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Die Bundesliga entdeckt Frankreich

Joscha Weber mit sid/dpa
5. Dezember 2018

Die Bundesliga entdeckt Frankreich: Pavard, Diallo, Pléa, Zagadou - noch nie spielten so viele französische Talente in der Bundesliga wie jetzt. Nur eine Folge des WM-Titels oder ein nachhaltiger Trend?

Fußball Bundesliga SV Werder Bremen vs. Borussia Mönchengladbach | Jubel
Mit acht Toren maßgeblich am Gladbacher Aufschwung beteiligt: Alassane Pléa (r.)Bild: Getty Images/Bongarts/O. Hardt

Benjamin Pavard hat einen erstaunlichen Satz gesagt: "Wenn ich in Lille geblieben wäre, wäre ich jetzt vielleicht kein Weltmeister". Was nach einer Abrechnung mit seinem Ex-Verein klingt, ist eigentlich als Wertschätzung seines aktuellen Klubs gedacht. Pavard fühlt sich wohl in Stuttgart. Er war die Entdeckung in der französischen Mannschaft, die im Sommer den WM-Titel holte, avancierte gar zum unaufhörlich besungenem Publikumsliebling der Grande Nation. Und doch entschied er sich gegen große Offerten und blieb beim allenfalls durchschnittlichen Bundesligisten VfB Stuttgart. Warum?

"Ich hätte es mir nicht vorstellen können, den VfB durch die Hintertür zu verlassen - wie ein Dieb! Ich verdanke dem VfB sehr viel. In Stuttgart bin ich erwachsen geworden, auch Nationalspieler. Der Verein hat immer an mich geglaubt und deswegen sitze ich heute als Weltmeister hier. Ich wollte das alles nicht einfach nach zwei Saisons beenden und sagen: 'Das war's, danke'. Das schulde ich dem VfB", sagte Pavard dem TV-Sender Sky. Eine erstaunliche Loyalität gemessen an seinen Möglichkeiten. Sie sagt allerdings nicht nur etwas über den Charakter Benjamin Pavard, sondern auch über die Liga selbst. 

"Sie bringen Robustheit und Durchsetzungsvermögen mit"

Die Talente suchen in der im Vergleich zur Ligue 1 stärkeren Bundesliga den nächsten Schritt. Pavard war 2016 als 20-Jähriger nach Stuttgart gekommen und entwickelte sich bei den Schwaben vom Zweitliga-Profi zum Stammspieler des Weltmeister-Teams. Seine Entwicklung wird aber nicht in Stuttgart enden, so viel ist klar. "Was im Sommer passiert, weiß ich noch nicht", meinte der 22-Jährige am Mittwoch vielsagend, wollte die Gerüchte um eine mögliche Einigung mit dem FC Bayern München aber nicht bestätigen. "Klar ehrt mich das Interesse der Bayern. Ich schließe nicht aus, hier in Deutschland zu bleiben." Pavard, der wohl nicht unter der Ausstiegsklausel von 35 Millionen Euro den VfB verlassen wird, ist nur das prominenteste Beispiel für das neue Faible der Bundesliga für französische Talente.

Nach der grandiosen WM bekommt Pavard (r.) mehr Verantwortung und muss beim VfB Top-Stürmer wie Alcacer ausschaltenBild: Getty Images/AFP/T. Kienzle

Neben dem VfB-Verteidiger kommen in dieser Spielzeit 24 weitere Bundesliga-Profis aus dem Weltmeisterland. Frankreich hat sich damit inzwischen für die Bundesligisten zum zweitwichtigsten Spielermarkt hinter Österreich entwickelt. Vor sechs Jahren waren es gerade mal drei Franzosen, in der Saison 2015/16 lediglich acht. "Sie genießen eine sehr, sehr gute Ausbildung. Sie bringen Robustheit und Durchsetzungsvermögen mit. "Auch vom Budget her kleinere Vereine in Deutschland können sie sich leisten", begründet der Mainzer Sportvorstand Rouven Schröder den Trend. Ins Mainzer Konzept passen die französischen Talente bestens, sagt er. "Wenn sie noch zwei, drei Jahre älter wären, wären sie so weit, dass wir sie uns nicht mehr leisten können", sagt Schröder und erklärt mit dem finanziellen Aspekt auch, warum er vermehrt bei französischen statt bei deutschen Talenten zugreift: "Deutsche Spieler in dem Alter sind für uns zum größten Teil nicht finanzierbar. Die entscheiden sich meist für größere und finanzstärkere Vereine."

Atmosphäre, Intensität und Organisation der Bundesliga beeindrucken 

Für Mainz schoss Neuzugang Jean-Philippe Mateta (21) am vergangenen Wochenende den Siegtreffer in Düsseldorf, Moussa Niakhaté (22) überzeugt in der Abwehr. Den französischen U21-Kapitän Abdou Diallo (22), den sie ein Jahr zuvor für fünf Millionen verpflichtet hatten, hatten die Rheinhessen im Sommer für 28 Millionen Euro an Dortmund verkauft. Auch dank Diallo und dessen noch jüngerem Verteidiger-Kollege Dan-Axel Zagadou (19) führt die Borussia die Tabelle an. Gladbach überrascht auch dank der schon acht (!) Treffer von Stürmer Alassane Pléa. Leipzig rangiert mit Dayot Upamecano (20), Ibrahima Konaté (19), Nordi Mukiele (21) und Jean-Kévin Augustin (21) vor den Bayern, RB hat damit ligaweit die meisten Franzosen in seinen Reihen.

Die meisten Franzosen spielen bei RB Leipzig - und keiner ist älter als 21 JahreBild: picture-alliance/dpa/J. Woitas

Und wer den jungen Talenten aus dem Weltmeisterland zuhört, versteht, dass aktuell beide Seiten voneinander profitieren: Die Klubs von den gut ausgebildeten Spielern, aber die Spieler auch von Training und Niveau der Bundesliga. Alassane Pléa hatte Angebote aus England, "aber ich wollte unbedingt nach Deutschland, weil hier alles vorhanden ist, um das nächste Level zu erreichen und sich weiter zu entwickeln. Man überlässt hier nichts dem Zufall. In den ersten Wochen war ich ein bisschen überrascht von dieser Mentalität und dieser Zielstrebigkeit. Spielerisch finde ich die Bundesliga stärker als die Ligue 1, vor allem in puncto Intensität", meint Pléa im Gespräch mit bundesliga.com.

Die Franzosen, die in Frankreich spielen, hätten "gesehen, dass ihre Landsleute in der Bundesliga erfolgreich waren. Sie haben gesehen, dass sie hier auf Einsätze kommen und eine wichtige Rolle spielen können, das ist ein großer Faktor", so der Mainzer Sportvorstand Schröder. Abdou Diallo schwärmt derweil von der beeindruckenden Atmosphäre in der Bundesliga: "Das Stadion. Mir tun die Ohren weh, es ist eine unglaubliche Stimmung." Und nicht zuletzt Benjamin Pavard nennt einen entscheidenden Grund für die neue Vorliebe französischer Talente für die deutsche Liga: "In Deutschland trainiert man sehr hart und sehr fokussiert. Wenn man diese Schule durchläuft, entwickelt man sich schneller."

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