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Politik

Rettung für die Seenotrettung?

Kay-Alexander Scholz
13. Januar 2020

In Deutschland haben sich Dutzende Kommunen dazu bereit erklärt, freiwillig Flüchtlinge aufzunehmen. Das gilt auch für Bootsflüchtlinge aus dem Mittelmeer. Doch so einfach ist das gar nicht.

Seenotrettung "Open Arms" Migranten dürfen in Lampedusa an Land
Bild: picture-alliance/AP Photo/S. Cavalli

Zuletzt hatte der deutsche Bundesinnenminister Horst Seehofer im Herbst eine Initiative gestartet, um möglichst viele EU-Partner zu einem abgestimmten Handeln bei Bootsflüchtlingen im Mittelmeer zu bewegen. Eine feste Aufnahmequote sollte die Situation entspannen. Doch es fanden sich nur vier Staaten, die mitmachen wollten: Malta, Frankreich, Italien und Finnland.

Nach vier Jahren war die EU-Marine-Mission "Sophia" im Frühjahr 2019 eingestellt worden, die Tausende Migranten mit Marine-Schiffen aus dem Mittelmeer gerettet hatte. Doch Italiens damalige Regierung verweigerte eine Verlängerung der Mission mit der Begründung, es fehle ein EU-weiter Verteilmechanismus - den es bis jetzt noch immer nicht gibt.

Initiative deutscher Kommunen zur freiwilligen Aufnahme von Flüchtlingen

Der Seehofer-Plan funktioniere nicht, sagt die Grünen-Politikerin Luise Amtsberg. Noch immer müssten Schiffe, die Flüchtlinge aus Seenot gerettet hätten, tagelang warten, bis sie in einem Hafen einlaufen und die Flüchtlinge verteilen könnten. Zudem seien derzeit überhaupt nur vier Schiffe von NGOs unterwegs.

Weil sich auf EU-Ebene nichts bewegte, hatten sich im Juni 2019 Kommunen in einem Bündnis "Städte Sicherer Häfen" zusammengeschlossen. Inzwischen gehören nach eigenen Angaben 120 Kommunen dazu, darunter Bonn, Köln, Berlin oder Potsdam. Eingeladen von der Bundestagsfraktion der Grünen berieten nun Vertreter dieses Bündnisses in Berlin ihr weiteres Vorgehen. Am 28. Januar wollen sie gemeinsam mit dem Bundesinnenministerium beraten.

Zwischen dem Bündnis und dem Bundesinnenministerium hatte es lange - einseitig - Funkstille gegeben. Wir bekamen keine Antwort auf unsere Schreiben, sagte der Oberbürgermeister von Potsdam, Mike Schubert (SPD), von wo aus das Bündnis koordiniert wird.

Frage der Zuständigkeiten

Doch so einfach ist eine freiwillige Aufnahme von Flüchtlingen nicht, selbst wenn Kommunen sich dazu bereit erklären. Denn die Verteilung von Flüchtlingen ist gesetzlich geregelt und erfolgt bundesweit nach einem festen Verteilungsschlüssel.

Von links nach rechts: Leoluca Orlando, Bürgermeister von Palermo; Miriam Koch, Leiterin des Amtes für Migraton und Integration der Stadt Düsseldorf; Luise Amtsberg, Sprecherin für Flüchtlingspolitik der Bundestagsfraktion der Grünen; Mike Schubert, Oberbürgermeister von PotsdamBild: Imago images/photothek/F. Zahn

Dafür aber können die Kommunen auch mit finanzieller Hilfe des Bundes rechnen. Rund die Hälfte müsste die Kommune selber tragen, sagte die Leiterin des Ausländeramts von Düsseldorf, Miriam Koch. Der Bund zahle den Kommunen 866 Euro pro Kopf und Monat. Nun fordere sie mehr Spielraum und Mitspracherecht.

Die offiziellen Vertretungen der Kommunen, die in Verbänden organisiert sind, sehen das Bündnis bislang skeptisch. Das hängt auch damit zusammen, dass es in der Regel keine Residenzpflicht für Flüchtlinge gibt. So können Flüchtlinge also auch in anderen Städten eine neue Heimat suchen.

"Eine humanitäre, keine politische Maßnahme"

Deshalb eine freiwillige Aufnahme abzulehnen, sei keine Antwort, entgegnete Oberbürgermeister Schubert. Gesetze könnten schließlich geändert werden. Überhaupt sei die Rettung von Bootsflüchtlingen im Mittelmeer eine humanitäre und keine politische Maßnahme. Denn zunächst einmal gehe es um die Rettung von Menschenleben.

Palermos Bürgermeister Orlando (rechts) hat sich der Initiative "Städte Sicherer Häfen" angeschlossenBild: Imago Images/M. Popow

Dem pflichtete eindrücklich der Bürgermeister von Palermo, Leoluca Orlando, bei, der das Bündnis unterstützt. Die Mobilität der Menschen dürfe nicht eingeschränkt werden. Auch hier müssten die Menschenrechte gelten, zuallererst der Schutz des Lebens der Flüchtlinge im Mittelmeer. Orlando sprach angesichts der ertrinkenden Menschen im Mittelmeer von einem "Genozid".

Die Situation in Italien, so Orlando, sei derzeit sehr schwierig. Noch immer würden die Gesetze der vorherigen Regierung von Innenminister Matteo Salvini gelten. Der Rechtspopulist Salvini hatte es Schiffen verboten, in italienischen Häfen Bootsflüchtlinge abzusetzen. Diese Gesetze seien verfassungswidrig, so Orlando, und müssten schnellsten wieder geändert werden.

"Europa ist ein sterbender Kontinent!"

Von der EU forderte Orlando, die Message auszusenden, das jeder willkommen sei. "Europa ist ein sterbender Kontinent", sagte Orlando mit Blick auf die demographische Situation in vielen Ländern. "Wir brauchen die Flüchtlinge!"

Auf die Frage an die Grünen-Politikerin, ob sie das angesichts durchaus geteilter Meinungen über die Aufnahmebereitschaft von Flüchtlingen in Deutschland auch so sehe, sagte sie, die Frage stelle sich angesichts der fast nicht funktionierenden Seenotrettung und der geringen Zahl der Geretteten gerade gar nicht.

Grünen-Politikerin Amtsberg fordert eine staatliche SeenotrettungBild: picture alliance/dpa/W. Kumm

Generell seien die Grünen für eine staatliche Seenotrettung - allerdings sei das nur ein Teil der nötigen Flüchtlingspolitik, so Amtsberg. Eine gute Hilfe fange schon an, bevor die Menschen die Boote bestiegen - und zwar mit Hilfe vor Ort in den Krisengebieten und mit mehr legalen Möglichkeiten, Flüchtlinge zum Beispiel über Kontingente nach Europa zu holen.

Aus dem Bundesinnenministerium hieß es derweil, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge seit Beginn des Jahres angewiesen worden sei, den Bundesländern aufnahmebereite Kommunen zu benennen. Der Hintergrund sei, dass die Unterbringung vor Ort laut Gesetz Sache der Länder sei.

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