Trendsport Padel erobert Deutschland und hilft Tennisklubs
10. Dezember 2024Langsam hat der Glühwein die richtige Temperatur. Die selbstgebackenen Kuchen und andere kleine Snacks sind auf einem kleinen Holztisch angerichtet. Aus der großen Musikbox wummern erste Lieder. Alles ist vorbereitet für das letzte Padel-Turnier des Jahres.
Fast 20 Vereinsmitglieder der SG Niederwalgern-Wenkbach im Bundesland Hessen haben sich von der Kälte nicht abschrecken lassen und sind an den Padel-Court gekommen, um dort ein Turnier zu spielen.
"Padel ist eine Passion geworden", sagt Marco Otto, der vor rund zwei Jahren mit dem neuen Sport angefangen hat. "Es ist ein schnelles dynamisches Spiel." Beim Padel gehe es mehr um Spaß und Gemeinschaft als um den Konkurrenzgedanken.
Wenig Aufwand für viel Spaß
Padel ist eine der weltweit am schnellsten wachsenden Sportarten. Die kleineren Plätze ähneln mit Netz in der Mitte und zwei Aufschlagfeldern dem Tennis, allerdings ist das Spielfeld ähnlich wie beim Squash teilweise mit Glasscheiben umrandet, die als Bande mit in das Spiel einbezogen werden können. Man spielt mit einem kurzen Kunststoffschläger.
"Der größte Unterschied zu den anderen Rückschlagsportarten ist, dass man nicht so viel investieren muss, um überhaupt Spaß zu haben", erklärt Jan Weitzel der DW. "Gerade für Kinder und Jugendliche, bei denen die Frustrationstoleranz noch nicht so ausgedehnt ist, ist Padel einfacher als andere Sportarten zu erlernen."
Tennis, so der Jugendtrainer, sei zum Beispiel sehr viel trainingsintensiver. Beim Padel seien erste Erfolgserlebnisse dagegen schon nach wenigen Trainingseinheiten möglich.
Kaum Trainingsbetrieb möglich
Nach einer kleinen Stärkung wird es nun auch für die anwesenden Vereinsmitglieder ernst. Die ersten Teams sind bereit, es geht auf einen der beiden Padel-Plätze. Erst vor zwei Jahren hat der Tennisklub die neuen Spielstätten bauen lassen, zuvor hatte sich der Klub ausschließlich auf Tennis fokussiert. Das war auf Dauer allerdings nicht mehr rentabel, denn wie bei anderen Vereinen in Deutschland, machte vor allem der demographische Wandel auch der SG Niederwalgern-Wenkbach zu schaffen.
"Wir haben eine überalterte Mitgliederstruktur und schwindende Mitgliederzahlen gehabt, dazu wenig Neueintritte. Das hat dann dazu geführt, dass wir irgendwann keine Mannschaftspiele und kaum Trainingsbetrieb mehr anbieten konnten", erklärt Vorstandsmitglied Moritz Blömer im DW-Interview. Das Interesse an traditionellen Tennis habe nach und nach immer mehr nachgelassen.
Blömer: "Irgendwann wäre das Ding tot gewesen"
Laut Statistischem Bundesamt wird die deutsche Bevölkerung im Durchschnitt immer älter, parallel dazu sinkt die Geburtenrate. Das hat nicht nur Auswirkungen auf Arbeitsmarkt und Rente in Deutschland, sondern führt auch dazu, dass viele Sportvereine allmählich ihre Basis verlieren.
Ältere Menschen ziehen sich oft aus aktiven Vereinsfunktionen zurück, während junge Mitglieder als Nachrücker fehlen. Streaming-Dienste, soziale Medien und Videospiele haben stark an Popularität gewonnen und verdrängen Sport und traditionelle Vereinsaktivitäten.
"Aufgrund der sinkenden Mitgliederzahlen wäre es vielleicht noch zehn Jahre gut gegangen und wir hätten den Betrieb noch aufrechterhalten können", sagt Blömer. "Doch irgendwann wäre das Ding dann tot gewesen."
Das Vereinssterben hat gravierende soziale Folgen für eine Gesellschaft, denn Vereine bieten Räume für zwischenmenschliche Interaktion und fördern das Gemeinschaftsgefühl, Integration sowie soziale Kompetenz bei Menschen.
"Das Schöne am Vereinsleben ist der Zusammenhalt", sagt Padel-Enthusiast Marco der DW. "Man trifft Gleichgesinnte und oft geht es schnell auf eine freundschaftliche Ebene. Man trifft sich und hat eine Menge Spaß."
Der Verein geht ins Risiko und verschuldet sich
Das war auch bei Moritz Blömer so, als er vor 13 Jahren mit seiner Familie in die kleine Gemeinde rund 70 Kilometer nördlich von Frankfurt am Main zog. Er meldete er sich im Tennisverein an und fand schnell Anschluss an die Menschen im Ort. Um auch die Jüngeren zu begeistern, musste sich der Klub allerdings verändern.
"Wir haben Padel als Trendsport entdeckt", erklärt Blömer. "Und wir wollten einfach versuchen, etwas Junges, Modernes und Attraktives weiter anbieten zu können." Zwei Plätze sollten zunächst gebaut werden. Dafür ging der kleine Verein ins finanzielle Risiko. "Es war eine Investition, die das zehnfache unseres Kontostandes gewesen ist", erinnert sich der 41-Jährige. Mit Sponsoren, öffentlichen Fördergeldern und einer Erhöhung des Mitgliederbeitrages kam das Geld aber schließlich zusammen.
Padel erobert Deutschland und hilft Tennisklubs
Damit der Plan aufging, benötigte der Verein 30 neue Mitglieder - eine große Zahl bei gerade einmal 1400 Einwohnern in der Gemeinde. Allerdings: "Unsere Plätze hier waren die ersten im Umkreis von 100 Kilometern. Es gab also wenig Konkurrenz und das erschien für uns machbar", sagt Blömer. Der Klub machte Werbung auf digitalen Kanälen und veranstaltete Events, um den Trendsport den Menschen auch außerhalb der Ortsgrenzen näher zu bringen - mit Erfolg.
"Wir sind mittlerweile 80 Padel spielende Mitglieder. Davon sind ungefähr 40 ehemalige Tennisspieler, die innerhalb des Vereins zum Padel gewechselt sind", erklärt Blömer und ergänzt stolz: "Als Verein sind wir in den letzten zwei Jahren um circa 30 Prozent gewachsen."
Vor allem junge Menschen schließen sich dem Klub an und werden Teil der neuen Padel-Community. Zweimal pro Woche ist Training, es gibt eine Mannschaft in der 2. Padel-Bundesliga gemeldet und regelmäßig finden Turniere statt. Im Rahmen einer Kooperation nutzt außerdem die Padel-AG der nahegelegenen Gesamtschule die Plätze des Vereins.
Weltweiter Padel-Boom
Dass Padel nicht nur regional in Nordhessen boomt, sondern in ganz Deutschland und dem Rest der Welt, belegen Zahlen der Wirtschaftsberatungsagentur Deloitte. Laut dem Global Padel Report von 2024 gab es 2016 weltweit rund 10.000 Plätze, aktuell sind es knapp 50.000 - Tendenz weiter steigend.
Padel wurde 1965 in Mexiko erfunden und zunächst nur langsam in Europa adaptiert, vor allem in Spanien. Dort ist Padel nach dem Fußball die zweitbeliebteste Sportart - mit rund 16.000 Plätzen und mehr als fünf Millionen Aktiven. Seit knapp 20 Jahren gibt es eine weltweite Profi-Tour. Die besten Spielerinnen und Spieler kommen aus Spanien und Lateinamerika. In Deutschland steckt der Sport dagegen noch in den Kinderschuhen. Hier gibt es derzeit knapp 600 Plätze - immerhin 300 mehr als 2022.
Auf den Plätzen in Niederwalgern geht das Turnier in die entscheidende Phase. Nachdem die Sonne untergegangen ist, steht der Sieger fest und wird mit einem kleinen Feuerwerk gebührend gefeiert.
Im Anschluss wird bei kalten und warmen Getränken noch die "Analyse" vorgenommen. Denn das gemütliche Beisammensein neben dem Platz ist dem Verein mindestens genauso wichtig, wie Sport und Spaß auf dem Padel-Court.