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Wie gedruckt - Gutenbergs Erben

Ulrike Henningsen | Michael Marek
20. April 2018

In Hannover hat die weltgrößte Industriemesse begonnen. Dort dreht sich alles um intelligente Produktionsverfahren. Eines davon ist der 3-D-Druck. Ein Besuch bei einem Unternehmen aus Lörrach, das darauf setzt.

Bauteile aus dem 3-D-Drucker  (DW)
Bild: DW/M. Marek

Andreas Roser steht vor einem 3-D-Drucker der neuesten Generation. Der 31-jährige Jungunternehmer druckt dreidimensional in einer 800 Quadratmeter großen Halle. Auch hier, auf einem ehemaligen Industrieareal Lörrach (Baden-Württemberg), findet für den Werkzeugmacher eine Revolution statt: "Viele halten den 3-D-Druck für ein Spielzeug. Dabei kann diese Technologie im Hundertstel-Millimeter-Bereich genau arbeiten."

Mit dieser Präzisionstechnik entsteht gerade ein schwarzes, vier mal vier Zentimeter großes Kunststoffteil, das mit seinem filigranen, mehrschichtigen Gittermuster nur im 3-D-Druck herstellbar ist. Es wird in hochwertigen Kopfhörern verbaut und verhindert, dass Lärm von außen ans Ohr dringt.

Andreas Roser in seiner Fabb-It mit einem gedruckten SternmotorBild: DW/M. Marek

Verschmelzen statt gießen

Leichte und hochfeste Bauteile aus Metall im 3-D-Druck-Verfahren herzustellen, anstatt sie klassisch aus Metallblöcken herauszuschneiden oder zu gießen, ist für die Industrie hochinteressant, sagt Roser. Die Wachstumsraten der Produktion lägen bei 30 bis 40 Prozent pro Jahr.

Der Begriff 3-D-Druck ist dabei irreführend: Denn es handelt sich nicht um Druckverfahren wie zu Zeiten von Johannes Gutenberg, sondern um ein Schicht-für-Schicht-Modellieren. Zunächst wird das gewünschte Werkstück im Computer als 3-D-Modell entworfen. Die Software zerlegt das Modell in nanometerdünne Schichten und sendet die Konstruktionsdaten Lage für Lage an den 3-D-Drucker.

Laserlicht, Elektronenstrahlen oder Infrarotlicht lassen im Drucker Metall- oder Kunststoffpulver zu festem Material verschmelzen. Ist eine Schicht fertig, wird neues Pulver aufgetragen und die nächste Lage verschmolzen. Knapp 90 verschiedene Werkstoffe können die Hochleistungsmaschinen von Rosers Firma "Fabb-It" 3-D-drucken - darunter sogar Titan und Holz als Ausgangsstoff.

Steigender Umsatz

Gerade dort, wo es um komplizierte Modelle geht, sind 3-D-Druck-Verfahren höchst willkommen. Vor allem in Maschinen-, Auto- und Flugzeugbau, Architektur und Design. Künstliche Kniegelenke kommen ebenso aus dem 3-D-Drucker wie Halter für Flugzeugtürrahmen im Airbus A350, die genauso stabil sind wie ihre gegossenen Vorbilder aus Metall, aber 60 Prozent leichter und damit kerosinsparender.

Die 3-D-Druck-Branche steht an der Schwelle zum Massenmarkt: 2018 erwartet Wohlers Associates weltweite Umsätze von etwa 12 Milliarden Euro. Das für additive Fertigungsverfahren - so der Fachbegriff - führende US-amerikanische Beratungsunternehmen prognostiziert für 2021 sogar 17 Milliarden Euro. Deutschland lag 2016 bei Unternehmen mit Erfahrungen im 3-D-Druck noch vor den USA, China und Südkorea.

Eine im 3-D-Drucker hergestellte Körper-OrtheseBild: DW/M. Marek

Personalisierte Orthesen aus Lörrach

Bereits heute profitieren Unfallopfer und Kranke von passgenauen Druckerzeugnissen. Sie ersetzen Schädelteile oder Ohrknorpel. Materialwissenschaftler von der University of Chicago haben kürzlich sogar einen künstlichen Knochenersatz aus Knochenmineral und biokompatiblen Kunststoffen im 3-D-Drucker hergestellt.

Viele Kunden von Andreas Roser kommen aus dem Bereich der Medizintechnik. Für sie stellt seine Firma unter anderem körperangepasste Wirbelsäulenorthesen her. "Wer schon mal einen Gips hatte, weiß: Unter einer geschlossenen Fläche juckt es immer. Das ist unangenehm. Deshalb stellen wir eine sehr organische, bionische Orthese her", erklärt Roser. Das Design besticht durch sein löchriges Muster. "Material wird nur an den Stellen verwendet, wo es auch wirklich benötigt wird. Deshalb schwitzt man auch nicht unter diesen Orthesen." Das Besondere für den Patienten: "Das Kosten werden von den Krankenkassen übernommen."

Andere der 1700 Kunden von "Fabb-It" kommen aus der Automobil- und Luftfahrt-Branche. Dazu zählen Zulieferer der US-Firma Tesla Motors genauso wie Fraunhofer-Institute. Sogar ein Tochterunternehmen im indischen Mumbai hat Roser gegründet. Nicht nur dort tüfteln Mitarbeiter an Teilen, die sich in Tunnelbohrmaschinen unter die Erde graben und in Satelliten durch das Weltall fliegen.

Kostengünstige Nullserien und Prototypen

Ein weiterer Vorteil des 3-D-Drucks: Gerade Startups können mit wenig Kapital, eine Geschäftsidee umsetzen und dabei Geld sparen. Für die Entwicklung von Prototypen müssen sie nicht in teuere Maschinen investieren, um eine Nullserie herzustellen. 3-D-Druck lohne sich gerade für eine Produktion von 1 bis zu 5000 Bauteilen, so Roser.

Auch etablierte Firmen greifen verstärkt auf die 3-D-Druck-Technologie zurück: Laut einer Umfrage des Wirtschaftsprüfungsunternehmen Deloitte im letzten Jahr nutzen 64 Prozent der Schweizer Uhrenhersteller 3-D-Druck für die Herstellung von Prototypen. Über die Hälfte integriert den 3-D-Druck in die Fertigung, um die Kosten bei individuell handgefertigten Uhren zu senken.

Spielerei, trotzdem schön: Manschettenknopf aus dem 3-D-DruckerBild: DW/M. Marek

Baustelle Kopierschutz

Mittlerweile gibt es eine Reihe von Internetportalen, die Druckvorlagen zum Download anbieten. Das Dinge-Universum "thingiverse.com" sammelt digitale Designvorlagen und stellt sie zur freien Verfügung ins Netz. Privatleute wie Firmen können diese Vorlagen downloaden und untereinander tauschen. Doch hier lauern auch Gefahren.

Da die Frage der Urheberrechte noch ungeklärt ist, könnten Kriminelle die 3-D-Drucktechnik nutzen und den Markt mit Fälschungen und Plagiaten zu überschwemmen. Neben Thingiverse gibt es noch weitere Datenbanken und Tauschbörsen mit Hunderttausenden 3-D-Druckvorlagen, so Andreas Roser: "Das ist eine Gesetzeslücke, die dringend geschlossen werden muss. Ein Lösungsansatz wäre beispielsweise, die professionellen Scansysteme mit einer Software-Sicherung auszustatten, dass zumindest die Kopien nicht mehr funktionieren."

Printing on demand

Vorteile sieht Andreas Roser im Bereich der Nachhaltigkeit und der Transportwege: Additive Fertigungstechniken stellen aus digitalen Konstruktionsdaten Bauteile her. Die Entfernung zwischen dem Ausgangscomputer, der diese Daten in alle Welt verschicken kann, und dem 3-D-Drucker, der das Teil produziert, spielt keine Rolle - vorausgesetzt, es besteht eine stabile Internetverbindung. Roser weist auf das Beispiel UPS hin: "Das Logistikunternehmen hat angefangen, Teile nicht mehr physisch, sondern übers Internet als Datei zu verschicken. Am Zielort wird das benötigte Teil ausgedruckt und ist dort sofort verfügbar."

Ricardo Simian mit einem Musikinstrument namens Zinken, natürlich aus dem 3-D-DruckerBild: DW/M. Marek

Instrumente aus dem 3-D-Drucker

Additive Fertigungstechniken bieten auch Chancen für Branchen, in denen Hochleistungsmaschinen traditionell eine untergeordnete Rolle spielen - zum Beispiel beim Instrumentenbau. Dort stellt der 3-D-Druck auch eine ökologische Alternative dar, sagt der Basler Musiker Ricardo Simian.

Simian weist auf den knapper werdenden Rohstoff beim Bau von Musikinstrumenten hin. Das Serpentholz, ein Edelholz aus den Urwäldern Südamerikas, das für Streicherbögen benötigt wird, ist besonders betroffen: "Wir haben fast alle Bäume gefällt. Es wird Jahrzehnte dauern, bis sie nachgewachsen sind. Deswegen forschen wir Instrumentenbauer nach materiellen Alternativen."

Simian spielt Zink: Dieses alte Blasinstrument der Renaissance wird traditionell aus Holz gebaut, ist so groß wie eine Oboe, leicht gekrümmt und klingt wie eine Mischung aus Blockflöte und Trompete. Simian lässt das Instrument aus Nylon im 3-D-Druck herstellen.

Die 3-D-gedruckten Instrumente überzeugten Musiker und Wissenschaftler in sogenannten "Blindtests": Traditionell aus Holz gefertigte Zinken waren von ihren additiv hergestellten Doppelgängern klanglich nicht zu unterscheiden. Mittlerweile traut sich Simian auch an andere Blasinstrumente wie Barockoboen  heran. Bei "Fabb-It" in Lörrach lässt er Fingerklappen aus Polyamid für seine Instrumente drucken.

3D-Druck: Konkurrenz für Maschinenbauer

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