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Politik

Wie das blaue Monster den Brexit übernahm

Barbara Wesel
25. Februar 2019

Theresa May kaperte wegen des Brexit teilweise das Gipfeltreffen mit der Arabischen Liga in Ägypten. Aber sie fuhr mit leeren Händen nach Hause. Dort geht der Streit mit dem Parlament auch über den Zeitplan weiter.

Niederlande Den Haag Stef Blok mit Brexit Monster
Bild: AFP/Netherlands Foreign Ministry/A. Meijer

Der niederländische Premier Mark Rutte versuchte es am Rande des Treffens in Scharm el Scheich mit einer Entspannungsübung. Er erzählte Theresa May von dem großen blauen Monster, das seine Regierung zur Warnung für heimische Unternehmen erfunden hatte, um sie vor den Folgen des Brexit zu warnen. Aber selbst wenn Rutte mit der Premierministerin herum alberte, war seine Mahnung bitterernst: "Wir schlafwandeln in ein No-Deal Scenario hinein. Das ist inakzeptabel und eure Freunde müssen euch warnen. Wacht auf! Das hier ist echt! Einigt euch und schließt die Vereinbarung ab!"

Eine Verlängerung wäre die vernünftige Lösung

Eine halbe Stunde hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel in dem ägyptischen Badeort für ihre britische Kollegin übrig. Merkel habe sich erklären lassen, wie die nächsten Schritte aussehen, so hieß es hinterher. Über neue Inhalte habe man nicht geredet. Aber man hat wohl die Verlängerungsoption erörtert.

Donald Tusk plädiert für eine Verlängerung beim Brexit als "vernünftige" Lösung Bild: Getty Images/AFP/M. El-Shahed

Die hält nämlich Ratspräsident Donald Tusk inzwischen für eine "rationale", wenn nicht gar die einzig vernünftige Lösung. Die 27 Mitgliedsstaaten würden "maximales Verständnis und guten Willen" zeigen, um eine Verlängerung möglich zu machen. Denn Tusk hält den Zeitrahmen für viel zu eng, den Theresa May ihrer Regierung und ihrem Parlament nun aufzwingt.

Sie lässt das Unterhaus erst am 12. März zum zweiten Mal über das Austritts-Abkommen abstimmen. Wenn sie das Votum erneut verliert, bleiben nur noch ein Chaos-Brexit oder eben die Verlängerung. Selbst wenn sie gewinnen sollte, bleibt wenig Zeit für beide Seiten, die entsprechenden Beschlüsse und Ratifizierungen noch über die Bühne zu bringen. Aber Donald Tusk weiß auch, dass Theresa May weiter eisern daran festhält, sie könne den Brexit fristgerecht bis zum 29. März schaffen.

Wobei es dafür keine Anzeichen gibt, denn auch ihr Treffen am Rande mit Kommissionschef Jean-Claude Juncker brachte kein Ergebnis. Es waren "konstruktive" Gespräche - man kennt das inzwischen. Die Europäer wollen sowieso abwarten, ob May im März überhaupt für einen Vorschlag zur Lösung des irischen Grenzproblems eine Mehrheit im Parlament bekommen kann. Erst danach sind sie bereit, entsprechende Zugeständnisse in letzter Minute beim Gipfel in Brüssel umzusetzen. Das Unterhaus müsste an dem Punkt also einer Art Blanko-Vorlage zustimmen. 

Brexit immer noch in Reichweite?

"Es ist in unserer Reichweite, die europäische Union am 29. März mit einem Abkommen zu verlassen", wiederholt Theresa May am Ende in Scharm el Scheich. Da sie das aber schon seit November sagt, als das Austritts-Abkommen mit der EU vereinbart wurde, fehlt zunehmend der Glaube.

Theresa May bekräftigt unentwegt ihren Glauben an einen fristgerechten Brexit Bild: picture-alliance/F. Seco

Sie fühle "eine echte Entschlossenheit bei den EU-Kollegen, einen Ausweg zu finden", beschwor May. Aber diese Entschlossenheit geht nur so weit, wie es die Interessen von Irlands Premier Leo Varadkar zulassen. Und er bekräftigte erneut, es werde keinen "Backstop" mit zeitlicher Begrenzung oder einseitiger Ausstiegsklausel für die Briten geben.

Damit bliebe die zentrale Forderung der Hardliner unter Theresa Mays Parteifreunden unerfüllbar. Was die EU dagegen anbietet ist eine rechtlich bindende Zusicherung zur vorübergehenden Natur des "Backstop".

Verlängerung und wenn ja wie lange?

Aufregung hatte am Montag einer von Theresa Mays Ministern verursacht, als er eine Verlängerung in Aussicht stellte, falls man das Abkommen im nächsten Anlauf nicht über die Hürde bekomme. Aber May, die nicht den Zorn der Brexiteers herausfordern will, dementierte umgehend.

Dennoch wird auch in der Downing Street inzwischen über eine kurze "technische Verlängerung" von zwei Monaten nachgedacht. Die EU hatte zuvor drei Monate bis Anfang Juli ins Auge gefasst, um eine britische Beteiligung an der Europawahl Ende Mai zu umgehen. Aber was ließe sich in so kurzer Zeit wirklich lösen?

Deshalb kamen hohe EU-Diplomaten in Scharm el Scheich inzwischen mit einer neuen Idee. Man solle die Briten doch bis 2021 als Mitglieder in der EU behalten, die Übergangszeit also quasi umwandeln. Man würde das Problem mit dem Backstop umgehen und sie könnten sich in Ruhe über ihre Zukunft klar zu werden. Das führte erwartungsgemäß zu Schockzuständen bei den Brexiteers.

Die Labour Abgeordnete sucht eine Mehrheit im Parlament, um der Regierung die Kontrolle über den Brexit zu entreißen Bild: Reuters/Handout UK Parliament/J. Taylor

Kurswechsel bei der Labour Party

Am Montag gab es schließlich nach endlosem Zögern einen Kurswechsel bei der Labour Party. Parteichef Jeremy Corbyn hatte sich seit Monaten dem Ruf seiner Mitglieder nach seinem zweiten Referendum verweigert. Er war im Prinzip für den Brexit, wenn auch in viel weicherer Form, nah an EU-Regeln. Kurz vor Toresschluss änderte er jetzt seine Meinung, denn dieser Mittwoch ist der letzte Tag, an dem Abgeordnete noch aktiv auf den Brexit Einfluss nehmen können. Jetzt will auch er sich für ein zweites Referendum einsetzen, um die gegenwärtige Pattsituation zu überwinden. Das verringert auch Theresa Mays Chancen darauf, im März bei der Abstimmung Labour-Abgeordnete auf ihre Seite zu ziehen. 

Allerdings könnte Corbyn mit seinem Vorstoß zu spät kommen. Er muss jetzt innerhalb von sehr kurzer Zeit eine Mehrheit für seinen Vorschlag suchen. Und auf jeden Fall brauchen er und seine Unterstützer zunächst eine Verlängerung, um ein zweites Referendum abzuhalten. 

Was passiert im Parlament?

Am Dienstag muss zunächst Theresa May mit einer neuen Erklärung vor das Parlament in London treten. Was aber kann sie schon sagen, wo sie doch ohne Neuigkeiten zurückkehrt. Eigentlich hätte sie an diesem Tag ein überarbeitetes Austrittsabkommen vorstellen sollen. Aber sie hat nichts in der Hand und hat deswegen auch die für Mittwoch geplante Abstimmung zurückgezogen.  

Der Zorn darüber ist beträchtlich. Die Opposition spricht von Verantwortungslosigkeit und Erpressungstaktik. Die Abgeordnete Yvette Cooper brachte es auf den Punkt: "Wenige Wochen vorher wissen wir immer noch nicht, was für einen Brexit wir bekommen und wir dürfen erst zwei Wochen vorher darüber abstimmen."

Sie wird deswegen am Mittwoch einen Änderungsantrag einbringen, der Theresa May die Hände binden soll. Wenn sie bis zum 13. März keine Mehrheit für das Ausstiegsabkommen gefunden habe, will das Parlament die Premierministerin zwingen, eine Verlängerung zu beantragen und gleichzeitig einen No-Deal-Brexit ausschließen. Unklar ist derzeit, wie sich das mit einem weiteren Änderungsantrag auf ein zweites Referendum verbinden ließe.

Schon der Cooper-Antrag ist rechtlich ziemlich kompliziert und wäre ein Präzedenzfall, weil das Parlament der Regierung die Kontrolle entreißen würde. Theresa May versucht deshalb in letzter Minute alles, um eine Mehrheit zu verhindern. Denn am Wochenende hatten sich Sozialministerin Amber Rudd und zwei ihrer Kollegen aus dem Kabinett hinter den Cooper-Vorschlag gestellt. Sie seien auch bereit, die Kabinettsdisziplin zu brechen und notfalls ihren Job aufs Spiel zu stellen, heißt es.

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