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Wie der Spitzensport im Ausland finanziert wird

8. September 2023

In Deutschland sollen die finanziellen Mittel zur Förderung des Spitzensports von der Bundesregierung gekürzt werden. Im Ausland scheinen die Voraussetzungen besser zu sein. Aber warum?

USA Sport l Highschool in Iowa l Läufer im 3200-Meter-Lauf
Gemeinsames Training ist in den USA Standard an den UniversitätenBild: Charlie Neibergall/AP/picture alliance

Der deutsche Sport ächzt unter den Plänen des Bundesinnenministeriums (BMI), den Etat für die Förderung des Spitzensports hierzulande zu kürzen. Im Bundeshaushalt sind für das kommende Jahr für den Spitzensport Streichungen um zehn Prozent von rund 303 auf etwa 276 Millionen Euro vorgesehen. Die ohnehin zuletzt schon mageren Medaillen-Bilanzen in verschiedenen olympischen Disziplinen wie Leichtathletik, Rudern, Turnen, Schwimmen und so vielen Sportarten mehr dürften durch diese Maßnahmen nicht gerade leistungsfördernd sein. 

Der zweimalige Kanu-Olympiasieger Ronald Rauhe schaltete sich in dieses Diskussion ein und stellte deshalb den gesellschaftlichen Wert und positiven Einfluss des Sports in den Vordergrund. Mit Blick auf die Politik stellt Rauhe deshalb grundlegende Fragen: "Wo soll es mit dem Sport hingehen in Deutschland? Welchen Stellenwert soll der Sport in Deutschland einnehmen?" 

USA: Finanzierung aus Studiengebühren

Beim Blick über die Grenze in andere Länder lassen sich grundlegend andere Finanzierungsgrundlagen erkennen. Einige Beispiele: Die größten Investitionen in den olympischen Spitzensport in den westlichen Staaten werden in den USA - vor dem Hintergrund einer gänzlich unterschiedlichen Organisationsstruktur - vorgenommen. "Zentrale Triebkräfte der Förderung sind dort Universitäten und Colleges", sagt Christoph Breuer. Das Gesamtvolumen des in Übersee für den Sport vorhandenen Sportbudgets liege bei rund 13 Milliarden US-Dollar, sagt der Leiter des Instituts für Sportökonomie und Sportmanagement an der Deutschen Sporthochschule Köln.

Der Grund: Im Gegensatz zu den staatlichen Universitäten in Deutschland finanzieren sich die Hochschulen in den USA hauptsächlich durch Studiengebühren. Ein Hauptmotiv der Schulen ist es, sich über Sportteams zu präsentieren und zu werben, um neue Studenten anzuziehen. Aber: Auch für das Ranking und den Ruf einer Universität spielt die Qualität des Sports eine gewichtige Rolle.

An der Ohio State University wird unter anderem College-Tennis gespieltBild: Adam Cairns/USA TODAY Network/IMAGO

"In den Teamsportarten ist dort ein eigener Markt entstanden", sagt Breuer. Rund sieben Milliarden US-Dollar werden allein in diesem Bereich durch TV-Übertragungen eingenommen. "Anders sieht es in Individualsportarten aus", sagt der Institutsleiter. Allerdings: Im Vergleich zum deutschen Sport haben die Universitäten auch in den Individualsportarten geradezu gigantische Sportbudgets. Allein Texas Athletics - ein eigenständiger Zweig der Universität in Austin - verfügte nach eigenen Angaben für das Geschäftsjahr 2019/20 über ein Gesamtbudget von 187 Millionen US-Dollar -Tendenz steigend. Dort gibt es ein nationales Leichtathletikprogramm, das keine Einnahmen aus Studiengebühren, institutionellen oder staatlichen Quellen erhält.

Beste Trainingsbedingungen

Was alle Einrichtungen eint: "Alle Spitzensportler haben hervorragende Trainingsbedingungen, hochqualifizierte Trainer und sie trainieren gemeinsam in Gruppen, während  in Deutschland viele Sportler individuell trainieren", sagt Breuer. Und es gibt Sportstipendien für ausländische Spitzensportler, die damit zusätzlich an die Universitäten gelockt werden.    

In einem skandinavischen Land ist die Herangehensweise eine ganz andere. Dort wird eher an den Wurzeln begonnen. "In Norwegen hat man den Schulsport über staatliche Eingriffe ganz klar gesetzlich geregelt und auch mit finanzieller Ausstattung versehen. Dort hat jeder Schüler vom ersten Schuljahr bis zum letzten einen gesetzlich verbrieften Anspruch auf 60 Minuten qualifizierten Sportunterricht pro Tag - nicht pro Woche. Da werden Sportlehrer vernünftig ausgebildet. Es gibt es aber auch Programme für den Schwimmhallen-Ausbau", sagt Martin Engelhardt, Vorstandsvorsitzende des Trägervereins der in Deutschland besonders von den Kürzungen betroffenen Instituten für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten (FES) und dem Institut für Angewandte Trainingswissenschaft (IAT)

Medaillenschmiede Papendal

Bei unseren unmittelbaren Nachbarn, den Niederlanden, ist man einen ganz anderen Weg in Sachen Finanzierung und Entwicklung des Spitzensports gegangen. Dort steht das Sportzentrum Papendal exemplarisch für eine innovative Form der Ausbildungs- und Trainingsmöglichkeiten. Initiator ist vor allem Jochem Schellens, der Hotelexperte, aber vor allem ein großer Sporfan ist. Vor 16 Jahren erkannte er die Möglichkeit, mit seinem Knowhow die Anfänge von Papendal zu gestalten. "Wir haben mit drei Mann angefangen", sagt er der DW. Mittlerweile hat sich der kleine Ort bei Arnheim zu einer sportlichen Erfolgsgeschichte und einer Medaillenschmiede entwickelt. Sprinterin Femke Bol etwa gewann bei der jüngsten Leichtathletik-WM Gold über 400-Meter-Hürden. Sifan Hassan, Olympiasiegerin von Tokio über 5000 und 10.000 Meter trainiert ebenfalls oft in Papendal, weitere niederländische Spitzenleichtathleten ebenfalls.

Femke Bol, Weltmeisterin über 400 Meter Hürden und mit 4x400-Meter-Staffel, trainiert in PapendalBild: Sven Hoppe/dpa/picture alliance

Es gibt in Papendal nicht nur einen Leichtathletik-Platz, sondern dazu eine BMX-Strecke, mehrere Krafträume, Hallen und auch eine Indoor-Laufbahn. Alles fußläufig zu erreichen. Über 100 Athleten in verschiedener Sportarten und Altersgruppen und auch Parasportler trainieren mittlerweile nahe der deutschen Grenze. Insgesamt arbeiten mehr als 500 Athletinnen und Athleten aus verschiedenen Sportarten zusammen an diesem Leistungsstützpunkt. Beste Trainingsmöglichkeiten, hochwertige Trainingsgruppen, hoch qualifizierte Trainer und Physiotherapeuten sind dort vor Ort. Und: alle Sportler arbeiten in ihren jeweiligen Sportarten eng zusammen. Das war zuvor auch in den Niederlanden anders.

Finanziert wird das Sportzentrum Papendal aus einer Mischung von öffentlichen Mitteln und privat-wirtschaftlichem Engagement: Gelder fließen zu 25 Prozent von der niederländischen Regierung, zu 25 Prozent vom Nationalen Olympischen Komitee, zu 30 Prozent aus dem Hotelbetrieb. Und der Rest kommt aus den regelmäßigen Events, die vor Ort stattfinden und die dort jedermann veranstalten kann. Ohnehin ist das Leistungszentrum für die Öffentlichkeit zugänglich. "Wir sind anfangs natürlich auf Skepsis gestoßen. Aber wir haben es umgesetzt. Und wir sind hier sehr stolz auf das, was wir bislang erreicht haben", sagt Schellens.

Vorbild für Deutschland?

Eine Konzentration der besten Sportler an einem zentralen Ort, um dort gemeinsam unter besten Rahmenbedingungen zu trainieren, statt der Verteilung auf einzelne Vereine, Leistungszentren und Olympiastützpunkte wie in Deutschland - womöglich wäre das auch ein Weg, der in Deutschland beschritten werden könnte, um erfolgreich zu sein. "Man weiß, dass im Ausland anders professionell trainiert wird", sagte der deutsche Geher und Athletensprecher Christopher Linke nach der insgesamt enttäuschenden Leichtathletik-WM in Budapest im ZDF-Interview. Er selbst müsse sich teilweise unter "sehr amateurhaften Bedingungen" vorbereiten.

Hoffnungen machten ihm aber die Erfolge, die deutsche Leichtathletinnen und Leichtathleten aktuell im Nachwuchsbereich bei internationalen U18- und U20-Meisterschaften erzielten. Was sie erst erreichen könnten, wenn man sie finanziell besser ausstatten und ihre Trainingsbedingungen verbessern würde?

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