griechischen Handschriften des Neuen Testaments ins Lateinische. Zudem übertrug er Teile des hebräischen Evangeliums ins Griechische. Hieronymus hatte in der Schule Lateinunterricht und lernte später auf seinen Reisen fließend Griechisch und Hebräisch. Er starb am 30. September 420 in der Nähe von Bethlehem. Er gilt als Schutzpatron der Übersetzer.
Die Welt wäre dümmer und ärmer ohne Übersetzung
Nicht ganz so alt wie die lateinische Bibelübersetzung ist die Kampagne "Discover Translation" (Entdecke die Übersetzung). Diese hatte die Europäische Kommission im Jahr 2020 ins Leben gerufen, um Menschen für den Beruf des Übersetzers zu gewinnen.
Ohne Übersetzung wäre die Welt sowohl in wirtschaftlicher als auch in kultureller Hinsicht langweiliger, ärmer und ungleicher, da nur die wenigen Glücklichen mit Fremdsprachenkenntnissen Zugang zu Waren, Informationen und Kultur aus anderen Ländern hätten, so die Kommission.
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Neruda und die Eiskönigin
Übersetzungen bringen uns in den Genuss von Büchern, Liedern, Filmen, Serien und Computerspielen, die ihren Ursprung in einer fremden Sprache haben. Dies kann auch ein interkulturelles Bewusstsein fördern.
Wie sonst könnten wir die Gedichte des chilenischen Schriftstellers Pablo Neruda verstehen - oder die dänischen Märchen Hans Christian Andersens? Wie könnten wir Wissen und Weisheit aus Büchern wie der christlichen Bibel, dem islamischen Koran, dem jüdischen Talmud oder auch dem bedeutendsten Werk des Hinduismus, der Bhagavad Gita, erlangen?
Das deutsche Weihnachtslied "Stille Nacht" wurde 2011 von der UNESCO zum immateriellen Kulturerbe erklärt und ist angeblich das am häufigsten übersetzte Weihnachtslied überhaupt.
Inzwischen ist das Lied "Let It Go" aus dem Disney-Film "Frozen" (Die Eiskönigin, 2013) in mehr als 40 Sprachen übersetzt worden, darunter auch malaysisch und mandarin. Auf Youtube hat Disney ein Video hochgeladen, in dem 25 Sängerinnen diesen Song in ihrer Sprache interpretieren.
Nintendo und Netflix
In der Welt der Spiele haben "Super Mario" und "Donkey Kong" des japanischen Unternehmens Nintendo durch deren Übersetzungen weltweite Verbreitung gefunden. Auch kuriose Übersetzungsfehler sind über die Jahre aufgetaucht: So wurde das englische Wort "miss" - wenn man einen Gegner verfehlt oder etwas verpasst - aus Versehen zum deutschen "Fräulein", was auf Englisch auch "Miss" heißt.
Während der Corona-Lockdowns hatten die Menschen, die zu Hause festsaßen, plötzlich viel Zeit und wandten sich den Streaming-Diensten zu. Sie erhielten Zugang zu fremdsprachigen Serien und Filmen mit Untertiteln aus der ganzen Welt, von Island bis Indien.
Die südkoreanische Serie "Squid Game" hat sich bei ihrer Veröffentlichung im September 2021 in 22 Ländern auf Platz 1 der Netflix-Charts geschoben. Mit unglaublichen 1,65 Milliarden Sehstunden in 28 Tagen nach der Premiere ist sie nach wie vor die meistgesehene Serie des Streaming-Giganten, gefolgt von der englischsprachigen US-Serie "Stranger Things".
Vom Sprachführer zum Bot
Die Übersetzungsmethoden haben sich im Laufe der Jahrhunderte natürlich enorm weiterentwickelt. Die Gelehrten in der Antike übertrugen die Texte mühsam aus der Ausgangssprache in die Zielsprache. Bis zum Computerzeitalter arbeiteten wir mit Sprachführern und Audiokassetten, um eine andere Sprache zu erlernen. Und heute haben wir den Google-Translator oder DeepL.
Letztere helfen uns vor allem bei der Übersetzung historischer, akademischer oder anderer wissenschaftlicher Arbeiten. Doch die wahre Kunst der Übersetzung bedeutet: Interpretation und ein Bewusstsein für das Zielpublikum. Nur wird das Original mit viel Einfühlungsvermögen an den kulturellen Kontext der Sprache angepasst, in die es übersetzt wird.
Weltreise der Literatur: oft übersetzte Bücher
Am Internationalen Übersetzertag stellen wir berühmte Bücher vor, die in zahlreiche Sprachen übersetzt wurden. Darunter viele Klassiker und ein ganz besonderes Dokument.
Bild: Pascal Deloche/Godong/picture alliance
Die Heilige Schrift
Der Internationale Tag der Übersetzung fällt auf das Fest des Heiligen Hieronymus, der Teile des griechischen Neuen Testaments ins Lateinische und Teile des hebräischen Evangeliums ins Griechische übersetzte. Verfasst wurde es in Hebräisch, Aramäisch und Griechisch. Einer Statistik von 2022 zufolge wurde die Bibel in 724 Sprachen übersetzt. Mindestens ein Buch der Bibel sogar in 3.384 Sprachen.
Bild: Pascal Deloche/Godong/picture alliance
Spiritueller Führer
Die 700 Verse der "Bhagavad Gita" - Sanskrit für "Lied Gottes" - gehören zum indischen Epos "Mahabharata". Der bedeutende Text des Hinduismus ist ein Dialog zwischen Prinz Arjuna und Krishna, eine Inkarnation der Göttlichkeit Vishnu. Er soll aus dem Jahr 2 v. Chr. stammen. Statistiken zufolge soll er in mehr als 75 Sprachen, davon allein mehr als 300 Mal ins Englische übersetzt worden sein.
Bild: Pascal Deloche/Godong/picture alliance
Tao Te Ching
Das Tao Te Ching sind chinesische Weisheiten, die aus dem 4. oder 3. Jahrhundert v. Chr. stammt und einer obskuren Person, Lao Tzu, oder "dem alten Meister", zugeschrieben werden. Die 81 Verse weisen den Weg zum Tao, dem Weg, um Harmonie mit der Lebenskraft des Universums zu tanken.
Bild: CPA Media/Pictures From History/picture alliance
Parodie auf den Ritterroman
"Der sinnreiche Junker Don Quijote von der Mancha" - im Volksmund "Don Quijote" genannt - wurde von Miguel de Cervantes in spanischer Sprache verfasst und in zwei Teilen 1605 und 1615 veröffentlicht. Er gilt als der erste moderne Roman - weil er ironisch das Genre des Ritterromans aufgreift. Das Buch wurde in 50 Sprachen übersetzt.
Bild: Mario Ruiz/EPA/picture alliance/dpa
Kraft der Märchen
Die Märchen von Hans Christian Andersen wurden in 128 Sprachen übersetzt. Einige der bekanntesten Geschichten des dänischen Autors, die zwischen 1835 und 1837 entstanden sind: "Däumelinchen" (Bild), "Die kleine Meerjungfrau", "Das hässliche Entlein" und "Der standhafte Zinnsoldat".
Bild: akg-images/picture alliance
Kommunistisches Manifest
"Ein Gespenst geht um in Europa - das Gespenst des Kommunismus". So beginnt das Kommunistische Manifest von Karl Marx und Friedrich Engels, 1848 in sechs Wochen verfasst. Und so endet es: "Die Proletarier haben nichts zu verlieren als ihre Ketten. Sie haben eine Welt zu gewinnen. Arbeitende Männer aller Länder, vereinigt euch." Nach der Bibel eins der meist übersetzten Bücher.
Bild: edpics/Zoonar/picture alliance
Übersetzung in Emojis
2015 übersetzte der Künstler, Designer, Autor und "Emoji-Übersetzer" Joe Hale 300 Stunden lang den Roman "Alice im Wunderland" des britischen Autors Lewis Carroll in mehr als 26.000 Emojis. Dies geschah im Rahmen der Feierlichkeiten zum 150. Jahrestag des Buches, dessen Protagonistin auf Jiddisch als Alis, auf Tonga als Alisi und auf Russisch als Anya bekannt ist.
Bild: Glasshouse Images/picture alliance
Zeitlose Lebensweisheiten
"Der kleine Prinz" wurde in 552 Sprachen und Dialekte übersetzt, und in einigen dieser Sprachen existieren mehrere übersetzte Versionen. Das ursprünglich auf Französisch geschriebene Buch handelt von einem jungen Prinzen, der verschiedene Planeten besucht, darunter die Erde, und über Einsamkeit, Liebe und Verlust nachdenkt. Es wurde erstmals 1943 veröffentlicht und genießt noch immer Kultstatus.
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Kampf für Menschenrechte
Die 1948 veröffentlichte Erklärung der Menschenrechte hält den Guinness-Weltrekord des am häufigsten übersetzten Dokuments der Geschichte, da es von ihr Fassungen in mehr als 500 Sprachen und Dialekten von Abchasisch bis Zulu gibt. Die vielen Übersetzungen unterstreichen die Bedeutung der Menschenrechte und stellen sicher, dass Menschen weltweit ihre Rechte kennen, unabhängig von ihrer Sprache.
"Der Alchimist" ist ein auf Portugiesisch verfasster Roman des brasilianischen Autors Paulo Coelho, der 1988 veröffentlicht wurde. Er gilt als meist übersetzter internationaler Bestseller. Coelho hält den Guinness-Rekord "für den am meisten übersetzten Autor für ein und dasselbe Buch". Er wurde bereits in 80 Sprachen übersetzt, darunter Hindi, Farsi und isiXhosa.
Bild: J.l.Cerejido/EFE/EPA/picture-alliance/dpa
Übersetzungshit in Afrika
"Die aufrechte Revolution" (2019) von Ngugi wa Thiong'o ist eine Kurzgeschichte darüber, wie und warum der Mensch begann, aufrecht zu gehen. Sie wurde in Gikuyu geschrieben und wirft einen messerscharfen Blick auf die menschliche Psyche und Politik. Die Geschichte des Kenianers wurde in 63 Sprachen übersetzt - 47 davon aus Afrika - und ist damit Rekordhalter in der afrikanischen Literatur.
Bild: UNIVERSITY OF CALIFORNIA/EPA/picture alliance