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Politik

Berlin: Reaktionen auf YouTube-Sperrung gegen RT

30. September 2021

Die Bundesregierung betont, mit der Entscheidung von YouTube gegen RT Deutsch nichts zu tun zu haben. Von Moskau angedrohte Vergeltungsmaßnahmen weist Berlin zurück. Im Bundestag gehen die Meinungen auseinander.

Russia Today RT  TV Sender Moskau Russland
Bild: Getty Images/K. Kudryavtsev

"YouTube hatte schon immer klare Community-Richtlinien, die darlegen, was auf der Plattform erlaubt ist", erklärte YouTube auf DW-Anfrage im Zusammenhang mit der Sperrung von zwei deutschen RT-Kanälen. RT DE habe, so die Plattform, gegen die Nutzungsrichtlinien verstoßen.

Nach Angaben von YouTube hatte das russische Staatsmedium wegen der Verbreitung von Falschinformationen über die Coronavirus-Pandemie einen Verweis erhalten und durfte zunächst keine weiteren Beiträge hochladen. Diese Einschränkung habe RT DE umgangen, indem es Videos in seinem Kanal "Der fehlende Part" hochgeladen habe, heißt es bei Youtube. Daraufhin seien die beiden RT-Kanäle dauerhaft gesperrt worden.

Warum der Deutsche Presserat schweigt

RT wiederum wies auf Anfrage der öffentlich-rechtlichen Landesrundfunkanstalt SWR den Vorwurf von YouTube zurück, Falschinformationen zu verbreiten, und machte darauf aufmerksam, dass sich der Deutsche Presserat zu dem russischen deutschsprachigen Internetsender noch nie geäußert habe.

Sascha Borowski: Presserat kann RT nicht tadelnBild: Ulrich Wagner

Der Deutsche Presserat ist die Freiwillige Selbstkontrolle der Print- und Onlinemedien in Deutschland. Er tritt für die Einhaltung ethischer Standards des Pressekodex ein. Verurteilungen durch den Rat sind keine Rechtsakte, daher ist die Offenlegung von Verstößen das wirksamste Mittel, auf skrupellose Journalisten oder Redaktionen einzuwirken. Gegen RT wurde nie ein Tadel ausgesprochen, was auch unmöglich wäre, denn der Deutsche Presserat überwacht nur deutsche Printmedien und deren Online-Versionen, die sich zur Einhaltung des Pressekodex verpflichtet haben. RT DE hätte sich aber durchaus freiwillig der Kontrolle dieses Rates anschließen und sich verpflichten können, den deutschen Pressekodex einzuhalten.

Doch dies sei nie geschehen, sagt Sascha Borowski vom Deutschen Presserat: "Wir prüfen nur Beschwerden über Berichte in Zeitungen, Zeitschriften und deren Online-Auftritten. Reine Online-Medien werden bei uns ausschließlich nach Beantragung und Prüfung einer Selbstverpflichtungserklärung geprüft. Ein solcher Antrag auf Selbstverpflichtung hat uns von RT DE nie vorgelegen."

Thema bei Bundespressekonferenz

RT-Korrespondenten in Deutschland genießen die gleichen Rechte wie alle anderen in- und ausländischen Journalisten, die von der Bundesregierung oder Bundestag akkreditiert sind und entweder Mitglied der Bundespressekonferenz (BPK) oder des Vereins der Auslandspresse (VAP) sind. Als Mitglieder der BPK haben sie auch das Recht, an den Pressekonferenzen in Berlin teilzunehmen und Vertretern der Bundesregierung Fragen zu stellen.

Davon machen RT-Reporter regen Gebrauch. Regierungssprecher Steffen Seibert beantwortet regelmäßig ihre Fragen, verbirgt jedoch manchmal seine Verärgerung über deren Länge nicht. An diesem Mittwoch, dem 29. September, war der RT-Korrespondent bei der Bundespressekonferenz nicht zugegen. Seine Frage wurde diesmal online eingereicht. Vor Ort stellten Journalisten anderer Medien Fragen zur YouTube-Sperrung von RT DE.

"Wir haben diese Entscheidung von YouTube zur Kenntnis genommen. Weil es da anderslautende Erzählungen gerade auf russischen Kanälen gibt, will ich ganz glasklar sagen: Das ist eine Entscheidung von YouTube und die Bundesregierung oder Vertreter der Bundesregierung haben mit dieser Entscheidung nichts zu tun. Wer das also behauptet, der bastelt sich eine Verschwörungstheorie zurecht", sagte Seibert auf die Frage der DW.

Der Regierungssprecher bezog sich auf eine Erklärung des russischen Außenministeriums. Dieses sprach von einem "beispiellosen Informationsangriff", der mit "Duldung der deutschen Seite begangen wurde". Zugleich drohte das Außenamt mit Maßnahmen gegen deutsche Journalisten in Russland. RT-Chefredakteurin Margarita Simonjan "freue sich schon sehr" auf das Verbot der DW und anderer deutscher Medien in Russland und die Schließung der Büros von ARD und ZDF.

Seibert sagte in diesem Zusammenhang: "Aus unserer Sicht gibt es überhaupt keinen Anlass zu solchen, wie sie es nennen, Gegenschlägen gegen deutsche Medien, die in Russland arbeiten. Wer solche Gegenschläge fordert oder davon spricht, der zeigt aus unserer Sicht kein gutes Verhältnis zu Pressefreiheit."

So reagieren Bundestagsabgeordnete…

Die Abgeordnete Renata Alt, die für die FDP im Auswärtigen Ausschusses des Bundestages sitzt, teilt den Standpunkt der Bundesregierung. "Die Drohungen des russischen Außenministeriums zeigen einmal mehr und auf absurde Weise, dass das Putin-Regime Politik nach dem 'Auge um Auge'-Prinzip macht. Dass YouTube als privates Unternehmen die deutschsprachigen Kanäle von RT gesperrt hat, weil der Sender mit seinen Verschwörungstheorien zu Corona gegen die Richtlinie zur Desinformation verstoßen hat, wird seitens der russischen Regierung gekonnt ignoriert", so Alt.

Anders reagierte Martin Renner, Medienexperte der Bundestagsfraktion der rechtspopulistischen AfD, auf die Sperrung von RT. Die AfD unterhält enge Verbindungen zum Kreml. Im Gespräch mit der DW bezeichnete er das Vorgehen von YouTube als "ganz und gar ungehörige Vorgehensweise". Renner glaubt, dass solche Entscheidungen der Regierung "an private Unternehmungen delegiert" werden. "Letztlich geht es um Meinungsfreiheit und um Pressefreiheit und ich empfinde das als einen ganz gewaltigen Einschnitt in die Pressefreiheit", sagte er. Die russischen Drohungen mit Vergeltungsmaßnahmen betrachtet Renner als "Folge einer falschen Politik, die in Deutschland begonnen und durchgeführt wurde".

Im Bundestag gibt es Unterstützung, aber auch Kritik am Vorgehen von YouTube gegen RTBild: picture-alliance/Arco Images/Schoening

Sevim Dagdelen, Obfrau der Linksfraktion im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages, erklärte, es sei "beängstigend, dass US-Oligarchen entscheiden, welche Nachrichten in Deutschland empfangen werden dürfen und welche nicht". Sie betonte ferner: "Wer sich über das politisch willkürliche Vorgehen der Google-Tochter Youtube nicht empört, kann nicht glaubwürdig Zensurmaßnahmen in anderen Ländern kritisieren. Das Ausschalten missliebiger Nachrichtenbeiträge zur Corona-Pandemie durch privatwirtschaftliche US-Konzerne ist ein ernstzunehmender Eingriff in die Pressefreiheit."

…und so reagieren Menschenrechtler

Die Menschenrechtsorganisation Reporter ohne Grenzen erklärte gegenüber der DW, YouTube sei ein privates Unternehmen und könne daher solche Entscheidungen treffen. Christopher Resch, Sprecher der Organisation, fügte allerdings hinzu: "Wir sehen aber die Löschung von Beiträgen, die im Kern von der Informations- und Pressefreiheit gedeckt sind und die auch keine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben darstellen, grundsätzlich problematisch." Resch rät sozialen Netzwerken, Desinformation nicht mit Verboten und Sperren zu bekämpfen, sondern Links zu unabhängigen Faktenchecks anzubieten.

Gleichzeitig macht Reporter ohne Grenzen auf die immer stärkere Verletzung der Pressefreiheit in Russland und die dort zunehmende Zensur im Internet aufmerksam. Die Drohungen aus Moskau, mit Vergeltungsmaßnahmen gegen deutsche Medien vorzugehen, bezeichnet Reporter ohne Grenzen als "völlig unangemessen". Denn es gebe keine Beweise dafür, dass die deutschen Behörden an der Entscheidung von YouTube beteiligt gewesen wären.

Adaption aus dem Russischen: Markian Ostaptschuk

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