Wie der Aufstieg von Frauen verhindert wird
18. April 2006In den Topetagen der deutschen Wirtschaft sind Männer nahezu unter sich. Einer aktuellen Studie der EU-Statistikbehörde Eurostat zufolge besetzen Frauen in Deutschland nur rund 10,4 Prozent aller Führungspositionen im Management. Zwar hat sich der Frauenanteil im Topmanagement von Großunternehmen in den vergangen zehn Jahren mehr als verdoppelt - dennoch ist das Phänomen der "gläsernen Decke", die unsichtbar aber wirkungsvoll den Aufstieg von Frauen verhindert, nach wie vor präsent.
Kaum Frauen im deutschen Top-Management
Bei der Deutschen Telekom beispielsweise hat sich der Anteil von Frauen in allgemeinen Führungspositionen zwar im vergangen Jahr auf 17,5 Prozent erhöht - erheblich unterrepräsentiert seien Frauen jedoch im Bereich des Top-Managements, sagt Maud Pagel, Beauftragte für Chancengleichheit und Diversity bei der Deutschen Telekom. Denn die Quote von Frauen in Führungspositionen liege dort nur bei vier Prozent. Und keines der DAX-Unternehmen in Deutschland habe eine Frau im Vorstand.
Die Gründe hierfür sind verschieden. Gerade in Deutschland wird immer wieder argumentiert, Beruf und Familie seien nicht vereinbar. Oft ist jedoch das Argument selbst ein Grund. "Das Hindernis ist der Mythos, der besagt, die beiden Bereiche seien nicht vereinbar", glaubt Andrea Löther vom Bonner Kompetenzzentrum Frauen in Wissenschaft und Forschung. Das heißt, wenn leitende Personen glauben, dass Familie und Karriere nicht vereinbar seien, fördern sie auch Frauen weniger als Männer.
Traditionelles Rollenbild
Zwar wird im Zuge politischer Korrektheit immer wieder betont, wie wichtig Frauen in Führungspositionen der Wirtschaft sind. In der Praxis jedoch, sind oft noch die traditionellen Denkmuster vorherrschend, meint Maud Pagel. "Obwohl Untersuchungen ergeben, dass auch die jungen Männer aus dieser Rolle des 'Versorgers' weg wollen. Und Frauen müssen vielleicht auch eines lernen: Mehr Mut zu haben und auch zu sagen, dass sie Führungspositionen haben wollen."
Vielfalt als Wirtschaftsfaktor
Fachkompetenz und der Wille allein reichen jedoch nicht aus, um den Frauenanteil in Führungspositionen zu erhöhen. Während man in den 1990-er Jahren den Schwerpunkt von Frauen fördernden Maßnahmen auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie legte, setzen die Unternehmen heute mehr auf Qualifizierung und Personalentwicklung. Ein chancengerechtes Personalmanagement ist auch für die Telekom unerlässlich. Bei der Strategie der Personalentwicklung ist Vielfalt Programm: Unterschiede in Geschlecht, Alter, Religion, Lebensstil und sozialer Schicht werden als Erfolgsfaktoren gesehen - auch wirtschaftlich.
"Work-Life Balance" und "Diversity" sind heute in vielen Unternehmen die Schlüsselthemen für Personalpolitik. In den USA wurden Untersuchungen vorgelegt, nach denen die Betriebe wirtschaftlich ertragreicher sind, die viele Frauen in Führungspositionen beschäftigen und damit ein Aspekt von Diversity erfüllen.
Viel Aufklärung nötig
Das von der Europäischen Union favorisierte Modell für chancengerechte Personalpolitik ist das Gender-Management: Es zielt vor allen Dingen auf die Gleichstellung von Frauen und Männern ab - sozusagen als gesellschaftliche Aufgabe - und orientiert sich dabei nicht primär an den Anforderungen der Ökonomie. Man vergesse oft, dass Vielfalt - auch das Geschlecht der Mitarbeiter - geschäftliche Auswirkungen habe, weil eben auch die Kundinnen und Kunden unterschiedlich seien, sagt Maud Pagel. "Und dafür heißt es auch, Produkte, Prozesse und Maßnahmen zu entwickeln, um diese Kundinnen und Kunden damit zu bedienen." Da sei noch Aufklärungsarbeit in den Unternehmen zu leisten.
In vielen erfolgreichen, vor allem multinationalen Firmen wurden in den vergangen Jahren die Fragen von Geschlecht und Vielfalt verstärkt auf die Tagesordnung gesetzt. Nicht zuletzt deshalb, weil es offenbar in vielen Branchen an qualifizierten Fach- und Führungskräften mangelt. Aber auch angesichts einer demographischen Entwicklung, die mittelfristig zu einem Arbeitskräftemangel führen wird. Frauen gelten als die "Begabtenreserve", ohne die es in Zukunft nicht mehr geht. Das lässt hoffen. Auch wenn es noch ein langer Weg sein wird, bis Frauen im Topmanagement in Deutschland die Quote erreicht haben, bei der man von Gleichstellung sprechen könnte.