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Glaube

Wie afrikanische Christen in Deutschland unter Corona leiden

Daniel Pelz
27. Mai 2020

Afrikanische Kirchen im Ausland sind Heimat in der Fremde, soziales Netzwerk, Ersatzfamilie für tausende Menschen. Doch die Corona-Krise macht es schwierig, Glauben und Gemeinschaft zu leben. Aus Berlin Daniel Pelz.

Afrikanische Christen in der St. Elisabeth-Kirche in Berlin
Bild: DW/D. Pelz

Melanie Oben singt nicht einfach nur. Sie schmettert die Lieder mit einem solchen Einsatz, als könne sie allein den ganzen Chor ersetzen. Genau das muss sie auch. 20 Leute würden eigentlich jetzt neben ihr stehen, aber die Orgelbühne ist fast leer. Nur die gebürtige Kamerunerin Oben, ein weiterer Sänger und der Keyboarder sind da.

Die Kirche bleibt still

"Sie sehen, wie wir uns hier anstrengen müssen", sagt Oben. Aber es lohnt sich. Wie ein warmer Teppich sinkt ihr "Ehre sei Gott" in die Kirche herab. Dort unten müssten die Menschen jetzt eigentlich aufstehen, mitsingen, klatschen. Doch es bleibt alles ruhig. Nur eine Frau in der letzten Bank summt leise, fast schüchtern, hinter ihrem Mundschutz mit.

Der Gottesdienst sonntags um eins ist ein Stück Afrika mitten in Berlin-Schöneberg. Zwei Welten treffen aufeinander, so unterschiedlich wie nur eben möglich. Da die wuchtige St. Elisabeth-Kirche, mit ihren dunklen Holzbänken und gotischen Fenstern, ganz traditionell deutsch. Dort die bunte afrikanische Gemeinde mit ihren Liedern und Traditionen, Kenianer, Nigerianer, Kamerunerinnen wie Melanie Oben. "Wenn ich hier sonntags singe, fühle ich mich zuhause", sagt sie.

Für viele Afrikaner sind die Gottesdienste im Ausland ein Stück HeimatBild: Reuters/S. Dawson

Doch in Corona-Zeiten ist alles anders. Erst seit Anfang Mai dürfen Gottesdienste unter strengen Auflagen in Berlin überhaupt wieder stattfinden. Wer kommen will, muss sich anmelden. Maximal fünfzig Menschen sind erlaubt. Am Eingang wacht eine aufmerksame Helferin, dass sich jeder die Hände desinfiziert. Bis auf Melanie Oben und ihren Kollegen darf niemand singen.

Monatelanger Ausnahmezustand

"Zur Messe kommen ist wie nach Hause kommen", sagt auch Pfarrer Sylvester Ajunwa. In Zeiten der Pandemie aber ist es ein leeres, stilles Zuhause. Kaum dreißig Menschen sitzen versprengt in der großen Kirche. Auch Ajunwa wirkt im Altarraum fast ein wenig verloren. Für rund 1000 englischsprachige Katholiken in Berlin und Brandenburg ist der Priester zuständig. Ein freundlicher Brückenbauer zwischen Afrika und Deutschland, der in Nigeria geboren wurde und in Würzburg promoviert hat.

Schon in normalen Zeiten ist sein Job ohne eine gute Portion Gelassenheit und Gottvertrauen nicht zu schaffen. Ajunwa hat beides – auch jetzt. "Der Glaube an Gott ist unser Anker, mit dem wir diese schwierigen Zeiten überleben, und wir werden weiter auf seine Hilfe vertrauen", sagt er zur Eröffnung des Gottesdienstes. Und er tut viel dafür, damit das keine leeren Worte bleiben. Allein an diesem Sonntag hetzt er durch die Stadt, um vier Gottesdienste zu feiern. In Sankt Elisabeth sogar zwei statt wie sonst einem. Denn pro Feier sind nur 50 Menschen erlaubt - und niemand soll deshalb draußen bleiben müssen.

Rund 40 Prozent aller Afrikaner sind ChristenBild: picture-alliance/AP Photo/B. Curtis

Ajunwa nimmt das gerne auf sich. Er weiß, was die Corona-Krise für seine Gläubigen bedeutet, vor allem die Zeit ohne Gottesdienste. Wo sich andere aus Angst vor dem Virus zu Hause einigelten, traf er die, denen es besonders schlecht ging, persönlich. Mit Mindestabstand, wie er betont. Mit anderen telefonierte er. Das Handy klingelte ständig. Ajunwa: "Die Gemeindemitglieder haben zwei Dinge verloren: Ihr spirituelles Leben und ihr gemeinschaftliches Leben. Wo sie sich ihre Probleme von der Seele reden oder sich gemeinsam über positive Erfahrungen freuen können. Vielen hat das sehr weh getan."

Die Gemeinschaft fehlt

Und viele schmerzt es noch immer. Nach den Gottesdiensten treffen sich die Gemeindemitglieder für gewöhnlich im Pfarrsaal nebenan. Essen, trinken, reden, manchmal stundenlang. Nun ist der riesige Raum leer, die Stühle übereinander gestapelt. "Die Zeit nach der Messe ist eigentlich eine zweite Feier", sagt Pfarrer Ajunwa.

Religiöses Leben in Corona-Zeiten

03:33

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Die fehlt Gläubigen wie Godwin Nwaru. Von sich selbst sagt er, dass er nie einen Gottesdienst in St. Elisabeth verpasst – außer er ist nicht in Berlin. "Es ist furchtbar", klagt er nach der Messe. "Wir haben unsere Gemeinschaft verloren, der soziale Aspekt unseres Lebens ist zerstört worden. Einige Gemeindemitglieder, die früher regelmäßig kamen, haben wir seit Monaten nicht mehr gesehen." Im Corona-Gottesdienst fehlt ihm, der vor zehn Jahren nach Deutschland kam und nun im Pfarrgemeinderat mitmacht, noch einiges: "Unser Chor ist so reduziert worden. Früher hatten wir unsere Trommeln, Gongs und andere Instrumente. Es ist keine richtige afrikanische Feier mehr."

Melanie Oben singt sich währenddessen schon für den zweiten Gottesdienst ein, der in einer guten halben Stunde beginnen soll. Ein verwaistes Schlagzeug hinter ihr erinnert noch an bessere Zeiten. Aber sie will trotzdem nicht klagen: "Ich bin erleichtert, dass wir endlich wieder in die Kirche gehen und singen dürfen. Hier hole ich mir die Energie für die nächste Woche. Über zwei Monate mussten wir zu Hause bleiben. Das war für viele wie die Hölle."