Macht Sprachenlernen klüger?
9. Mai 2025
Es gibt viele Gründe, eine neue Sprache zu lernen – sei es aus beruflichen Gründen, aus Liebe oder aus persönlichem Interesse an der Kultur oder den Menschen einer bestimmten Region.
Die Forschung zeigt, dass das Erlernen von Sprachen aber auch der allgemeinen Gesundheit des Gehirns zugutekommen kann. Denn das Erlernen einer neuen Sprache ist wie ein Training fürs Gehirn. So wie die Muskeln durch körperliches Training stärker werden, verändern sich beim Erlernen einer neuen Sprache die Nervenverbindungen im Gehirn.
Deshalb meinen Neurowissenschaftler, dass Menschen, die mehrere Sprachen sprechen, Informationen anders verarbeiten als Menschen, die nur eine Sprache sprechen. Doch was passiert wirklich im Gehirn, wenn man eine neue Sprache lernt – und wird man dadurch schlauer?
Sprachbereiche des Gehirns
Bevor wir zu diesen Fragen kommen, hier einige Grundlagen darüber, wie Sprache viele verschiedene Bereiche des Gehirns braucht.
An der Sprachverarbeitung sind zwei wichtige Schaltkreise beteiligt – einer für die Wahrnehmung und Erzeugung von Lauten, der die Grundlage der Sprache bildet, und ein anderer für die Auswahl der zu verwendenden Sprachlaute, so Arturo Hernandez, Neurowissenschaftler an der University of Houston, USA.
"Diese Schaltkreise werden neu verdrahtet, wenn wir Sprachen lernen und zwischen ihnen wechseln. Es geht darum, Klänge zuzuordnen und zu entscheiden, in welcher Sprache wir arbeiten wollen", erklärt Hernandez.
Wir brauchen sensorische Bereiche wie den auditiven Kortex, um Sprachlaute zu verarbeiten. Und wir brauchen die ausgedehnten motorischen Netzwerke des Gehirns, um die Muskeln zu koordinieren, die am Sprechen beteiligt sind, zum Beispiel für die Steuerung von Zunge, Lippen und Stimmbändern.
Dies gilt für alle Sprachen, aber zum Erlernen einer neuen Sprache sind Veränderungen in "höher verarbeitenden" Bereichen des Gehirns erforderlich.
So ist beispielsweise das Broca-Areal im Frontallappen in erster Linie für die Syntax zuständig – also die Art und Weise, wie wir Sätze strukturieren. Dieses Areal hilft, grammatikalisch korrekte Sätze zu bilden und die Satzstruktur zu verstehen. Es ist auch entscheidend für die Sprachproduktion und erleichtert die motorische Kontrolle, die für die Artikulation von Wörtern erforderlich ist.
Andere Hirnregionen, wie das Wernicke-Areal, spielen eine wichtige Rolle beim Wortverständnis und beim Abrufen von Wörtern. Es hilft dabei, die Bedeutung von Wörtern zu verstehen und sie im Langzeitgedächtnis zu speichern.
Das Erlernen einer neuen Sprache verändert das Gehirn physisch
In einer deutschen Studie aus dem Jahr 2024 wurde die Gehirnaktivität von syrischen Flüchtlingen vor, während und nach dem Erlernen der deutschen Sprache gemessen. Dabei wurde festgestellt, dass sich das Gehirn der Menschen neu verdrahtete , als sie die deutsche Sprache besser beherrschten.
"Neuverdrahtung des Gehirns" bedeutet, dass sich die neuronalen Strukturen des Gehirns physisch verändern. Dieser Prozess – Neuroplastizität genannt – ist der Mechanismus, der dem Lernen zugrunde liegt. Das Erlernen einer neuen Sprache erforderte daher neue Wege für die Gehirne der Teilnehmenden, um neue sprachliche Informationen zu kodieren, zu speichern und abzurufen.
"Strukturell gesehen vergrößert sich [beim Erlernen einer Sprache] die Struktur der grauen Substanz in den Bereichen, die mit der Sprachverarbeitung und den ausführenden Funktionen zusammenhängen", sagt Jennifer Wittmeyer, eine Neurowissenschaftlerin am Elizabethtown College in Pennsylvania, USA.
Strukturelle Veränderungen im Gehirn verändern auch die Funktionsweise des Gehirns, da sich die Art und Weise, wie die Neuronen miteinander kommunizieren, physisch verändert. Diese sogenannte neuronale Plastizität hilft, sich Wörter schneller zu merken, neue Laute besser zu erkennen und die Aussprache durch die Steuerung der Mundmuskeln zu verbessern.
"Funktionell gesehen verbessert [das Sprachenlernen] die Verknüpfung zwischen den Gehirnregionen, was eine effizientere Kommunikation zwischen den Netzwerken ermöglicht, die an Aufmerksamkeit, Gedächtnis und kognitiver Kontrolle beteiligt sind", so Wittmeyer.
Sprachenlernen als Kind ist von Vorteil
Studien zeigen, dass wir für alle Sprachen die gleichen Gehirnnetzwerke nutzen, aber das Gehirn reagiert anders auf unsere Muttersprache. In einer Studie wurde festgestellt, dass die Hirnaktivität in den Sprachnetzwerken sogar abnahm, wenn die Teilnehmer ihre Muttersprache hörten.
Dies deutet darauf hin, dass die erste Sprache, die man erwirbt, im Gehirn mit minimalem Aufwand anders verarbeitet wird, so die Wissenschaftler. Die Forschung zeigt auch, dass es für kleine Kinder viel einfacher ist, neue Sprachen zu lernen als für Erwachsene.
Die Gehirne von Kleinkindern befinden sich noch in der Entwicklung. Sie sind anpassungsfähiger für neuronale Plastizität und Lernen. Anders als Erwachsene müssen sie auch nicht aus ihrer Muttersprache übersetzen, sodass sie Laute, Grammatik und Wörter müheloser aufnehmen können.
"In einem frühen Alter ist das Gehirn noch nicht so starr. Die Gehirne Erwachsener sind bereits auf ihre erste Sprache ausgerichtet, sodass sich eine zweite Sprache an das vorhandene Wissen anpassen muss, anstatt sich eigenständig zu entwickeln, da sie sich auf bereits bestehende neuronale Netze stützt", so Hernandez.
Macht Sprachenlernen klüger?
Einige Untersuchungen zeigen, dass Mehrsprachigkeit kognitive Fähigkeiten wie das Gedächtnis und die Problemlösungsfähigkeit verbessert. Aber bedeutet das, dass mehrsprachige Menschen schlauer sind?
Es ist kompliziert, aber wahrscheinlich nicht, sagt Hernandez. "Wenn jemand mehr als eine Sprache spricht, erweitert sich sein sprachliches Repertoire. Sie haben mehr Wörter in allen Sprachen, mehr Begriffe, notwendigerweise mehr Konzepte", so Hernandez.
Es ist jedoch unklar, ob ein größerer Wortschatz auf eine größere kognitive Reserve zurückzuführen ist oder einfach darauf, dass mehr Wörter im Gedächtnis gespeichert sind. Und das ist nicht dasselbe wie Intelligenz.
Um wirklich zu testen, ob mehrsprachige Menschen intelligenter sind, müssten Wissenschaftler "eine Aufgabe finden, die nichts mit Sprache zu tun hat", so Hernandez. Bislang gibt es keine eindeutigen Beweise dafür, dass sie bei Aufgaben, die nichts mit Sprachen zu tun haben, besser abschneiden.
Und die Wissenschaftler sind sich nicht sicher, ob die Veränderungen in den kognitiven Fähigkeiten mehrsprachiger Menschen auf das Erlernen von Sprachen zurückzuführen sind oder auf andere Faktoren wie Bildung oder das Umfeld, in dem sie aufgewachsen sind. Es gibt zu viele Faktoren, die an den kognitiven Fähigkeiten beteiligt sind, als dass man sie auf einen Faktor wie das Erlernen einer Sprache reduzieren könnte, so die Forschenden.
Aber unabhängig davon, ob bessere kognitive Fähigkeiten mit Intelligenz gleichzusetzen sind, steht fest, dass das Erlernen neuer Sprachen neue kulturelle Erfahrungen im Leben eröffnen kann.
Quellen:
White matter plasticity during second language learning within and across hemispheres, Proc. Natl. Acad. Sci. U.S.A. 121 (2) e2306286121, https://doi.org/10.1073/pnas.2306286121 (2024).
Functional characterization of the language network of polyglots and hyperpolyglots with precision fMRI, (2024) https://doi.org/10.1093/cercor/bhae049
Der Text ist ursprünglich auf Englisch erschienen