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Gesellschaft

Wie Corona Freundschaften verändert

16. Februar 2021

Seit fast einem Jahr steht das Leben wegen der Coronakrise Kopf. Wie hat sich dies auf Freundschaften ausgewirkt? Experten haben eine schlechte - und eine gute Nachricht für alle.

Symbolbild I elbow bump Begrüßung
Bild: Westend61/Imago Images

Die 17-jährige Anna Schmidt* hat sich vor der Corona-Krise viel mit Freundinnen getroffen - ihre Clique umfasst sieben Mädchen, die sich schon seit Jahren kennen. Jetzt ist alles anders: Statt persönlich miteinander Zeit zu verbringen, zu quatschen, shoppen zu gehen oder zu feiern, findet der Austausch der Jugendlichen in den Sozialen Medien statt.

Auch die Schule gibt es derzeit nur virtuell. Zu loseren Schulfreunden hat sie deshalb gar keinen Kontakt mehr. Nur mit einer Freundin aus dem Ort geht sie ab und zu spazieren. "Mehr Freundinnen habe ich nicht getroffen, auch weil meine Eltern das wegen der hohen Infektionszahlen nicht wollten", erzählt sie der DW.

Seit Beginn der Corona-Restriktionen vor rund einem Jahr stehen scheinbar auch die Freundschaften auf dem Prüfstein. Denn Treffen in größeren Gruppen war zumindest in den Lockdown-Zeiten untersagt. Aus Angst sich und andere anzustecken, haben viele Menschen ihre Treffen nach draußen verlagert. Im Winter ist das aber nur eingeschränkt möglich. Erwachsene mit Kindern haben wiederum kaum Zeit, sich um die Freundschaften kümmern, weil die Doppelbelastung aus Job-  und Home-Schooling an den Kräften zehrt. Manch anderer hat seine Freunde vor allem im Sportverein oder in der Kneipe gesehen - doch die haben zu.

Neue Nähe in alten Freundschaften

Hat die Corona-Krise also unsere Freundschaften angegriffen? Ganz so einfach ist die Antwort nicht, findet Wolfgang Krüger, Psychotherapeut und Buchautor ("Freundschaft: Beginnen, verbessern, gestalten") aus Berlin.

Krüger unterscheidet zwischen zwei Typen der Freundschaft - der Herzens- und der Alltagsfreundschaft. "Die Alltagsfreundschaften basieren darauf, dass wir gemeinsam etwas unternehmen, zum Beispiel beim Chor, Sport oder in der Kneipe zum Skatspielen. Da diese Anlässe wegfallen, gehen diese Freundschaften auch unter", sagt er der DW.

Am härtesten seien derzeit ältere alleinstehende Männer betroffen. Auch das Krisennetzwerk "Silbernetz" bestätigt gegenüber der DW einen Anstieg von älteren Anruferinnen und Anrufern, die sich einsam fühlen.

Besonders ältere Männer fühlen sich derzeit einsam Bild: Getty Images/A. Dennis

Für die sogenannten Herzensfreundschaften hat Psychotherapeut Krüger dagegen eine gute Nachricht. "Das sind die - maximal drei - Freundschaften - wo ich alles erzählen kann, wo ich vertraue, wo eine hohe Intimität vorhanden ist. Die rufe ich in Zeiten von Corona sogar mehr an", sagt er.

Denn in Krisenzeiten gebe es den Wunsch nach Austausch, vor allem mit den Herzensfreundschaften. "Diese Form der Freundschaft intensiviert sich."

Psychotherapeut Wolfgang Krüger Bild: Gerald Wesolowski

Durch das Nichtsehen entstehe zwar zunächst ein Verlust an Intimität, erklärt er. Denn Vertrauen entstehe auch dadurch, dass man den anderen riechen und spüren könne. "Was wir in der Corona-Zeit hinkriegen müssen, ist, dass wir Gespräche führen, die dem anderen nahe gehen, um das zu kompensieren."

Auch Anna erzählt, dass sie sich nun mit einer Freundin Briefe schreibt, in denen sie sich alles erzählen können. "Wir sind jetzt noch enger befreundet als vor Corona, weil wir vorher eher in der Gruppe miteinander gesprochen haben."

Zu anderen Freundinnen hingegen hat sich der Kontakt verschlechtert. "Manche Freundinnen melden sich auch nicht so oft, da habe ich schon das Gefühl, dass ich sie komplett aus dem Blick verliere."

Bin ich wichtig genug?

Schon seit einiger Zeit beschäftigen sich auch Wissenschaftler weltweit mit dem Thema - mit ähnlichen Ergebnissen. So kam das University College London bei einer Umfrage im Sommer 2020 zu dem Ergebnis, dass es für rund die Hälfte der Menschen kaum eine Veränderung gegeben hatte. Etwa 22 Prozent konnten eine Verschlechterung, 15 Prozent eine Verbesserung ihrer Freundschaften feststellen.

Auch das Social-Media-Unternehmen Snap beschäftigte sich mit Freundschaften. Die Studie legt nahe, dass sich vor allem die engen Freundschaften weiter intensivieren.

Herzensfreundschaften können sogar noch intensiver werden, auch wenn wir uns physisch nicht mehr so nah sein können Bild: picture-alliance/NurPhoto/B. Zawrzel

Doch warum verlieren manche Menschen ihre Freunde in der Krise, obwohl sie sich scheinbar so nahe waren? Laut Freundschafts-Soziologe Janosch Schobin von der Universität Kassel erklärt sich dies durch die komplexen Konstellationen innerhalb von Freundschafts-Cliquen. Rangfolgen innerhalb von Freundeskreisen könnten ganz unterschiedlich bewertet werden. 

Von der Liste gerutscht

Normalerweise ist das kein großes Problem, doch in Corona-Zeiten mussten sich die Menschen auf einige wenige Freunde konzentrieren. "Wenn Aufmerksamkeit umverteilt wird, bekommen einige wenige Freunde noch genug Aufmerksamkeit, aber für die anderen ist nicht mehr genügend da", erklärt Schobin. Sie haben dann das Gefühl, dass sich ihre Freunde von ihnen entfernen.

Ein Freundeskreis - doch wo genau stehe ich? Bild: picture-alliance/W. Steinberg

Doch auch wer sich einsam fühlt, kann jede Menge tun." Man hat auch gesehen, dass Leute sich anpassen - und in ihrer eigenen Liste weiter nach 'hinten' gehen", sagt Schobin.

Auch Elke Schilling von Silbernetz verweist bei den Senioren unter anderem auf "alte Telefonlisten" oder auf Initiativen wie Silberdraht, die Kulturevents am Telefon vermitteln - zwar keine Freundschaft, aber zumindest Unterhaltung.

Für junge Menschen wie Anna bleibt erstmal die große Auswahl an Apps, die sie "zum reden oder um Spiele miteinander spielen" nutzt. Und die Aussicht, dass es irgendwann wieder anders wird.

*Name auf Wunsch geändert

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