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Coronavirus: Frontalangriff auf unsere Organe

28. Juli 2020

Das aggressive SARS-CoV-2 attackiert nicht nur die Lunge, sondern auch das Herz, die Nerven, das Hirn, die Gefäße, die Nieren und die Haut.

Deutschland | Coronavirus | Rosenmontagszug 2020 in Düsseldorf
Bild: picture-alliance/dpa/imageBROKER

Natürlich stehen bei der Lungenkrankheit COVID-19 vor allem die Lungen und Atemwege im Vordergrund. Da der neue SARS-CoV-2-Erreger vor allem die unteren Atemwege befällt, haben vor allem Infizierte mit einem mittleren oder starken Verlauf einen trockenen Husten, Atemnot und/oder eine Lungenentzündung.

Mittlerweile gibt es aber zahlreiche Hinweise, dass das neue Coronavirus SARS-CoV-2 auch andere Organe massiv angreift und auch dem Herzen, den Gefäßen, den Nerven, dem Hirn, den Nieren und der Haut schwer zusetzen kann.

Herz

Mehrere Studien und Aufsätze  unter anderem aus den USA, China und aus Italien legen den Schluss nahe, dass SARS-CoV-2 offenbar auch das Herz angreift. Als Beleg dient nicht nur die deutlich höhere Mortalität von COVID-Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Bluthochdruck. In mehreren Studien wurde zudem nachgewiesen, dass bei Patienten mit schweren Verläufen häufig ein Biomarker im Blut erhöht war, der von zerstörten und sterbenden Herzmuskelzellen freigesetzt wird. Bei vielen zuvor gesunden Patienten hat die Virusinfektion nachweislich eine Herzmuskelentzündung verursacht.

Ob das neue Coronavirus SARS-CoV-2 die Schäden am Herzen selber auslöst oder - was wahrscheinlicher ist - die von der Infektion ausgelöste Immunreaktionen für diese Schäden verantwortlich sind, muss sich erst noch zeigen. Allerdings traten auch früher bei einigen SARS- und MERS-Patienten akute Herzschädigungen auf, und diese SARS-CoV und MERS-CoV Erreger sind sehr eng mit dem aktuellen Coronavirus SARS-CoV-2 verwandt.

Lunge 

Nicht nur während der COVID-19-Erkrankung wird die Lunge massiv angegriffen, auch danach zeigte sich bei vielen Genesenen eine teilweise reduzierte Lungenfunktion als Spätfolge. Chinesische Forscher haben bei einigen genesenen COVID-19-Patienten eine milchglasartige Trübung in den Lungen festgestellt, die auf eine dauerhafte Organschädigung schließen lässt. Weitere Untersuchungen müssen nun zeigen, ob die Patienten eine Lungenfibrose entwickelt haben, bei der sich das Lungenbindegewebe entzündet. 

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Eine milchglasartige Trübung in den Lungen lässt auf eine dauerhafte Organschädigung schließen Bild: picture-alliance/dpa/S. Gollnow

Dadurch kann der Sauerstoff schlechter in die Blutgefäße gelangen, die Lunge versteift, die Atmung wird oberflächlich und schnell. Atemstörungen, Atemnot und trockener Reizhusten sind die Folgen, die körperliche Leistungsfähigkeit nimmt ab, selbst alltägliche Tätigkeiten fallen schwer. 

Eine Lungenfibrose lässt sich nicht heilen, weil sich die narbigen Veränderungen im Lungengewebe nicht mehr zurückbilden. Aber das Fortschreiten einer Lungenfibrose lässt sich verzögern und manchmal sogar stoppen, wenn sie rechtzeitig erkannt wird. 

Gefäße

Bei der Obduktion von gestorbenen COVID-19-Patienten stellten Pathologen am Universitätsspital Zürich fest, dass bei einigen die gesamte Zellschicht an der Innenseite der Blut- und Lymphgefäße (Endothel) verschiedener Organe entzündet war.  

Die Forscher schlossen daraus, dass das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 über ACE2-Rezeptoren zu einer generalisierten Entzündung im Endothel führt. Dies könne dazu führen, dass es zu schweren Mikrozirkulationsstörungen kommt, die das Herz schädigen sowie Lungenembolien und Gefäßverschlüsse im Hirn und im Darmtrakt auslösen. Als Folge kommt es zum Multiorganversagen, das oftmals zum Tod führen kann.

Nervensystem

Bei über 80 Prozent der COVD-19-Patienten wird eineStörung der Geschmacks- und Geruchssinne beobachtet. Eine solche Ageusie bzw. Anosmie tritt bereits zu Beginn der Infektion auf und so läßt sich COVID-19 anhand dieser Symptome frühzeitig diagnostizieren. Denn bei einem normalen grippalen Infekt, der von Adenoviren ausgelöst wird, treten die Geruchs- und Geschmacksstörungen erst im fortgeschrittenen Krankheitsstadium auf. 

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Der Riechnerv führt von der Nasenschleimhaut durch den Schädelknochen direkt ins GehirnBild: Colourbox

Diese banal wirkende Feststellung zeigt aber, dass bei vielen Patienten auch das Nervensystem von dem neuartigen Coronavirus SARS CoV-2 betroffen ist. Denn der Riechnerv führt von der Nasenschleimhaut durch den Schädelknochen direkt ins Gehirn. Somit dienen die Nervenzellen dem Virus quasi als Einfallstor ins zentrale Nervensystem, fanden Forscher aus Belgien heraus.

Hirn

Britische Neurologen haben Anfang Juli schockierende Einzelheiten in der Zeitschrift "Brain"  veröffentlicht, wonach SARS-CoV-2 selbst bei Patienten mit leichten Symptomen oder bei bereits Genesenen schwerwiegende Hirnschäden verursachen kann. Oftmals werden diese Schädigungen nur sehr spät oder gar nicht erkannt.

Bei neun der 43 britischen COVID-19-Patienten diagnostizierten die Neurologen vom University College London (UCL) eine akute demyelinisierende Enzephalomyelitis (ADEM). Bei dieser entzündlichen Erkrankung kommt es zu einer degenerativen Zerstörung des Zentralen Nervensystems, die die Myelinscheiden der Nerven im Gehirn und Rückenmark betrifft. 

Schon bei den früheren Coronavirus-Infektionen MERS und SARS wurde ein ähnliches Vordringen der Viren über die Nerven bis ins Gehirn festgestellt. Als ein mit dem neuartigen Coronavirus infizierter Patient in Japan mit epileptischen Anfällen auffällig wurde, konnte bei ihm eine Hirnhautentzündung festgestellt werden, die von dem ins zentrale Nervensystem vorgedrungenen neuen Coronavirus ausgelöst wurde.

Forscher aus Japan und China befürchten deshalb, dass der Erreger bei manchen Menschen in den Hirnstamm vordringt und dort das Atemzentrum schädigt. Das könnte erklären, warum gerade bei älteren COVID-19-Patienten manchmal die Atmung aussetzt, ohne dass sie vorher massive Atemprobleme durch die Lungeninfektion gehabt hätten. Unklar ist noch, ob SARS-CoV-2 auch Schlaganfälle verursacht oder begünstigt.

Nieren

Wenn COVID-19-Patienten mit einer Lungenentzündung beatmet werden müssen, kann dies auch die Nieren schädigen. Oftmals kommt es zu einem akuten Nierenversagen. Da sich bei der Lungenentzündung oftmals viel Flüssigkeit in der Lunge ansammelt, bekommen die Patienten ein Medikament, dass dem Körper Flüssigkeit entzieht. Dadurch werden aber die Nieren weniger durchblutet und sie können ihre reinigende Aufgabe nicht mehr erfüllen. 

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Bei rund 30 Prozent der COVID-19-Patienten sind die Nieren akut so stark eingeschränkt, dass sie eine Dialyse benötigenBild: picture-alliance/dpa/A. Burgi

Außerdem gerinnt das Blut bei einer schweren COVID-19-Erkrankung schneller. Dadurch können sich leicht Blutgerinnsel bilden, die die Gefäße und eben oftmals auch die Nieren verstopfen. Laut einer neuen Studie haben Hamburger Forscher bei Autopsien Blutgerinnungsstörungen und Embolien in Venen und Lunge als mögliche Folgen einer COVID-19-Erkrankung festgestellt. 

Bei zahlreichen Patienten wurden kleine Infarkte im Nierengewebe beobachtet. Bei rund 30 Prozent der Patienten sind die Nieren akut so stark eingeschränkt, dass sie eine Dialyse benötigen. Ob sich die Nieren nach der Genesung wieder erholen oder ob SARS-CoV-2 eine langfristige Schädigung der Nieren auslöst, lässt sich bislang noch nicht abschätzen.

Haut

Auch beim größten Organ des menschlichen Körpers, der Haut, scheint das neuartige Coronavirus SARS CoV-2 sichtbare Schäden zu hinterlassen. Aus mehreren Ländern gibt es Berichte, dass COVID-19-Patienten deutliche Hautveränderungen aufwiesen.

Vor allem bei Kindern und Jugendlichen traten kleine dermatologische Läsionen an den Füßen auf. Diese purpurfarbenen Flecken ähnelten denen von Masern, Windpocken oder Frostbeulen. An den Zehen erinnert das Hautbild meistens an Erfrierungen oder an netzartige Muster, die normalerweise durch verstopfende Blutgerinnsel in kleinen Blutgefäßen entstehen. Zuweilen wurden aber auch Striemen, Rötungen und nesselsuchtartiger Ausschlag an anderen Körperteilen beobachtet.

Möglicherweise ist die bläuliche Verfärbung der Haut auf eine Störung der Blutgerinnung zurückzuführen, für die ebenfalls das neuartige Coronavirus verantwortlich sein könnte. 

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Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel wurde aufgrund neuer Forschungsergebnisse aktualisiert

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